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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0035
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über das ihnen unterstellte Gebiet, ihr „Amt und Befehl“ wird im einzelnen bestimmt und ihre ,,Zeh-
rung“ festgelegt. Mit den ,,gelehrtesten und geschicktesten Pfarrherrn“ sind sie in der Synode zusammen-
geschlossen, welche Trägerin der höchsten geistlichen Autorität des Landes ist.
Die Kirchendiener-Ordnungen von 1531 und vor allem von 1537 regeln neben dem ,,Amt und
Befehl“ und der ,,Zehrung“ der Superintendenten auch den Aufgabenkreis und die Unterhaltung der
Pfarrherren, die Verwaltung der Pfarr- und Kirchengüter und die Einsetzung der Synoden, insofern
grenzt die Ordnung nahe an den modernen Begriff der Verfassung. Es entsteht auf hessischem Boden
eine ,,verfaßte“ Kirche, ohne daß die Lehre dieser Kirche rechtlich festgelegt ist50. Erst durch den Kampf
gegen die Wiedertäufer werden einzelne Lehrformulierungen (negativer Art vornehmlich) in die Ordnung
der Visitation von 1537 aufgenommen.
Die zweite (Visitations-)Ordnung aus dem Jahre 1537 (Text Nr. 7) ist in den Jahren 1536/37
vornehmlich in der Auseinandersetzung mit den Wiedertäufern entstanden51. Die Ordnung folgt dem
,,Bedenken des ausschusses uf den gehalten ratschlag“ vom 7.August 1536 nahezu wörtlich52. Dem
Titel folgend umfaßt sie inhaltlich zwei Teile:
Abschnitte 1-13 enthalten die Reformationsbestimmungen, die sich den früheren Reformationsord-
nungen, vor allem der von 1526, eng anschließen. Das Element der Kirchen- und Sittenzucht steht im
Vordergrund53.
Die Abschnitte 14-36 bieten die Wiedertäuferbestimmungen. Der Abschnitt 7 der Kirchendiener-
ordnung von 1531 lag - von Feige und Fontius geändert - als Entwurf für die Ordnung vor54, ist aber
in das fertige Corpus wörtlich nicht aufgenommen.

5. Der Gottesdienst (Text Nr. 5)
Als erste Ordnung erlassen die neu eingesetzten Superintendenten auf der Synode zu Homberg im
Jahre 1532 eine Gottesdienstordnung (Text Nr. 5). Sie regelt als erste reformatorische Ordnung (abge-
sehen von der nicht in die Tat umgesetzten Reformatio von 1526) das gottesdienstliche Leben in Hessen,
ohne daß sie jedoch ausgeführte liturgische Formulare besitzt55.
In der Ordnung nehmen wiederum die Fragen der Kirchenzucht (Bann, Abendmahlsverhör, Kate-
chismus) einen breiten Raum ein; ausgesprochen konfessionell charakterisierende Merkmale fehlen.
Ein direkter Einfluß der Ordnung auf spätere hessische Agenden ist nicht sicher festzustellen.
60 Die Kirchenordnung von 1532, die kurz nach der Kirchendienerordnung von 1531 verfaßt wird, bietet einige mehr
allgemein gehaltene Lehrformulierungen, S. 78f. Die großen außerhessischen Kirchenordnungen dieser Jahre,
etwa die Brandenburg-Nürnberger Kirchenordnung von 1533, bringen demgegenüber zunächst Bestimmungen über
die gültige Lehre und über das kirchliche Handeln, beide Teile z. T. in Anschluß an den Unterricht der Visitatoren.
Im Umkreis vor allem Bucers und Laskis treten diesen beiden großen Sachgebieten reformatorischer Kirchenord-
nung Bestimmungen über die Kirchendiener hinzu, meistens zu Beginn der Ordnung, aber sachlich im Anschluß
an das kirchliche Handeln, das von den Kirchendienern gefordert wird.
51 Quellen IV, 47.
52 Quellen IV, 47 S.
53 Die beiden Teile der Ordnung sind sachlich relativ unabhängig voneinander, so kann der erste Teil den Eindruck
einer Wiederholung der Reformationsordnung von 1526 schwerlich verwischen. Diese Trennung der Frage der
Kirchenzucht (in der Verlängerung der obrigkeitlichen Polizei- bzw. Reformationsordnungen) einerseits und der
Wiedertäuferfrage andererseits bringt daher wohl ein so völlig anderes Bild der kirchlichen Gestaltung in die Ord-
nung von 1537 als sie - zwei Jahre später — den Ordnungen von 1539 (unter der entschiedenen Beteiligung Bucers)
zugrunde liegt. Hier ist das Problem der Kirchenzucht aus der innersten Bedrohung der Kirche durch berechtigte
Forderungen der Wiedertäufer heraus geformt worden, vgl. S. 21 f. — Eine Weiterentwicklung auf den Grundlagen
der Ordnung von 1537 bietet die Kirchenzuchtordnung von 1543 (Text Nr. 13).
54 Quellen IV, 47 R.
55 Es ist nicht sicher festzustellen, ob die Ordnung Rechtskraft besessen hat.

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