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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0743
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Marienhafer Kirchenordnung 1593

Agenda coenalis etc. 41

Nach der gewonlichen predigte und gebet spricht
der prediger zum volke: Ihr gelibten ihm Hern, die
sich zum tische des Hern bereitet haben, wollen sich
untrem singende ins chor vorsamlen 42. Und ihr
andre bittet Godt, das eure herzen auch mugen ge-
zogen und des abentmals begirich werden. Darauf
sleget der organist, und die gemeine singet: Herr
Christ, du einiger Gottessohn etc. 43 Untrem singen
gehet der prediger ahm tische des Hern, legt datt
brodt ihn die schußel und schenket wein ihn die 44
kelch. Midlerweil sein die communicanten ins chor
versamlet, und der prediger spricht: Hebet euwre
herzen zu Gott (ihr geliebten) und last uns mit den
psalm danksagen (Psalm. 111 45 uberlaut und ahn-
dechtich der gemeine furzusprechen) und drauf ge-
sungen: Heilich ist unser Godt, heilich ist unser
Godt, der Herre Zebaoth 46. Alsdan spricht der pre-
diger zum volke: Die heilsame stiftung des h. abent-
mals (ihr gelibten), druber wir so herzlich danken,
und unsers glaubens 47 bekenteniß vom selbigen
beschriben die h. evangelisten und S. Paulus also
(textus coenae) 48. Drauf singet die gemeine datt
Agnus Dei deudesch zu dreimall 49, darnach tut der
prediger ein kurze vermanung mit den worden
Pauli [1. K 11, 26]: So oft ihr von disen brode esset
und von kelche des Hern drinket, solt ihr des Hern

41 Folgendes nach dem entsprechenden Formular der
Engerhafer Liturgie.

42 Versammlung der Kommunikanten im Chor unter
Gesang sieht die KO von 1535 vor (vgl. oben S. 377
mit Anm. 49); so war es auch bei Micron in Norden
üblich (vgl. oben S. 629 f., Anm. 11).

43 Lied von Elisabeth Kreuziger (1504-1535), bereits
1524 mit den ersten Liedern Luthers erschienen. Der
Name der Verfasserin hat vermutlich zuerst im ver-
lorenen Klugschen Gesangbuch von 1529 gestanden,
erscheint dann im Rauscherschen Gesangbuch von
1531. Vgl. Wackernagel III, Nr. 67-69 ;WA 35, 20.
22. 220; Ev. Kgb. u. Kulp Nr. 46. Das Lied steht
auch im Emder Enchiridion von 1589, Bl. LXXIII v/
LXXIVr: „Ein Geistlick Ledt van Christo/Eliza-
beth Crutzerin. Here Christ du enige Gades Sön/
Vaders in ewicheit... “.

44 B. und A. haben statt „die“: „den“.

45 Die Druckvorlage hat „Psalm. 3“, wobei „3“ ver-
mutlich von einer verlesenen „III“ herrührt. B.,
entsprechend A.: Psalm. 111.

46 B., entsprechend A.: Ideilig ist unser Gott. Heilig ist
unser Gott. Heilig ist unser Gott, der Herre Zebaoth.

todt verkundigen, bis ehr widerkomme. Also lehret
uns der h. apostel (ihr gelibten), was die gedechte-
niß des Hern sey und was tischrede der Herr haben
will, wen er sagt [1. K 11, 24. 25]: Solches tut zu
meiner gedechteniß, nemplich des Hern todt ver-
kundigen, das ist 1. die ursache seines todes beden-
ken, warumb der Herr gestorben, 2. und die vrucht
seines todts bedenken, was wir mit seinem todt ge-
holfen. Antwort: Jesus Christus ist gestorben umb
unsre sunde (das ist die ursache seines tods) und ist
wider erstanden zu unser gerechtigkeit (das ist die
vrucht seines tods) [Rm 4, 25]. Drumb mugen wir
uns woll speiglen ahn des Hern passion und er-
kennen, 1. welch ein grouwel uber alle grouwel die
sunde ist im gerichte Gottes, da niemant anders dan
der ewiger Sohn Gottes hat konnen genochsam tun,
die versuhnung zu machen, und dasselbe mit seinen
allerbittersten passion, 2. item, welch ein unaus-
sprechlike gutigkeit Gott ahn uns beweisen, das der
Sohn Gottes, unser heiland, sichs so blutigen saur
hat lassen werden, uns zu erlossen, und alles gebußet,
damit ja kein ungnade auf uns gesparet wurde.
Darumb (ihr gelibten), auf das wir des Hern, unsers
heilandes, je recht bedenken und seinem todt zu
unsrem heil verkundigen, sollen wir die sunde mit
rechten ernste meiden und uns all unsre lebtage be-
fleißen, den Hern, unsren Godt, zu teinen ihn heilich-
keit und gerechtickeit nach seinen gebotten. Drumb

- Das Sanctus sieht die KO von 1535 für Kirchen
mit Schülern und vielen Priestern auf lateinisch vor
(vgl. oben S. 380 mit Anm. 81); die Interimsordnung
bezieht es wieder vollständig in die liturgische Folge
des Meßgottesdienstes ein (vgl. Einleitung, oben
S. 329 mit Anm. 51); die Hoyasche KO von 1581, die
vielleicht auch in diesem Punkt auf unsere KO einge-
wirkt hat, bringt verschiedene lat. Präfationen, zu
denen man sich jeweils auch das Sanctus zu denken
hat (vgl. Sehling VI, 2, 1154 f.). Gegenüber der
Engerhafer Liturgie, in der das Sanctus als selb-
ständiger Gesang fehlt (vgl. oben S. 677 mit Anm. 20),
ist in unserer KO durch das Hinzutreten des Sanctus
der lehrhafte Charakter der Liturgie zugunsten der
darstellenden liturgischen Form (vgl. dazu oben S.
672 Anm. 1) durchbrochen und damit der Präfa-
tionscharakter von Ps 111 und der Konsekrations-
charakter des Einsetzungsberichtes stärker betont.

47 Druckvorlage: glabens.

48 Vgl. Engerhafer Liturgie, oben S. 678.

49 Anscheinend sollen, abweichend von der Engerhafer
Liturgie, die drei Verse hintereinander gesungen wer-
den (vgl. oben S. 678 f. mit Anm. 22).

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