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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0042
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Kirchenordnung. Dieser Plan, auf Grund der Capita eine Kirchenordnung zu erarbeiten, erwies sich
jedoch als undurchführbar. So steht schließlich am Schluß der Bemühungen ein neues Korpus, die
Kirchenordnung aus dem Jahre 1566.
Die Entstehungsgeschichte der Ordnung liegt im einzelnen ziemlich im dunkeln, auch von den beiden
an der Ordnung zunächst beteiligten Theologen, Hyperius und Rhodingus, fehlen uns ausführliche
Nachrichten. Am deutlichsten läßt sich noch die Gestalt des Hyperius fassen.
Die Teile der Ordnung, die auf die Verfasserschaft des Hyperius9 zurückgehen, sind lateinisch ab-
gefaßt, da Hyperius der deutschen Sprache wohl nicht genügend mächtig war. Einzelne Stücke liegen
bereits der Synode von 1561 vor10. Das weitere Wachstum der Ordnung und die Frage der Verfasserschaft
läßt sich nur indirekt erschließen:
1) Im Jahre 1563 erheben die Pfarrer der Niedergrafschaft Katzenelnbogen unter ihrem Super-
intendenten Melchior Schott in einem Schreiben11 an den Landgrafen Klage über die Fassung der Ord-
nung, vor allem über die theologische Richtung, die sich in der Arbeit des Hyperius deutlich bemerkbar
mache12. Die Klage trifft hauptsächlich die in die Ordnung eingearbeiteten Fragstücke, die unter
anderem die Teilung der zehn Gebote nach Art des Heidelbergers aufweise13. Wohl auf Grund dieser
Beanstandung ist der ganze Abschnitt der Fragstücke vollständig neu gearbeitet14; denn gerade hier
fehlt innerhalb der fertigen Ordnung jede Beziehung zu Hyperius.
2) Aufschluß über den Stand der Dinge im Jahre 1563 (noch zu Lebzeiten des Hyperius!) gibt
ein Brief des Nikolaus Rhodingus15, der sich auf die Klageschrift der Niedergrafschaft bezieht16:
,,Meinen freundwilligen dienst zuvor, ehrenwerte Herrn Secretarii, Euer schreiben an mich hab ich
empfangen und verlesen und gebe euch darauf diesen einfeltigen bericht, daß die 2 ersten teil der neuen
Kirchen-Ordnung, so unser g.f. und h. gelesen und approbiert, nach dem synodo zu Marpurg, vor wenig
wochen gehalten, dem buchdrucker alhie durch Joannem Pistorium mit verwilligung aller superinten-
denten zugestellet seind, und mir befolen, daß ich uber denselbigen druck ein corrector sei, welchs ich
ihnen zugesagt und mit allem vleiß nach meinem besten vermogen versehen will. Und in diesen 2 teilen,
dem drucker ubergeben, wird vom heil. abentmal gar nichts gehandelt, was17 dem visitator zu Sankt
Goar wol bewußt. Darumb haben sich die prediger in der niddergravschaft nit zu besorgen, daß etwas
solt ausgehen, das calvinisch oder zwinglisch sei. Dan solchs nit allein ihnen, sondern auch allen andern
9 Die traditionsgeschichtliche Untersuchung ermöglicht es, für die Abschnitte der Tauflehre (vgl. S. 266ff.), der Lehre
von der Handauflegung (vgl. S. 286ff.) und für den Abschnitt über die Konfirmation (vgl. S. 293ff.) die starke Betei-
ligung des Hyperius an der Ordnung festzustellen (vor allem im Kirchenvätermaterial). Insofern ist der Tatsache,
daß die Ordnung im Namen der Superintendenten erschienen ist,für diese Abschnitte nicht von so großer Bedeutung,
wie Vilmar (Confessionsstand 80 f.) sie ihr beilegt.
10 Hassencamp II, 499.
11 Vorhanden StA Darmstadt,V A 2, 1 Konv. 3.
12 ,,. . . so viel aber diese beiden punkten belanget, . . . ist es minders nit, daß er (= Hyperius) bei vielen verdacht
wird, daß er in der lehr vom nachtmal Christi mehr dem calvinismo beifellig seie als die klare wort des Herrn mit
sich pringen . . (Bl. 2r; vgl. Quellen III, 906).
13 . und dieser verdacht wird bei dem mehren teil desto größer und sterker, daß er in seinem neuen usgangen cate-
chismo die teilung der zehen gebott nicht anders als die Heidelberger vorgenommen, auch von dem sacrament des
leibs und bluts Christi also redet, daß die jegelehr der calvinianer viel mehr als der unsern kirchen gesetzet und
bestettiget worden, wie dann die calvinianer sich offentlich berumen, daß ers mit ihnen halte . . (2 r. v.). Daß
der Einfluß des Hyperius gerade in den Fragstücken nicht erhoben werden kann, ist oft gesehen: vgl.W.Maurer,
Die Bedeutung der hess. Fragstücke für den Bekenntnisstand der hess. Kirche, Pastoralbl. für Hessen-Kassel
1936, 1, S. 4.
14 Vgl. S. 300.
15 Er ist vorhanden im Stiftsarchiv St. Goar, StckV Nr. 11, und war bisher unbekannt.
16 Das Schreiben ist gerichtet an ,,den erbarn und achtbaren Christophoro Harsack und Laurentio Kirchoff, Hessi-
schen Secretarien, meinen günstigen Herrn und besondern guten freünden“. - Zu Christoph Harsack vgl. Gund-
lach, Zentralbehörden III, 86 f.; zu Lorenz Kirchoff vgl. Gundlach, aaO. III, 128.
17 in dem Sinne von ,,dieses ist“ (kein Relativpronomen!)

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