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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0094
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Kirchenordnung 1532

In den vornemsten stetten sal das volk teglich
zusamen kommen zu lob und preis gots mit aller-
lei geistelichen psalmen und gesang und zu horen
das gotlich wort, doch sal man solch leren und lo-
ben so messigen, daß in einer stund alles aus sei.
Ob etwan die predig nicht mocht gescehen, sol
man doch ein lection aus der scrift tun. Und solch
lection sol nimant verachten, durch welche, so man
des mit fliß warnimet, die scrift fein entzalen in-
gebildet, auch der propheten, aposteln und evan-
gelisten eigene wort und rede sunder allen beisatz
gehoret werden, welch etwan viele nutzer sein den
ongerimte, weitleuftige auslegung.
An stad der messen, so vor aus unverstandt ge-
halten, sol man forter das gotlich wort predigen.
Den tauf wollen wir brauchen nach der form, die
von alters here in der kirchen gewesen und von
doctor Martino in teuths bracht ist34, den wir wo-
len kein teil haben mit etlichen leichtvertigen gei-
stern, die in keinen vornemen beharren, allezeit
etwas neuwes anrichten, an welcher leichtfertickeit
gnugsam ersehen wirt, daß sie nicht der selen heil,
sondern lust zur neurung anfechtet, nachdem sie
von der ungestumkeit ihres unstanthaftigen her-
zens getriben werden, wollen auch, daß man die
kindelein aus den windelin neme hinfurter und
ein fulliges zeichen gebe35, hindannen gesatzt alle
unnottige bekummernis.
Auch sol ein ider christ sein kinder in gemeiner
pfarkirchen seinen eigenen pharhern taufen lassen
und nicht ihme ein besonders in seinen haus, wie
etliche ungeschichte leut getan, vornemen, zur
smach anderer einfeltigen fromer christen.
Von der wertscaft des ehestands
Die, so zur ehe greifen wollen, sullen sich zum
ersten proclamiren lassen, kunftige irrunge zu ver-
huten und auch drumb, daß man in gemeine got
pitte umb seine gnade und segen, den jungen
eheleuten zu verleihen.

34 Das Taufbüchlin verdeutschet und aufs neu zuge-
richt, BekSchrr 535 ff.
35 Gedacht ist wohl dabei an die Immersions- oder In-
fusionstaufe ?

Wen sie ihre hochzeit halten, sol der pharher
underweisen fur allen umbstendern, was da sei und
mit sich bringe diser neuer orden des ehestants,
von wen und warumb und warzu ere ingesatz aus
dem ersten buch Mosi [Gen 2, 18-24] sterken wi-
der alle anfechtung und trubsal disem stand an-
hengig, aus Paulo [Eph 5, 22-33; Kol. 3, 18f.] und
Petro [1. Petr 3, 1-7] vermanen, daß sie sich nicht
scheiden, den was got zusamengefugt, fur die ge-
mein als zeugen, sal der mensche nicht scheiden
[Mt 19, 6].
Auch sol unsers g.h. reformation36 in essen und
trinken gehalten werden unbrochlich. Sehen auch
fur gut und christelich an, daß die eheleut den
armen etwas aus der kochen und kelner, das gut
und reine sei, heimschicken und also Christum uf
die hochzeit laden. Wirt sonder zwifel nicht armer
machen iuxta verbum Christi: Date et dabitur,
quod minimis meis fecistis, mihi fecistis [Mt 25,
40].
Von besuchung der armen und kranken
Die armen sollen besuchen die predicanten und
auch die andern bruder, sie mit trosten und hant-
reichung, wo von notten, erquicken, so wirt der
her uns weder heimsuchen am tag unser trubsal
und not.
Der predicant sol die swachen mit dem wort des
evangelii trosten und absolviren, mit dem lib und
blut Christi uf ihre begere nach gelegenheit der
personen speisen und vermanen, daß sie also im
fride entslaffen, frolich in freuden wie der from
Symeon [Luk 2, 25-35] von diser welt abzihen und
sich ergeben mogen mit festem glauben in die hand
gots.
Von lere in genere
In der lere sal man furnemlich tribben und dem
volk furhalten puß und vergebung der sunde, das
36 Reformation und Ordenung von allerlei gebrechlich-
keit und unordenung, so bisher in unsern fursten-
tumb, landen und gepieten geschehen sei, vgl.
S. 37 ff.

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