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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0110
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Kirchendienerordnung 1537

ner einhelliglich und aus einem munde uff des
superintendenten furhalten und frage bericht und
antwort geben, damit nicht einem jeden in gan-
zem hauf zu reden erlaubt, sonder ein rechte be-
scheidenliche ordenung gehalten werde.
Und wo demnach etliche geprechen viel oder
wenig uff den pfarhern und andere kirchendiener
mit warheit pracht und erfunden, sollen sie er-
manet, corrigirt und nach gelegenheit der sachen
gestraft werden.
Im fall aber, daß offentliche erkante laster von
eines pfarherns hausfrauen bei seiner gemein aus-
fundig, sollen solichs die pfarkinder in oban ge-
zeigter maße ihrem superintendenten zu erkennen
geben, wilcher solchs furter den andern visitatori-
bus ader den conservatoribus vermelden sollen,
alsdann sal man verfügen, daß solche fraue zim-
licher maße gezüchtiget werde.
Wo sie aber in offentlichem ehebruch oder hu-
rerei begriffen und der pfarher, ihrer hauswirt,
sich gegen sie und jedermann erbarlich, redlich und
zuchtig gehalten, sal sie von dem pfarhern ge-
scheiden8 und ihme ein andere zu nemen gestattet
und erlaubt werden.
Wann nun also der superintendens sich umb des
pfarherns und ander der kirchendiener lahr, leben
und wandel gnugsam erforschet, und was er bei
denen mangel befunden, gerichtet und gebessert
hat, sal auch der superintendens den pfarhern umb
gelegenheit der pfarkinder in ihrem abwesen fra-
gen, wie sie sich gegen Gott und seinem lieben
wort halten, ob sie auch vleißig zur predig gehen,
ihre kinder und gesinde zu Gottes wort und furcht
anhalten. Item ob auch unter ihnen seien, die sich
unter der widdertaufer lehr und buntnis vleißigen
oder begeben haben. Item wie sie sich gegen dem
abentmal Christi, tauf und furstlicher ordenung
mit ihren hochzeiten, kindtaufen und dergleichen

8 Als Scheidungsgründe lassen die Reformatoren all-
gemein gelten: Ehebruch (nach Mt 5, 32 und 19, 9)
und bösliche Verlassung (nach 1. K 7, 15); vgl.
Sehling VI, 2, 806 Anm. 13.
9 Vgl. Reformationsordnung 1526 (Text Nr. 1 a),
S. 38 f., Abschn. 3. 4. 5.
10 Ob ein schriftlich fixierter Katechismus den Fragen
zugrunde liegt, ist nicht ganz deutlich zu erheben.
Die Reihenfolge der abzufragenden Hauptstücke

halten und daran sein, daß sie auch gar keine
kirchmeß halten, dann solche will unser g. f. und
h. ganz und gar abgeschafft haben, inmaßen seine
f. g. derhalben erstlich verbot haben ausgehen
lassen9.
Und nachdem der superintendens des alles not-
turftiglich von pfarhern bericht ist, damit er dann
auch selbs deren dinge eigentliche gruntliche er-
kantnis an den pfarkindern vernemen möge, sal
er sie fur sich fordern und etliche aus ihnen, es sei
gleich jung oder alt, ihre gebet, glauben und zehen
gebot ansagen lassen und darnach etliche deren
stucke und artickel fur sich nemen und fragen, wie
sie dies oder das, jetzt im Vatter unser, glauben
und zehen gepotten, dann vom tauf und sacra-
ment des fleischs und bluts Christi etc. gelernt ha-
ben und verstehen10, dann dergestalt mag er beide,
des pfarherns lere und der pfarkinder vleiß aufs
allergewissest erfaren.
Was nun der superintendens an der kirchen oder
pfarkindern geprechlich erfindet und doch nit
trefflich ist, sal er alsbald mit gute und aller sanft-
mutigkeit nach gelegenheit der sachen corrigirn
und bessern.
Was aber trefflich irtumb in der lahr oder leben
der pfarhern, kirchendiener und pfarkinder seint
und das ein pfarher oder seine pfarkinder nicht
fur irtumb zulassen noch bekennen wölten, sonder
als ein rechtmeßige lahr und furnemns achten,
auch also von jederman erkant und vertedingt
haben wölten, wie sich dann itzt an etlichen ortern
solcher und dergleichen geprechen begeben, die sal
der visitator von stund an, sobald er solchs er-
feret, den pfarhern weiter zu treiben bei verlierung
der pfar ernstlich verpieten und solchs in dem
kunftigen synodo anzeigen, das zu reformiren,
emendiren und corrigiren nach gelegenheit.
Was aber der superintendent nicht selbs richten
ist verwunderlich. Auf Grund der Gottesdienstord-
nung von 1532 (Text Nr. 5, S. 77) könnten die
Katechismen von Luther oder Brenz zugrunde lie-
gen, jedoch weichen sowohl Luther (Gebot, Glaube,
Gebet) als auch Brenz (Glaube, Gebet, Gebot) von
der in der obigen Ordnung zitierten Reihenfolge ab.
Dieselbe Reihenfolge innerhalb der Ordnung auch
noch einmal in Abschn. 15, S. 100.

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