Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0093
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenordnung 1532

er hab den zuvor solche kinderlere gefasset oder
wolle es lernen, uf solche fragen zimlich zu ant-
worten. Hierzu dinen Lutheri27 und Brencii28
beide, groß und kleine.
Nimant sol zugelassen werden zum nachtmal
Christi, er hab sich dan zuvor seinem pharhern mit
namen angeseigt, uf daß er seiner sele fur gar be-
kant sei, auch verhoret werde, was er verstehe und
wisse vom glauben und, wo es imant von notten,
getrostet und underweiset werde.
Darumb aber sollen sich vornemlich mit namen
anzeigen, die da durch die entphahung des libs und
bluts Christi sich vor christen ausgeben dem phar-
hern, uf daß, ob sie sich im wandel nicht christlich
hielten, vermanet und, wo sie nicht besserten, ver-
bannet werden mogen. Solcher verzeichnis abge-
scrift sol der pharher bei sich halten, nach dem
wandel seines pharvolks als ein fleißiger ufseher
mit ernst fraghen.
Die aber sich nicht angeben wollen, auch uf die
furnemste fragstuck catecismi zu antworten nicht
wissen oder wollen, sollen vom gehore gotlichs
worts nicht verstoßen sein, ob sie villicht durch
gehore desselbigen zurecht bracht und selig wer-
den mochten. Zumb nachtmal aber sollen sie nicht
zugelassen werden, nicht zwar aus tyranischen fur-
haben, sonder vielmere darumb, daß wir das hei-
lichtumb nicht fur die hunde werfen [Mt 7, 6] und
der schatz unsers himelischen reichtumbs nicht
verlestert, vielmere aber die lere unsers heilants
Christi in allen stucken auch mit seiner ordenung
gepreiset werde, amen.
Des sonabents sal der predicant, wen es ihme,
auch dem volk gelegen sein wil, eine vermanung
tun zu denen, so do wollen des volgenden tages
mit Christo das nachtmal halten, aus Paulo [1. K
11, 27 ff.] oder sonst aus heiliger scrift, uf daß die

27 Der Kleine Katechismus Luthers, BekSchrr 501 ff;
der Große Katechismus, BekSchrr 545 ff.
28 Fragstuck für die jungen Kinder, den Glauben, die
Gebot Gottes, das Vater unser und des Herren
Nachtmahl betreffend, Catechismus minor, Cohrs
III, 146 ff.
Unterricht und Auslegung der zwölf Artikel christ-
lichs Glaubens, des Vater unsers und Gebot Gottes,
alles in Fragstuck, für die Gewachsnen und Alten
zu lehren verfasset.l Catechismus maior, Cohrs

gleubigen wissen mogen, was guts us rechten
brauch, widerum die ungelaubigen, was schadens
aus dem misbrauchen beiderseits entstehen, daß
nicht villicht die fromen durch swacheit ihres glau-
bens abegeschreckt, auch nicht die bosen unver-
manet das gericht entphahen durch unwirdige
nießung des libs und bluts Christi.
In stetten und uf dem lande sal man nachmit-
tage predigen und kinderzucht, das volk abezihen
von saufen, spielen und mussigang und derglichen
untregelichen lastern.
Fur der predig gefelt uns der gesang: Nu freuwet
euch, lieben Christen gemein29, oder ein ander der-
glichen. Nach der predig: Es woll uns got gnedig
sein30, oder ein anders.
Darumb am meisten, daß man das volk zum
preis und danksagung zihe, und von andern welt-
lieder abhore. Et sic cum bona imprecatione, ut
supra31, ecclesia dimittatur.
Des abents sol man vespertinum conventum hal-
ten glich wie des morgens matutinum, allein daß
man anstat cantum Zacharie [Luk 1, 68-79] singe
canticum Marie [Luk 1, 46-55]: Magnificat32. Und
sol die vesperpredig des catecismi eigen sein und
plieben alle zeit33, also daß man zum ersten predig
die zehen gepot, zum andern furnem die artikel
des glaubens, zumb dritten vom gepett und vatter
unser lere, zumb lesten die substants und brauch
beider, des taufs und nachtmahls Christi, auslegge,
uf daß es die einfeltighen desto bas merken und
fassen und desto faster behalten mogen, oder wie
sichs sonst am besten richten lassen wil. Wen der
catecismus aus ist, sal man umb der jugent willen,
welche taglich zunemen, daß nicht villicht durch
unser unfliß solche nottige stuck widerumb in ver-
gaß und abgank kommen, forn und von neuen
wider anfanghen.
III, 159 ff.
29 Wackernagel III, Nr. 2; EKG 239.
30 Wackernagel III, Nr. 7; EKG 182.
31 Vgl. S. 76.
32 BrevRom Ord. ad Vesperas.
33 Zur Frage der Katechismuspredigten vgl. Buch-
wald/Albrecht: Johann Bugenhagens Katechis-
muspredigten gehalten 1525 und 1532, Quellen und
Darstellungen aus der Geschichte des Reformations-
jahrhunderts 9, 1909 und Cohrs III, 129.

77
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften