Kirchenordnung 1573/74
inne befunden wurde, der soll beede, des weinß und
behrß, verfallen sin, und soll daßelbe in die bende
der armen außgeteilet werden.
Sectio secunda.
Wo men es under den gottesdienste
halten soll.
Vele lichtferdige menschen werden befunden, so
in verachtung Gotteß und seineß heiligen wordeß,
auch deß predigamptß, uff bestimpte zeit deß got-
tesdienstes umb den kerckhoff, uffm markte, stadtß-
wallen und sonsten andern örtern spazieren und ihre
loße wescherey 19 treiben. Sotaneß wollen wir ernst-
lich verbotten haben. Und sollen unsere vögte, froh-
nen und wachtmeistere nach gelegenheit eineß je-
dern ordeß dorauf achtung geben, daß vorgemelte
wein- und behrzappen, auch deß wanderen gehens
umb den kirchhoff, uff die zeit zuruckepleibe 20, und
die mutwilligen leute aufzeichnen und deren namen
unsern beambten ubergeben, domit sie vermuege
unserß hiebevorn publicirten mandats in straffe ge-
nommen und solches under die haußarmen mit rate
der pastoren und vorstenderß oder tempellererß der
kirchen 21 außgeteilet werden muege.
Der funfzehende artic.
Von den kirchhöffen.
Sectio prima.
Ordnen wir, daß die kirchhöeffe in ehren werden
geholden, und sollen de olderleute, vorstender oder
aaO. 199), z.B. auch in der Lüneburger und in der
Wolfenbüttler KO; vgl. Sehling VI, 1, 550. 151.
Vgl. auch oben S. 20 f. mit Anm. 17 ff.
19 = ihr loses Geschwätz; vgl. Schiller und Lübben
V, 610.
20 Ein Verbot des Spazierengehens um den Kirchhof
während des Gottesdienstes schon in Graf Albrechts
zur Hoya Polizeiordnung von 1551 (aaO.) und in der
Nienburger Stadtordnung von 1569 (F. E. Pufen-
dorf, aaO. 324; H. Gade, aaO. 199), z.B. auch in
der Lüneburger und in der Wolfenbüttler KO; vgl.
Sehling VI, 1, 550. 151. Vgl. auch oben S. 21 mit
Anm. 20.
21 D. h. der Kirchvögte, Verwalter des Kirchenvermö-
gens; vgl. oben S. 726. Ein Verzeichnis der Kirch-
vögte seit 1569 in der Harlingerländer Gemeinde
Berdum ist erwähnt bei B. Arend (Einleitung des
Herausgebers), 13.
22 Die Nienburger Stadtordnung von 1569 macht es
tempellererß der kirchen verschaffen, daß sie be-
schloßen und bewahret pleiben, domit allerley vieh
dovon abgehalten werde 22, und unverwustet pleiben
muegen, viel weininger, daß mit torf, korn oder
heuwagen dorauf solle getrieben und solches ab-
gelaten werden; wente die kirchhöffe sind die ruhe-
stette und schlaffheuser 23 der hilligen Gotteß und,
wo se de Ebreer nennen, kameren der lebendigen 24.
Wir ordnen auch ernstlich, daß nimandß auf dem
kirchhoffe wohne, der brandewein oder beer zappe,
auch daß niemandß vor oder under dem gotteß-
dienste einige kramerey oder kaufmanschaft auf dem
kirchhoff gebrauchen solle.
Zudeme auch, so turen oder außgänge nach dem
kirchhoffe gemacht, dieselben sollen sie dermaßen
verschliesen, daß dodurch die kirchhöffe nit verun-
reiniget muegen werden, auch die duren und auß-
gänge nit gebrauchen, es were dan in zeit der not.
So sollen auch die kirchhöffe keine blekel- 25 oder
waschepletze sein, und so herrenlosen schweine oder
ande vieh, dergleichen pferde und wagen, auch
leinewand zu bleken auf den kirchhoffe gefunden
wird, daßelbige sall durch den köster angehalten und
nit wederumb loßgeben werden. Deßelben ungehor-
samen sein dorumb nach gelegenheit gestraffet, und
haben die dorauf verordnete peene erlahten.
Sectio secunda.
Vom begreffniß der todten.
Die Christen sollen keine Saduceer sein 26. Dorumb
wollen wir, daß die verstorbene leichnämme mit
dem Stadtknecht und dem Küster zur Pflicht, den
Kirchhof vor Vieh zu verwahren. Das dort vorgefun-
dene Vieh soll halb der Herrschaft, halb den Kirch-
hofsverwahrern verfallen sein (F. E. Pufendorf,
aaO. 340; H. Gade, aaO. 210).
23 Der Ausdruck auch bei Luther, Vorrede zur Samm-
lung der Begräbnislieder 1542 (WA 35, 478): Dem-
nach haben wir in unsern kirchen die bepstlichen
greuel, als vigilien, seelmessen, begengnis, fegfeur und
alles ander gaukelwerk, fur die todten getrieben, ab-
getan und rein ausgefegt. Und wollen unser kirchen
nicht mehr lassen klagheuser oder leidestete sein,
sondern, wie es die alten veter auch genennet, koe-
miteria, das ist, fur schlaffheuser und ruge-
stete halten. —Vgl. auch E. Hertzsch, RGG 3 I, 965.
24 Vgl. Jes 26, 19 f.; 57, 1 f.; Dan 12, 13; dazu Sehling
VI, 2, 1191 mit Anm. 20.
25 = Bleich-; vgl. Lasch und Borchling I, 292.
26 Vgl. oben S. 722 mit Anm. 47.
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inne befunden wurde, der soll beede, des weinß und
behrß, verfallen sin, und soll daßelbe in die bende
der armen außgeteilet werden.
Sectio secunda.
Wo men es under den gottesdienste
halten soll.
Vele lichtferdige menschen werden befunden, so
in verachtung Gotteß und seineß heiligen wordeß,
auch deß predigamptß, uff bestimpte zeit deß got-
tesdienstes umb den kerckhoff, uffm markte, stadtß-
wallen und sonsten andern örtern spazieren und ihre
loße wescherey 19 treiben. Sotaneß wollen wir ernst-
lich verbotten haben. Und sollen unsere vögte, froh-
nen und wachtmeistere nach gelegenheit eineß je-
dern ordeß dorauf achtung geben, daß vorgemelte
wein- und behrzappen, auch deß wanderen gehens
umb den kirchhoff, uff die zeit zuruckepleibe 20, und
die mutwilligen leute aufzeichnen und deren namen
unsern beambten ubergeben, domit sie vermuege
unserß hiebevorn publicirten mandats in straffe ge-
nommen und solches under die haußarmen mit rate
der pastoren und vorstenderß oder tempellererß der
kirchen 21 außgeteilet werden muege.
Der funfzehende artic.
Von den kirchhöffen.
Sectio prima.
Ordnen wir, daß die kirchhöeffe in ehren werden
geholden, und sollen de olderleute, vorstender oder
aaO. 199), z.B. auch in der Lüneburger und in der
Wolfenbüttler KO; vgl. Sehling VI, 1, 550. 151.
Vgl. auch oben S. 20 f. mit Anm. 17 ff.
19 = ihr loses Geschwätz; vgl. Schiller und Lübben
V, 610.
20 Ein Verbot des Spazierengehens um den Kirchhof
während des Gottesdienstes schon in Graf Albrechts
zur Hoya Polizeiordnung von 1551 (aaO.) und in der
Nienburger Stadtordnung von 1569 (F. E. Pufen-
dorf, aaO. 324; H. Gade, aaO. 199), z.B. auch in
der Lüneburger und in der Wolfenbüttler KO; vgl.
Sehling VI, 1, 550. 151. Vgl. auch oben S. 21 mit
Anm. 20.
21 D. h. der Kirchvögte, Verwalter des Kirchenvermö-
gens; vgl. oben S. 726. Ein Verzeichnis der Kirch-
vögte seit 1569 in der Harlingerländer Gemeinde
Berdum ist erwähnt bei B. Arend (Einleitung des
Herausgebers), 13.
22 Die Nienburger Stadtordnung von 1569 macht es
tempellererß der kirchen verschaffen, daß sie be-
schloßen und bewahret pleiben, domit allerley vieh
dovon abgehalten werde 22, und unverwustet pleiben
muegen, viel weininger, daß mit torf, korn oder
heuwagen dorauf solle getrieben und solches ab-
gelaten werden; wente die kirchhöffe sind die ruhe-
stette und schlaffheuser 23 der hilligen Gotteß und,
wo se de Ebreer nennen, kameren der lebendigen 24.
Wir ordnen auch ernstlich, daß nimandß auf dem
kirchhoffe wohne, der brandewein oder beer zappe,
auch daß niemandß vor oder under dem gotteß-
dienste einige kramerey oder kaufmanschaft auf dem
kirchhoff gebrauchen solle.
Zudeme auch, so turen oder außgänge nach dem
kirchhoffe gemacht, dieselben sollen sie dermaßen
verschliesen, daß dodurch die kirchhöffe nit verun-
reiniget muegen werden, auch die duren und auß-
gänge nit gebrauchen, es were dan in zeit der not.
So sollen auch die kirchhöffe keine blekel- 25 oder
waschepletze sein, und so herrenlosen schweine oder
ande vieh, dergleichen pferde und wagen, auch
leinewand zu bleken auf den kirchhoffe gefunden
wird, daßelbige sall durch den köster angehalten und
nit wederumb loßgeben werden. Deßelben ungehor-
samen sein dorumb nach gelegenheit gestraffet, und
haben die dorauf verordnete peene erlahten.
Sectio secunda.
Vom begreffniß der todten.
Die Christen sollen keine Saduceer sein 26. Dorumb
wollen wir, daß die verstorbene leichnämme mit
dem Stadtknecht und dem Küster zur Pflicht, den
Kirchhof vor Vieh zu verwahren. Das dort vorgefun-
dene Vieh soll halb der Herrschaft, halb den Kirch-
hofsverwahrern verfallen sein (F. E. Pufendorf,
aaO. 340; H. Gade, aaO. 210).
23 Der Ausdruck auch bei Luther, Vorrede zur Samm-
lung der Begräbnislieder 1542 (WA 35, 478): Dem-
nach haben wir in unsern kirchen die bepstlichen
greuel, als vigilien, seelmessen, begengnis, fegfeur und
alles ander gaukelwerk, fur die todten getrieben, ab-
getan und rein ausgefegt. Und wollen unser kirchen
nicht mehr lassen klagheuser oder leidestete sein,
sondern, wie es die alten veter auch genennet, koe-
miteria, das ist, fur schlaffheuser und ruge-
stete halten. —Vgl. auch E. Hertzsch, RGG 3 I, 965.
24 Vgl. Jes 26, 19 f.; 57, 1 f.; Dan 12, 13; dazu Sehling
VI, 2, 1191 mit Anm. 20.
25 = Bleich-; vgl. Lasch und Borchling I, 292.
26 Vgl. oben S. 722 mit Anm. 47.
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