davor zurück, noch 1566 sich auch zwinglischer Überlieferung zu bedienen, diese aber so durch Tradi-
tionen aus dem Kölnischen und Straßburger Raum zu umklammern, daß eine Auslegung und Ausfüh-
rung des Formulars lediglich nach einer Front hin unmöglich wird88.
f) Abschluß und Übergang
Im Verlauf dieser kurzen Einleitung hat sich folgendes ergeben:
In den Jahren 1526-1566 hat die hessische Kirche einerseits im Anschluß an den reformatorischen
Neuaufbruch die Elemente der kirchlichen Ordnung und der kirchlichen Zucht ausgebaut, andererseits
aber diesen Aufbau in einer reformatorisch bedingten Rezeption kanonischen Rechtes und in der Über-
nahme vorgegebener Traditionen vollzogen.
Die Kirchenordnung von 1566 - als charakteristischer Niederschlag hessischer Reformations-
geschichte - ist durch eine ausgeprägte Übernahme fremder Traditionen gekennzeichnet. Diese erstreckt
sich sowohl auf ihre dogmatisch-rechtlichen als auch auf ihre liturgischen Teile. Innerhalb der dogma-
tisch-rechtlichen Abschnitte überwiegt bei weitem die Abhängigkeit von altkirchlichem Gut; jedoch wer-
den auch einzelne Traditionselemente der mittelalterlichen Kirche übernommen. Darüber hinaus zeigt
in etwa das Eheformular eine starke Bedingtheit durch reformatorische Vorlagen.
Als Vermittler von Traditionsgut lassen sich für die KO von 1566 direkt das Decretum und Hype-
rius erheben, während zu einzelnen anderen Fragenkomplexen (Kinderabendmahl und Handauflegung)
eine weitgehend durch reformatorische Dokumente zu belegende Traditionsschicht sich aufweisen läßt,
ohne daß der Aufweis eines unmittelbaren Abhängigkeitsverhältnisses möglich ist.
Die Übernahme der Form bedingt auch die Übernahme des in der Form dargebotenen Inhalts. So
werden an Hand des Decretum Elemente des kanonischen Rechts vor allem in der Schriftlehre und in
der Lehre von der Taufzeit übernommen. Die Abhängigkeit von Hyperius bedingt im ganzen die Über-
nahme von Elementen der kirchlichen Ordnung (Ausschluß der Katechumenen vom Sakramentsgottes-
dienst, Handauflegung bei der Konfirmation) und der kirchlichen Zucht (Forderung an die Katechu-
menen nach einem unsträflichen Leben, nach Buße und Gehorsam).
Der Aufweis einer breiten reformatorischen Traditionsschicht stellt den Standort der KO im Be-
reiche der deutschen Reformation heraus. Der Schwerpunkt der aufgenommenen reformatorischen
Tradition liegt in Straßburg (bzw. in dem durch Straßburg beeinflußten Bereich). Hieraus ergibt sich
vereinzelt eine Parallelität zur Institutio Calvins, vor allem der Straßburger Fassung.
Zur ,,reformatorischen Traditionsschicht“ ist weitgehend auch Hyperius zu rechnen. Auch er gehört
zum Bereich Straßburger Überlieferungen.
Die KO geht in ihren Aussagen auf weite Strecken auf Hyperius zurück. Von den Superintendenten
ist als Mitbeteiligter nur Johann Pistorius zu greifen, auf den unter Umständen auch die Aufnahme
des Textes aus Veit Dietrichs Agendbüchlein zurückzuführen ist.
Aus allem ergibt sich der Charakter der hessischen Kirche sowohl im Zeitraum der Entwicklung
der KOO als auch innerhalb der KO von 1566. Sie gehört überwiegend dem Straßburger Einflußbereich
an1, dabei versucht sie durch Aufnahme und Verarbeitung verschiedener Traditionselemente ihren Teil
zur Wiederherstellung der Einheit der Kirche Christi beizutragen.
8 So sind auch die verschiedenen Doppelungen als Versuch des Ausgleichs zu verstehen.
1 Hier muß wohl abschließend noch ein Wort über das Bucerbild - und damit über das Bild, das auch die hessische
Kirchen- und Reformationsgeschichte widerspiegelt — gesagt werden, das sich aus der in dieser Einleitung ent-
wickelten Sicht ergibt: Da es um Fragen der KO geht, stehen naturgemäß die Elemente der Ordnung und der Zucht
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tionen aus dem Kölnischen und Straßburger Raum zu umklammern, daß eine Auslegung und Ausfüh-
rung des Formulars lediglich nach einer Front hin unmöglich wird88.
f) Abschluß und Übergang
Im Verlauf dieser kurzen Einleitung hat sich folgendes ergeben:
In den Jahren 1526-1566 hat die hessische Kirche einerseits im Anschluß an den reformatorischen
Neuaufbruch die Elemente der kirchlichen Ordnung und der kirchlichen Zucht ausgebaut, andererseits
aber diesen Aufbau in einer reformatorisch bedingten Rezeption kanonischen Rechtes und in der Über-
nahme vorgegebener Traditionen vollzogen.
Die Kirchenordnung von 1566 - als charakteristischer Niederschlag hessischer Reformations-
geschichte - ist durch eine ausgeprägte Übernahme fremder Traditionen gekennzeichnet. Diese erstreckt
sich sowohl auf ihre dogmatisch-rechtlichen als auch auf ihre liturgischen Teile. Innerhalb der dogma-
tisch-rechtlichen Abschnitte überwiegt bei weitem die Abhängigkeit von altkirchlichem Gut; jedoch wer-
den auch einzelne Traditionselemente der mittelalterlichen Kirche übernommen. Darüber hinaus zeigt
in etwa das Eheformular eine starke Bedingtheit durch reformatorische Vorlagen.
Als Vermittler von Traditionsgut lassen sich für die KO von 1566 direkt das Decretum und Hype-
rius erheben, während zu einzelnen anderen Fragenkomplexen (Kinderabendmahl und Handauflegung)
eine weitgehend durch reformatorische Dokumente zu belegende Traditionsschicht sich aufweisen läßt,
ohne daß der Aufweis eines unmittelbaren Abhängigkeitsverhältnisses möglich ist.
Die Übernahme der Form bedingt auch die Übernahme des in der Form dargebotenen Inhalts. So
werden an Hand des Decretum Elemente des kanonischen Rechts vor allem in der Schriftlehre und in
der Lehre von der Taufzeit übernommen. Die Abhängigkeit von Hyperius bedingt im ganzen die Über-
nahme von Elementen der kirchlichen Ordnung (Ausschluß der Katechumenen vom Sakramentsgottes-
dienst, Handauflegung bei der Konfirmation) und der kirchlichen Zucht (Forderung an die Katechu-
menen nach einem unsträflichen Leben, nach Buße und Gehorsam).
Der Aufweis einer breiten reformatorischen Traditionsschicht stellt den Standort der KO im Be-
reiche der deutschen Reformation heraus. Der Schwerpunkt der aufgenommenen reformatorischen
Tradition liegt in Straßburg (bzw. in dem durch Straßburg beeinflußten Bereich). Hieraus ergibt sich
vereinzelt eine Parallelität zur Institutio Calvins, vor allem der Straßburger Fassung.
Zur ,,reformatorischen Traditionsschicht“ ist weitgehend auch Hyperius zu rechnen. Auch er gehört
zum Bereich Straßburger Überlieferungen.
Die KO geht in ihren Aussagen auf weite Strecken auf Hyperius zurück. Von den Superintendenten
ist als Mitbeteiligter nur Johann Pistorius zu greifen, auf den unter Umständen auch die Aufnahme
des Textes aus Veit Dietrichs Agendbüchlein zurückzuführen ist.
Aus allem ergibt sich der Charakter der hessischen Kirche sowohl im Zeitraum der Entwicklung
der KOO als auch innerhalb der KO von 1566. Sie gehört überwiegend dem Straßburger Einflußbereich
an1, dabei versucht sie durch Aufnahme und Verarbeitung verschiedener Traditionselemente ihren Teil
zur Wiederherstellung der Einheit der Kirche Christi beizutragen.
8 So sind auch die verschiedenen Doppelungen als Versuch des Ausgleichs zu verstehen.
1 Hier muß wohl abschließend noch ein Wort über das Bucerbild - und damit über das Bild, das auch die hessische
Kirchen- und Reformationsgeschichte widerspiegelt — gesagt werden, das sich aus der in dieser Einleitung ent-
wickelten Sicht ergibt: Da es um Fragen der KO geht, stehen naturgemäß die Elemente der Ordnung und der Zucht
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