Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0749
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Marienhafer Kirchenordnung 1593

2. ] Es sollen die, so ehelich werden wollen, den cate-
chismum wissen und unsren prediger ihr religion
bekennen, auch ein christlichen wandel zu fuhren
und zum offenlichen gehor des wortes sich zu halten,
ahngeloben 90 etc. 91

3. ] Die ehe soll mit guten wissen und willen der el-
tren oder im mangel der eltren mit consenz der nehe-
sten freundschaft und vormunder 92, auch ahne
listige beredung und leichtverdige kypplereye ge-
macht werden, wo nicht, soll es unbindlich 93 und ihn
unser straffe gevahen sein etc. 94

4. ] Wir wollen auch nicht gestaden, das die mitein-
ander verlobte personen sich widerumb eigens ge-
vahens sollen quitans 95 geben mugen und also frey
seyn, sonden sollen gehalten werden, was einmall
ihn ehesachen ordentlich beredet ist etc. 96

5. ] Alle heimliche und hinderlistige ehegelubte wol-
len wir gestraffet haben und nach beschaffenheit der
sachen und erhebligkeit der zutragenden ursachen
durch unser speciallcommission 97 zutrennen oder
zulassen etc.

6. ] Wer eine maget oder witwe auf eheliche zusage

90 Druckvorlage: ahgeloben.

91 Auch hier wieder Anlehnung an die Hoyasche KO
von 1581; vgl. Sehling VI, 2, 1197 (aaO. „Zum
dritten..Auffallend ist, daß unsere KO im Ge-
gensatz zur Hoyaschen KO von den Brautleuten
nicht verlangt, daß sie sich der Beichte und Abso-
lution unterziehen sowie sich zum Abendmahl berei-
ten; statt dessen fordert sie ein Gelübde, sich zur
Predigt zu halten. Sollte auch hier die verbreitete
Abendmahlsscheu in Rechnung gestellt sein? Vgl.
dazu oben S. 707 mit Anm. 16. - Zur weiteren Ver-
breitung des Brautexamens in der ev. Kirche s.
G. Rietschel-P. Graff, Lehrbuch der Liturgik
II 2. 1952, 714.

92 Vgl. dazu oben S. 260, Anm. 63.

93 = nicht verbindlich; vgl. Grimm, Deutsches Wör-
terbuch II (1860), 521.

94 Anlehnung an die Hoyasche KO von 1581; vgl.
Sehling VI, 2, 1197 (aaO. „Erstlichordnenwir...“).

95 = Loslassung, Quittung, auch Freibrief; vgl. Schil-
ler und Lübben III, 407. 409; Grimm, Deutsches
Wörterbuch VII (1889), 2380f. 2384.

96 Vgl. Hoyasche KO von 1581, Sehling VI, 2, 1197
(aaO. „Zum vierden...“).

97 Zur Ehekommission s. Einleitung, oben S. 355.

98 Vgl. Polizeiordnung von 1545, oben S. 404; Emder
Eheordnung von 1596, oben S. 529 mit Anm. 28. Un-
serem Text liegt die Rechtsauffassung zugrunde, daß
die Ehe mit dem Verlöbnis bereits aufgerichtet sei;
vgl. R. Sohm, Das Recht der Eheschließung...
1875, 75 ff.; Sehling VI, 2, 1198 mit Anm. 32. Aus-

beslefft, der soll se zur ehe behalten und nicht ab-
kaufen. Wer aber mer als en personn ehehch gelobet
oder ein gelobt und darnach ein ander beschlefft,
soll des ehebruches gehalten sein 98, und sollen die
prediger sich nicht zu richter machen, sundren die
sache ahn unsren commissarium gelangen lassen 99.

7. ] Der aufkundigung der eheleuten 1 soll ahn dren
Sondagen 2 und aber nicht ihn der wochen geschen
und das gemeine christliche gebett begeret werden 3.

8. ] Es sollen auch die ehe- und hochzeitleute ohne
peifen und trummel, mit ein sittig seitenspill den
kirchgank tun 4, und da sie ihm selben kaspell ge-
sessen, sollen sie zeitlich kommen, ehe dan es mit
den kirchendeinst gar aus ist etc.

9. ] Kommen sie aber zu spedt und trunken, soll es dem
prediger frey sein, sie harrenzulassen, biß es ihm auch
gelegen ist, sie zu copulieren. Myt denen aus andre
kaspell kommenden wirt der prediger auch beschei-
denheit pro circumstantiis wissen zu brauchen etc.

10. ] Das glucksagen 5 mit feusten als ein unchrist-
liche beurischeit soll ganzlich hiemit verbotten sein 6,
ihngleichen auch das unsittig 7 und ergerlich wilt

führlich beschäftigt sich Luther mit diesen Rechts-
verhältnissen: Von Ehesachen 1530 ;WA 30 III, bes.
224 ff.; Sohm, aaO. 197 ff. Vgl. auch oben S. 246,
Anm. 33; Erik Wolf, Ordnung der Kirche. 1961, 553.
99 Vgl. Hoyasche KO von 1581, Sehling VI, 2, 1198
(aaO. „Zum siebenden ...Zum achten...“). Dort
wird den Pastoren geboten, die streitigen Ehesachen
an das Konsistorium gelangen zu lassen, eine Ein-
richtung, die man in Ostfriesland damals nicht hatte.
Zur späteren Einrichtung vgl. Einleitung, oben S.
338. 355.

1 A. hat hier außerdem: mit consens des pastoris. - In
B. steht der Passus hinter „soll“.

2 So schon die KO von 1529, oben S. 371.

3 Anlehnung an die Hoyasche KO von 1581, Sehling
VI, 2, 1198 (aaO. „Zum neunden...“), wo die Ab-
kündigung jedoch nur an zwei Sonntagen verlangt
wird. Dagegen sieht die Hoyasche KO von 1573/74
drei Abkündigungssonntage vor (Art. XVII, Sect.
III); vgl. unten S. 743.

4 Vgl. Hoyasche KO von 1581, Sehling VI, 2, 1199
(aaO. „Zum zwölften...“). Unsere KO verfährt hier
etwas strenger als die Hoyasche, die das Trommel-
und Pfeifenspiel bis an die Kirchhofsgrenze gestat-
tet.

5 B., entsprechend A.: gluckschlagen.

6 Diesen Brauch verbietet auch die Hoyasche KO von
1581, Sehling VI, 2, 1199 (aaO. „Zum funfzehen-
den...“); ebenso schon die Hoyasche KO von 1573/74
(Art. XVII, Sect. V), unten S. 744 mit Anm. 38.

7 A. hat statt „unsittig“: „unzeitige“.

717
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften