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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0050
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Sehr viel aufschlußreicher ist der Mittelteil des Formulars, der aus Zürich stammt (S. 323b Z. 24
bis S. 324a Z. 37). Er ist fast durchgehend stark erweitert, aber doch nicht so sehr, daß die Abhängig-
keit von Zürich verlorenginge85. An der Zitierung der Bibelstellen zur Begründung der Eheschließung
läßt sich die Verwendung der Zürcher Tradition innerhalb unserer KO leicht erkennen:
Luther gebraucht folgende Bibeltexte:
Gen 2, 18. 21-24
Eph 5, 25-29. 22-24
Gen 3, 16-19
Gen 1, 27f. 31
SprSal 18, 22
Straßburg verwendet:
Gen 2, 18-24
Mt 19, 3-9
Eph 5, 22-33 86
Eine von beiden Traditionen abweichende Zitierung liegt in der Zürcher KO vor. Hier wird nur
Mt 19, 3-6
zitiert. Zwischen diesen vorliegenden verschiedenen Möglichkeiten schließt sich die Ordnung, was die
Wiedergabe der Bibelstellen betrifft, noch 1566 der Zürcher Tradition an87.
Durch die Scheidung der in der KO vorgegebenen Quellen ist es möglich geworden, das äußerst
umfangreiche und vielschichtige Eheformular der Kirchenordnung von 1566 zu verstehen und abzu-
leiten. Die Doppelungen können jetzt von der Aufnahme und Verarbeitung mehrerer Quellen interpre-
tiert werden: Das Zusammengeben der Brautleute durch den Pfarrer ist aus dem Bereich der durch die
Kölnische Reformation und Luthers Traubüchlein vertretenen Tradition zu verstehen, während die
Straßburger und Zürcher Ordnungen von der Bestätigung der Ehe sprechen. - Das doppelte Formular
des Aufgebots ist einmal von der Kölnischen Reformation (im Hintergrund Luther) und zum andern
von den Straßburger Ordnungen abzuleiten. - Die Doppelung der Befragung der Eheleute muß im Falle
der Feststellung eines Ehehindernisses von der Württemberger Ordnung her gesehen werden, im Falle
des Katechismusexamens jedoch liegt eigenes Gut der Ordnung vor.
Aber noch ein weiteres Ergebnis läßt sich durch die dargelegte Quellenscheidung im Formular der
Eheordnung erheben: Die Verwendung einer äußerst vielschichtigen und weiträumigen Tradition wirft
wiederum ein Licht auf den angestrebten Charakter unserer Ordnung: Sie versucht, durch den Anschluß
an eine Tradition, die vom lutherischen bis zum zwinglischen Bereich über den Straßburger Raum
hinweg sich erstreckt, ein Dokument zu schaffen, das auf der Grundlage der Tradition die auseinander-
klaffenden Fronten einigen und zusammenschließen will. Um dieses zu erreichen, schreckt sie nicht
85 Auch hinter den Straßburger Teilen steht in ähnlicher Weise die Zürcher Tradition, vor allem hinter dem Gebet
S. 324b Z. 1 ff.
86 Die Kölnische Reformation schließt sich der Straßburger Tradition an. — Neben der unterschiedlichen Anführung
von Gen 2 und Eph 5 ist vor allem auf das Fehlen von Mt 19, 3—9 in Luthers Traubüchlein zu achten. — Einen
Mischtext aus der Tradition Luthers und Straßburgs bietet die Brandenburg-Nürnberger KO; sie fügt zu der
lutherschen Tradition Mt 19, 3-9 hinzu und erhält folgende Bibelstellen: Gen 2, 18. 21-24; Mt 19, 3-9; Eph 5,
25-29. 22-24; Gen 3, 16-19; Gen 1, 27f. 31; SprSal 18, 22.
87 Die Zürcher Eheordnung (Richter I, 135) beginnt 1. mit der Aufkündigung der Brautleute (1566: S. 323b Z. 39
bis S. 324a Z. 16), verbunden mit der Feststellung, ob ein Ehehindernis vorliege; darauf folgt 2. der Evangelientext
Mt 19, 3-6 (1566: S. 324a Z. 21), 3. der Abschnitt „Glaubend diesen worten .. .“ (1566: S. 324a Z. 33), 4. die
Aufforderung an die Brautleute zu gegenseitiger Liebe und Treue (1566: S. 323b Z. 24ff.) und 5. ein Gebet (in 1566
nicht aufgenommen). Die KO 1566 gibt die Zürcher Teile in der Reihenfolge 4. 1. 2. 3. wieder.

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