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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0102
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Visitationsordnung 1537

peen hernachmals gevatterschaft oder kindtauf
halben kein gastung anrichten oder halten, es sei
in des, der das kind taufen oder in des gevatter
hause.
[10] Der artikel der hochzeit18 soll mit der zal
der personen zu laden festiglich gehalten werden
und soll daruber ein igliche braut uber zehen
megde und der breutgam uber zehen knechte, ge-
freundt oder ungefreundt, geladen oder ungeladen,
nicht haben, staden oder zulassen.
Und als in voriger unser ordnung gesatzt19, daß
braut und breutgam uf den abent drei tisch und
den morgen des andern tags auch drei tische laden
mogen und daruber nicht, dasselbig soll ganz und
zumal abgestellt sein. Und so man des ersten braut-
tags die braut vom tanze hinbringt, so soll dar-
nach uf den abent kurzumb kein tisch mehr ge-
habt oder geladen werden, sonder ganz abgestellt
sein und ein ider wider in seinem haus leben wie
vor, noch weniger des andern morgens, alles bei
peen in der vorigen ordenung ufgesetzt20.
Und sonst in allen andern fellen soll unser ord-
nung, inmaßen die usgangen ist, stracks gehalten
werden one nachlassung.
[11] Daneben und darmit solichs desto stät und
volnkomlicher gehalten werde, so wollen wir einen
fiscal21 zu Cassel und einen zu Marpurg22 verord-
nen, der neben euch unser amptleuten und knech-
ten, burgermeistern und rat daruf sehen, und was
nicht gestraft, desgleichen wilcher laß ist, unsern

18 Vgl. aaO., Abschn. 4 (S. 39).
19 Vgl. aaO., Abschn. 4 (S. 39).
20 Vgl. aaO., Abschn. 4 Schluß.
21 Die Fiskale gehören zu den Dienern von Haus aus.
Sie sind bereits seit 1530 (Jobst Fetmilch, 1530 bis
1536) zu finden. Zur ständigen Einrichtung wird das
Amt des Fiskals durch die peinliche Halsgerichts-
ordnung Philipps von 1535 (HLO I, 68-89). Der
Fiskal ist bestellt „zum behilf peinlicher sachen,
. . . die ubelteter, bescheddiger und friedbrecher an
peinlichen halsgerichten an allen ortern und stetten
. . . vermoge unserer peinlichen halsgerichtsorde-
nunge zu verclagen und von unsertwegen rechtfer-
tigen ze lassen“, ,,dergleichen zu einem sindico un-
serer armen undertanen . . ., da die ire gerechtig-
keit armuts halber nicht erfordern mochten“ (aus
der Bestallungsurkunde für Johann Bingel 1538, bei
Gundlach, Zentralbehörden II, 82 f.).
22 Kassel und Marburg sind - jeweils als Sitz der Kanz-

obernrichtern23 anzeigen soll, wie sich gepürt. Und
solicher fiscal soll ein vierden teil haben an allen
pußen, die er inpringt, wie die durch unser ober-
richter gedinget wird.
[12] Es soll auch kein underamptman, rentmei-
ster oder diener macht haben, buße zu miltern oder
nachzulassen, so an unsern gerichten gewiesen ist,
sonder die stracks im nehsten viertel jars nemen
und inpringen, wie die gewiesen wirdet. Und wil-
cher nit hat am gelde in allen bußen, der soll mit
seinem leibe bezalen und uf seinen eigen kosten
sitzen nach gelegenheit der person und sachen, wie
das ihr unser amptleut und befelhaber fur gut an-
sehen werdet.
Wilcher aber an unsere gnade gewiesen wirdet
und kein gemessen buß het, das sollen die ampt-
leute und bevelhaber nach gelegenheit meßigen
und nemen, usgescheiden große schwere sachen,
leib, leben, eide, malefitz, ungehorsam, ufrur oder
dergleichen antreffende, dieselbigen sollen an uns
pracht werden. Und wilch ampt kein ordenung het
in der puß, das soll an unsern hof alhie ansuchen,
dem soll man ordenung geben und machen.
[13] Item dieweil von den müßigen leuten ein
großer mißbrauch geübet wirdet mit dem steetem
oder langen zechen in bier oder wein van burgern,
bauern und gemeins leuten, so setzen und ordnen
wir, daß kein wirt, er sei in stetten oder dorfern,
der schenk auch bier oder wein, desgleichen kein
weinkeller, burger, bauer oder ander man am wer-
lei - für die Errichtung des Fiskalamtes vorgesehen.
Jedoch wird noch 1538 Johann Bingel zum Fiskal
und Syndicus für ganz Hessen bestellt (Gundlach,
Zentralbehörden II, 82). Prof. Dr. Asclepius Barba-
tus ist 1553 der erste Fiskal für das Oberfürstentum
mit dem Sitz in Marburg, vgl. Gundlach, Zentral-
behörden I, 249 ff.; III, 23. 358.
23 Das Amt eines Oberrichters ist in den hessischen
Zentralbehörden nicht nachweisbar. Der Fiskal ist
unmittelbar dem Befehl des Landgrafen bzw. des
Statthalters untergeben (vgl. den Bestallungsbrief
Philipps für Johann Bingel, Gundlach, Zentral-
behörden II, 83, und den Gewaltbrief des Statthal-
ters an der Lahn für den Fiskal Daniel Werner,
Gundlach, Zentralbehörden II, 85 f.). Bußen dür-
fen dagegen nicht ohne das Vorwissen des Kammer-
meisters verhängt werden. Ein Bußregister soll in
den beiden Kanzleien geführt werden (Gundlach,
Zentralbehörden I, 255).

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