Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0690
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Grafschaft Ostfriesland

beider gemeinen durch den superintendenten zu-
f. 116 sammenberuffen, | auf daß friede, einigkeit und got-
seligkeit der gemeine gehalten werde.

Zum letsten, auf daß die gaben, lere und reinig-
keit a des lebens in den dienern unser teutschen
gemeine desto baß möchten erhalten werden, so ist
noch ein tag b alle drey monat gestellet, auf welchem
ein erforschung und examen aller diener ihres lebens
und lere halben gehalten wird 63. Und wenn der ob-
gemelte tag (nemlich der zweite Donnerstag Sep-
tembris, Decembris, Martii und Junii) herzunahet,
denn vermanet der diener die ganze gemeine den
forgehenden Sontag von der kanzel dises tags und
begeret offentlich von einen jeden, so jemand etwas
von den dienern wüste, entweder in der lehre oder
im leben, daß unrecht were und die gemeine ergerte,
das sie dasselbige jemand von den dienern in aller
christlichen freiheit und liebe gegen den folgenden
Donnerstag anzeigen wollen, auf daß man die besse-
rung darmit vornemen und auch allen afterredern
und verleumdern der c diener das maul d stopfen
möge 64. Wenn nu auf den Donnerstag alle diener des
worts, die eltesten und auch die diaken versamlet
sind, so fähet der diener des worts ein gemein gebet
an, zu der sach dienende. Und darnach vermanet er
die ganze versamlung der diener mit kurzen worten
zu der erhaltung der christlichen freiheit in dem ver-
manen. Und daß ein jeder zusehe, daß er in dem
vermanen nichts fürbring auß haß oder neid oder
auch keines andern boßheit durch schmeichlerey
oder liebkosen e ubersehe und f bedecke.

Wenn solche oder dergleichen vermanung getan
ist, so heist man einen von den dienern außgehen,
und in seinem abwesen wird ein jeder ordentlich
unterfraget, warin er zu vermanen, zu straffen oder
auch zu trösten sey. Es wird aber da keine klag
a 1. Tim. 5 [19] wider ihn nach der lehre Pauli (a) angenommen

a) reinigkeit] N: oprechticheit

b) ein tag] N: eenen sekeren dach

c) afterredern und verleumdern der] N: winckelclap-

paers teghen de d) N + met rechte

e) schmeichlerey oder liebkosen] N: slappicheit ende
vleyerie f) N (übersehe und )

g) von den] N: door alle de h) fleissig] N: vrijlick
i) N (auf solche straffe)

k) sonder... geergert wird] N: mer dat de onstich-
tinghe doer hem is groyende ende toenemende

dann bey zweien oder drey zeugen. Wenn man nun
eines jeden gefüllen von lere und leben des dieners
(so abgetretten ist) gehört hat, so wird er wider hierin-
geruffen, und denn wird ihm, was von deng dienern
uber ihm beschlossen ist, fleissig h und christlich vor-
gehalten. Und also wird von einem jeden diener
ordentlich gehandelt, niemand außgenommen.

So auch einer unter den dienern were, der die
gemeine christliche vermanung der ander diener
verachten würde, so soll er fürs erst, wasserley
autoritet oder lehre | er auch ist, von seinem dienst f. 117
und dem gebrauch des nachtmals Christi ein
zeitlang verwiesen sein. Und wo er sich auf solche
straffe i nicht bessert, sonder daß die gemeine je
lenger je mehr durch ihn geergert wird k, so soll er
offentlich mit bewilligung der gemeine von seinem
dienst gesetzet werden; und zuletzt, wenn keine
hoffnung der besserung zu gewarten ist l, soll er umb
seiner halßstarrigkeit willen von der gemeine ab-
geschnitten werden. Denn in dem gebrauch des
kirchenbanns muß man die diener nicht mehr denn
die ganze gemeine sparen. Ja, man soll grössern
ernst gegen demselbigen beweisen, dieweil durch
ihren fall grössere ergernussen kommen.

Und wenn die diener allein regieren wollen und
von dem joch der christlichen straffe selbst frey sein,
so ists nicht mügflch, daß es in der gemeine lang
wol zugehe. Und von solchen dienern mag gesagt
werden, daß Christus von den phariseern sprach,
nemlich: (a) daß sie dem volk schwere bürden auf- a Mat. 23 [4]
laden, die sie selbst mit einem finger m nicht wollen
anrüren. Diß mag warlich wol gesagt werden von
den priestern und bischoffen der römischen kirchen,
welche den brauch der christlichen straffe nicht
allein verworfen und in eine abergläubische ohren-
beicht und geltbann verendert, sonder haben auch
sich selbst von aller christlichen straffe der gemeine

l) zu gewarten ist] N: meer is

m) einem finger] N: het wterste haers vinghers

63 Zu den möglichen Vorbildern in der Züricher Prädi-
kantenordnung von 1532 und in der Genfer Kirche
s. oben S. 570 f. mit Anm. 51—53.

64 Entsprechend, mit Abkündigung der Zensur, wurde
eine Zeitlang auch in Emden verfahren; vgl. oben
S. 504, Anm. 2.

658
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften