Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0092
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kirchenordnung 1532

pharhers gelegenheit, und des morgens frue noch
gewonheit einer iden kirchen sol man halten con-
ventum matutinum, wie volgt:
Der pharher oder cappellaen oder schulmeister
sol anfanghen zu teutsch oder latein: Domine, la-
bia mea aperies18, Deus in adiutorium19, oder Veni
sancte spiritus20, flucks druff die schuler: Komm
heilger geist21, oder ein anders, und die ganze ge-
mein volnfuren bis ans ende. Noch ausganck des-
selbighen sal man singhen einen psalmen, daruf
Vatter unser oder sonst etwas geistlichs gesangs
und darnoch predigen oder ein lection lesen.
Also aber sol man die predig messighen, daß das
volk nicht verdrossen, sondern mit beger, mere zu
horen, desto lieber widerkomme zu den andern
predigen, die hienacher geschehen sollen. Nach
der predig oder lection sol man singhen den gesang
Zacharie [Luk 1, 68-79]: Benedictus22. Nach aus-
gank desselbigen sal der predicant das volk gott
bevellen mit einem geistelichen segen numeri 6
[24-26] oder Ps. 66 [— 67, 2]. Solch geseng, noch-
dem die gelegenheit des volks erfoddert, mag man
latinisch zum teil umb der knaben und der schuler
oder teutsch umb des volks willen singhen lassen.
Der pedagogus oder cantor sol die knaben in fei-
ner zucht halten in der kirchen, schule und straßen,
sonderlich aber daß sie im chore zuchtiglich stehen,
geberen und singhen als fur dem angesichte gots.
Die choros sal man teilen, der cantor zu beiden
seiten zu sehen, daß es fein ordentlich zugehe. Mit
ernst sol man alle ding handeln und christelicher
dapferkeit in der gemeinen, in welcher mittel noch
mit dem wort Christi er Christus selbs gegenwertig
ist [Mt 18, 20].
Kein lichtfertickeit sall stadt haben in der ver-
samlung Christi, in welchs namen sich beughen
mussen alle knie im himel, uf erden und unter der
erden [Phil 2, 10].
Der schuler uberfarunge sal man in der schule
mit einer ruten straffen und rechtfertighen, unter

18 Ps 51, 17 ff. (Vulg. Ps 50, 17ff), BrevRom Dominica
ad Laudes II.
19 Ps 69 (Vulg. Ps 68), BrevRom Feria quinta ad Com-
pletorium.
20 Veni sancte spiritus, reple; Wackernagel I, Nr. 281.
21 Durch D. M. Luther gebessert; Wackernagel III,

dem volk sal man keiner tyrannei brauchen, uf daß
die eltern durch solch offentlich wutten nicht ab-
geschreckt werden und verhindert, ihre kinder in
die schule zu senden, auch stehets sonst nicht wole,
fur dem volk mit kindern sich pleuwen.
Des volks uberfarung sal der pharher mit dem
wort rechtfertigen. Die verachter aber des worts
sal man mit verwilgung der gemein nach dem
bevelch Christi Math. 18 [17] von der christelichen
versamlung durch den ban absondern, davon her-
nach weitleuftiger23.
Von des hern Jhesu abendmal
Nach gewonheit eines iden orts und pharhern
sal man leuten, das volk zu versamlen und, wen es
versamlet ist, ists umb des volks willen fur ge-
schickt angesehen (ut vel sic quodam modo plebis
reverentiam pene prorsus extinctam alamus), einen
chorock zu brauchen.
Von ordenung und brauch des nachtmals
Des hern nachtmal halten wir fast in allen stuk-
ken nach ordenung und inhalt ubergebner con-
fession24 und apologia25 nicht als us not oder ge-
satzeszwank, sondern drumb, daß wir nichts un-
rechts, ungeschicts oder verwerflichs drinne fin-
den. Nemlich also was aus gotlicher schrift gsangs
ist, haben und halten wir gern, ader einen psalmum
und nach gelegenheit kyrieleison, gloria in excelsis,
so fern im evangelio Luce [Luk 2, 14] bescriben,
lectiones ex epistolis canonicis, patrem, vatter un-
ser, predig oder exhortation von nachtmal des
hern, oder, wo man predigt, ein kurze ermanung
druff zu den communicanten vom nachtmal des
hern und flucks druff dispensiren wir sacramen-
tum und besließen mit einer collecten und solida
benedictione ut supra26. Wer in catecismo unbe-
richt, sol zumb nachtmal nicht zugelassen werden,
Nr. 19; EKG Nr. 98.
22 BrevRom ad Laudes,
23 Eine Bannordmmg fehlt noch.
24 Augsburgische Konfession Art. 10; BekSchrr 62 f.
25 Apologia Confessionis, BekSchrr 247 f.
26 Vgl. Sp. a.

76
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften