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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0762
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Harlingerland

ihreß genieses willen einen haufen gevattern gebeten
und derowegen die kindertaufe sechß oder sieben wo-
chen verzogen haben, derowegen ordnen wir,daß ver-
muege unserß publicirten mandats in anno 1572 nit
mehr zur vatterschaft alß drey personen sollen zu-
gelaßen werden 30; wente 31 Moyses spricht [Dt 19,
15]: Alle sachen werden in zweyer oder dreyer zeu-
gen munde bestediget. Wie wir auch nicht wollen,
daß die taufe der zarten, kleinen kinder gefehrlich
lange eingestellet werden solle.

Sectio secunda.

Zum andern sollen die pastoren zue solchem got-
teßdienste der taufe niemandß zulaßen, idt sy dan,
daß er vor allen lasteren und ergerhchen stucken
frey und unberuchtiget sey.

Sectio tertia.

Zum dritten soll niemandz zur vatterschaft ge-
stattet werden, so nit binnen zween jahren daß
hochwurdige sacrament empfangen hat.

Sectio quarta.

Die gefattern bey der taufe sollen nit unmundige
kinder sein 32, so nit die hochwichtigen dinge, die
unß in der taufe furgetragen, erkennen und die ver-
pflichtung, darzue sie bey der taufe gefodert, auß
unwißenheit nit betrachten können.

Sectio quinta.

Wir ordnen auch, daß hinfurner die pastorn
keine kinder taufen, doran sie einen argwohn hetten
und vatter und mutter im ehestande nit kenten, und

Schulmeister und Kirchendiener eine Zulage vor,
damit sie sich Bücher kaufen können; vgl. Sehling
VI, 1, 539.

30 Die Nienburger Stadtordnung vom 6. Juni 1569
tadelt, daß „etliche mehr den dre gefattern bitten
umb deß geizes und villes geschenkes willen und die
gevattern auch dat geschenkte to grodt macken,
todeme grote gastungen holden, die gevattern mit
betalung deß bierß to hoch beschweren“, verbietet
die großen Gastmähler bei der Taufe und schränkt
die Patengeschenke ein (F. E. Pufendorf, Obser-
vationes juris universi II. 1748, Appendix, 337 f.;
auch H. Gade, Geschichte der StadtNienburg usw.,
209). Diese Nienburger Stadtordnung fußt hier, wie
auch sonst im allgemeinen, auf der Polizeiordnung
des Grafen Albrecht zur Hoya vom „Dinstage im
heiligen Pfingsten“ 1551, hauptsächlich für die

solche furnemblich dorumb von wegen der kinder,
die auserhalb der echtenschaft 33 oder sonsten ver-
pottenermaßen geboren und gezeugt. Dan sotane
kinder sollen uff ansuchen der weiber ohne weiter
nachfragend ad coercendum vagas libidines nit ge-
taufet werden, sondern soll der vatter dorumb die
pastoren selbst ersuchen, eß were dan der genante
vatter todt oder binnen landeß nit verhanden.

Sectio sexta.

Dieweil auch eine ubermeßig unkost auf die kin-
dertaufe mit freßen und saufen bißher gangen, wol-
len wir, daß solche unordnung nit mehr geschehen,
sondern daß eß domit also und nit anderß gehalten
werden solle, alß in unsern publicirten mandato be-
fohlen etc. 34.

Der funfte articull.

Von geburt der kinder.

Sectio prima.

Den battenmutteren 35 und anderen frauen, so bey
der kinder geburt sind, gebieten wier, daß sie kei-
neßwegeß in kindeßnöten vornehmen, einig leht-
maß 36 eininges kindeß, so noch nit ganz geboren ist,
zu taufen; den wo kan der anderwertß geboren wer-
den, der noch nit geboren ist? 37 Wente unsere taufe
nennet die hillige schrift eine weddergeburt [Tit 3,5].
Alßdan sol one de nottaufe nit alleine vergunstiget,
sondern auch vor recht erkennet werden, und sollen
de battenmoumen und frauen deselben nottaufe nit
verschweigen, sondern solches den pastorn anzeigen,
damit der heilige Geist, so den kindern in der taufe

Stadt Nienburg (Staats-A. Hann. Celle Br. Arch.
Des. 72 XVIII Nr. 1a). Vgl. dazu Sehling VI, 2,
1124. 31 = denn; vgl. oben S. 363, Anm. 20.

32 Die Nienburger Stadtordnung von 1569 gestattet
keine Kinder unter vierzehn Jahren zur Gevatter-
schaft (F. E. Pufendorf, aaO. 338; H. Gade, aaO.
209); ebenso schon die Polizeiordnung des Grafen
Albrecht von 1551 (aaO.).

33 = Ehe; vgl. Lasch und Borchling I, 511.

34 Vgl. Anm. 30.

35 = Hebammen; vgl. Schiller und Lübben I, 139;
Lasch und Borchling I, 133.

36 =Gliedmaß; vgl. Schiller und Lübben II, 648 f.

37 Derselbe Gedanke in der Lüneburger und in der
Wolfenbüttler KO, Sehling VI, 1, 558. 160. Vgl.
auch oben S. 173. Dazu: Sehling VI, 1, 360 mit
Anm. 24.

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