Kirchenordnung 1573/74
doruber halten, domit wir, die schulmeistere in
straffe zu nehmen, nit verursachet werden 60.
Der XXVI. artic.
Von straffe deß lasterß int gemeine.
Ehebruch, offentlich mutwillige und straßenruch-
tige, unverschembde horerey, bludtschenderey, in
der mate, alß auch schwegerschaft 61 begangen, und
andere unehrliche, unzimbliche, untuchtige miß-
handlung und laster, umb welcher willen der zorne
Gotteß uber die welt kumpt, ordnen wir nach uber-
wiesener oder befindlicher mißhandlung der gebuhr
mit vorweisung des landeß, kaelstupinge 62, brand-
zeichnen in de backen 63, mit henrichtung des schwer-
des und waß in diesem fall de geistlichen und welt-
lichen rechte 64, auch in der keyserl. Caroli quinti
und deß heiligen reichß halßgerichtßordnung 65 des-
60 Einiges zur Schule in Nienburg im 16. Jh. bei H.
Gade, Geschichte der Stadt Nienburg usw. 1862,
62 f. 146 f. In der Stadt Rietberg bestand seit dem
Mittelalter eine deutsche und eine lateinische Schule;
vgl. Harten, Die Grafschaft Rietberg und ihre
Hauptstadt usw. o. J., 10. Zur Schule in Esens vgl.
Einleitung, oben S. 359 mit Anm. 81.
61 Zu den verbotenen Graden der Blutfreundschaft und
Schwägerschaft vgl. oben S. 87 mit Anm. 10; S. 192
mit Anm. 19; S. 528 f. mit Anm. 15 ff.
62 Die Hoyasche KO von 1581 hat hier: kackstreichen;
vgl. Sehling VI, 2, 1203 mit Anm. 49. Vermutlich
hieß es auch in unserer KO ursprünglich: kaek-
stupinge = an den Pranger Stellen und Schlagen;
vgl. J. Grimm, Deutsche Rechtsalterthümer II 4.
1899, 323 f.; Herthum, Vom „Kaak“ und der
„Kaakspütte“, in: Die Tide 6 (1922), 304 ff.; Har-
ten, aaO. 5. Vgl. Peinliche Halsgerichtsordnung
1532, Art. 198 bzw. 201: Mit ruten aushauen. Oef-
fentlich in pranger gestellt und fürter mit ruten aus-
gehauen, auch des lands bis auf kündliche erlaubung
der oberhand verweist werden soll(Koch-Senken-
berg, aaO. 399; besser J. Kohler-W. Scheel,aaO.
102). - Freilich war auch das Stümmeln, Abschnei-
den, Abwinden der Haare eine ehrenrührige, bei Ehe-
brecherinnen angewandte Strafe; vgl. Grimm, aaO.
287 f.
63 Das Durchbrennen der Wange mit einem Pfennig,
einem Schlüssel oder dgl. (brandmarken) = eine
Strafe, die den Leib treffen sollte, ohne das Leben
zu nehmen, war oft mit der Strafe des Prangers ver-
bunden; vgl. J. Grimm, aaO. 298. Vgl. dazu Seh-
ling VI, 1, 385 mit Anm. 85.
64 Nach kanonischem Recht stand auf Ehebruch oder
ehebrecherisches Verhalten öffentliche Kirchenbuße;
vgl. z.B. Corp. iur. can., Decr. Grat. II, caus.
wegen disponiret und befohlen, in ernstliche straffe
zu nehmen, und wollen wir, alß die obrigkeit, wanner
solche höchstlesterliche, mutwillige uberfahrung ahn
unß gelangen, dermaßen eine rechtmeßige execution
dorauf zu geschehen, befehlen, daß dorauß christ-
liche gemutere unsern ernst spuren und vor solche
sunde, sich zu hueten, einen abscheuent haben und
de ungehorsame verächtere, ihrer wollverdienten
straffe entlaufen zue haben, sich nicht beröhmen
möegen sollen 66.
Der XXVII. articull.
Von verbot spelen und saufen.
Nachdeme wir grundlich und warhaftig berich-
tet, wie etzliche unser undertanen zu hohen nachteil,
schaden, verderb und underhaltung ihrer weib und
kinder, auch gesinde, daß ihre in offentlichen krögen
XXXII, quest. IV, c. 4. quest. V, c. 21 u. 23 (Fried-
berg I, 1128. 1138); dazu J. B. Sägmüller, aaO.
170; W. M. Plöchl, aaO. II, 293. - Betr. das dies-
bezügliche römische Recht s. oben S. 368, Anm. 75.
65 Die Peinliche Halsgerichtsordnung bestimmt: auf
widernatürliche Unkeuschheit steht der Feuertod
(Art. 116); bei Blutschande soll nach der Vorfahren
und kaiserlichen Rechten gestraft und Rat gesucht
werden (Art. 117); bei Entführung von Frauen und
Mädchen soll gleichfalls eine Strafe nach der Vor-
fahren und kaiserlichen Rechten erfolgen und Rat
gesucht werden (Art. 118); auf erfolgte Notzucht
steht die Todesstrafe mit dem Schwert, bei ver-
hinderter Notzucht soll Rat gesucht werden (Art.
119); Ehebruch soll nach „sage unser vorfahren“
und nach kaiserlichen Rechten bestraft werden
(Art. 120); Bigamie wird peinlich bestraft (Art. 121);
Zuhälter sind ehrlos und sollen nach gemeinen Rech-
ten bestraft werden (Art. 122); Kuppelei soll nach
Gelegenheit der Verhandlungen und nach dem Rat
der Rechtsverständigen mit Landesverweisung,
Stellung an den Pranger, Abschneidung der Ohren
Aushauen mit Ruten oder anderem bestraft werden
(Art. 123). Rat soll man suchen bei den Oberhöfen,
bei der Obrigkeit, in Zweifelsfällen bei den nächsten
„hohen schulen“, Städten, Gemeinden oder anderen
Rechtsverständigen (Art. 219 bzw. 222). Vgl. Koch-
Senckenberg, aaO. 384f. 402 f.; besser J. Kohler-
W. Scheel, aaO. 62 ff. 113 f.
66 Die Nienburger Stadtordnung von 1569 bestimmt,
daß Ehebrecher und Blutschänder nach Ordnung
der Rechte am Leibe gestraft oder auch des Landes
verwiesen werden sollen; offentliche Hurerei soll
„nach ermeßigung der herrschaft gestraffet“, Huren
und Hurenjäger nach Gelegenheit „gebotfertigt“
oder des Landes verwiesen werden (F. E. Pufen-
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doruber halten, domit wir, die schulmeistere in
straffe zu nehmen, nit verursachet werden 60.
Der XXVI. artic.
Von straffe deß lasterß int gemeine.
Ehebruch, offentlich mutwillige und straßenruch-
tige, unverschembde horerey, bludtschenderey, in
der mate, alß auch schwegerschaft 61 begangen, und
andere unehrliche, unzimbliche, untuchtige miß-
handlung und laster, umb welcher willen der zorne
Gotteß uber die welt kumpt, ordnen wir nach uber-
wiesener oder befindlicher mißhandlung der gebuhr
mit vorweisung des landeß, kaelstupinge 62, brand-
zeichnen in de backen 63, mit henrichtung des schwer-
des und waß in diesem fall de geistlichen und welt-
lichen rechte 64, auch in der keyserl. Caroli quinti
und deß heiligen reichß halßgerichtßordnung 65 des-
60 Einiges zur Schule in Nienburg im 16. Jh. bei H.
Gade, Geschichte der Stadt Nienburg usw. 1862,
62 f. 146 f. In der Stadt Rietberg bestand seit dem
Mittelalter eine deutsche und eine lateinische Schule;
vgl. Harten, Die Grafschaft Rietberg und ihre
Hauptstadt usw. o. J., 10. Zur Schule in Esens vgl.
Einleitung, oben S. 359 mit Anm. 81.
61 Zu den verbotenen Graden der Blutfreundschaft und
Schwägerschaft vgl. oben S. 87 mit Anm. 10; S. 192
mit Anm. 19; S. 528 f. mit Anm. 15 ff.
62 Die Hoyasche KO von 1581 hat hier: kackstreichen;
vgl. Sehling VI, 2, 1203 mit Anm. 49. Vermutlich
hieß es auch in unserer KO ursprünglich: kaek-
stupinge = an den Pranger Stellen und Schlagen;
vgl. J. Grimm, Deutsche Rechtsalterthümer II 4.
1899, 323 f.; Herthum, Vom „Kaak“ und der
„Kaakspütte“, in: Die Tide 6 (1922), 304 ff.; Har-
ten, aaO. 5. Vgl. Peinliche Halsgerichtsordnung
1532, Art. 198 bzw. 201: Mit ruten aushauen. Oef-
fentlich in pranger gestellt und fürter mit ruten aus-
gehauen, auch des lands bis auf kündliche erlaubung
der oberhand verweist werden soll(Koch-Senken-
berg, aaO. 399; besser J. Kohler-W. Scheel,aaO.
102). - Freilich war auch das Stümmeln, Abschnei-
den, Abwinden der Haare eine ehrenrührige, bei Ehe-
brecherinnen angewandte Strafe; vgl. Grimm, aaO.
287 f.
63 Das Durchbrennen der Wange mit einem Pfennig,
einem Schlüssel oder dgl. (brandmarken) = eine
Strafe, die den Leib treffen sollte, ohne das Leben
zu nehmen, war oft mit der Strafe des Prangers ver-
bunden; vgl. J. Grimm, aaO. 298. Vgl. dazu Seh-
ling VI, 1, 385 mit Anm. 85.
64 Nach kanonischem Recht stand auf Ehebruch oder
ehebrecherisches Verhalten öffentliche Kirchenbuße;
vgl. z.B. Corp. iur. can., Decr. Grat. II, caus.
wegen disponiret und befohlen, in ernstliche straffe
zu nehmen, und wollen wir, alß die obrigkeit, wanner
solche höchstlesterliche, mutwillige uberfahrung ahn
unß gelangen, dermaßen eine rechtmeßige execution
dorauf zu geschehen, befehlen, daß dorauß christ-
liche gemutere unsern ernst spuren und vor solche
sunde, sich zu hueten, einen abscheuent haben und
de ungehorsame verächtere, ihrer wollverdienten
straffe entlaufen zue haben, sich nicht beröhmen
möegen sollen 66.
Der XXVII. articull.
Von verbot spelen und saufen.
Nachdeme wir grundlich und warhaftig berich-
tet, wie etzliche unser undertanen zu hohen nachteil,
schaden, verderb und underhaltung ihrer weib und
kinder, auch gesinde, daß ihre in offentlichen krögen
XXXII, quest. IV, c. 4. quest. V, c. 21 u. 23 (Fried-
berg I, 1128. 1138); dazu J. B. Sägmüller, aaO.
170; W. M. Plöchl, aaO. II, 293. - Betr. das dies-
bezügliche römische Recht s. oben S. 368, Anm. 75.
65 Die Peinliche Halsgerichtsordnung bestimmt: auf
widernatürliche Unkeuschheit steht der Feuertod
(Art. 116); bei Blutschande soll nach der Vorfahren
und kaiserlichen Rechten gestraft und Rat gesucht
werden (Art. 117); bei Entführung von Frauen und
Mädchen soll gleichfalls eine Strafe nach der Vor-
fahren und kaiserlichen Rechten erfolgen und Rat
gesucht werden (Art. 118); auf erfolgte Notzucht
steht die Todesstrafe mit dem Schwert, bei ver-
hinderter Notzucht soll Rat gesucht werden (Art.
119); Ehebruch soll nach „sage unser vorfahren“
und nach kaiserlichen Rechten bestraft werden
(Art. 120); Bigamie wird peinlich bestraft (Art. 121);
Zuhälter sind ehrlos und sollen nach gemeinen Rech-
ten bestraft werden (Art. 122); Kuppelei soll nach
Gelegenheit der Verhandlungen und nach dem Rat
der Rechtsverständigen mit Landesverweisung,
Stellung an den Pranger, Abschneidung der Ohren
Aushauen mit Ruten oder anderem bestraft werden
(Art. 123). Rat soll man suchen bei den Oberhöfen,
bei der Obrigkeit, in Zweifelsfällen bei den nächsten
„hohen schulen“, Städten, Gemeinden oder anderen
Rechtsverständigen (Art. 219 bzw. 222). Vgl. Koch-
Senckenberg, aaO. 384f. 402 f.; besser J. Kohler-
W. Scheel, aaO. 62 ff. 113 f.
66 Die Nienburger Stadtordnung von 1569 bestimmt,
daß Ehebrecher und Blutschänder nach Ordnung
der Rechte am Leibe gestraft oder auch des Landes
verwiesen werden sollen; offentliche Hurerei soll
„nach ermeßigung der herrschaft gestraffet“, Huren
und Hurenjäger nach Gelegenheit „gebotfertigt“
oder des Landes verwiesen werden (F. E. Pufen-
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