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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0138
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Kasseler Kirchenordnung 1539

ausspenden. In dem soll die kirch singen erstlich
Gott sei gelobet28, darnach andere geistliche ge-
senge und psalmen, so lange das communiciren
wert. Und sollen die manne zum ersten, darnach
die frauenbilde zum tische des Herren gehen. Und
wenn die alle herzugangen sein, alsdann soll mit der

k KE fügt hier ein:
Dies aber alles wird auf diese form gehandelt: Die-
weil wir uns im Herren furgenommen haben, das heilig
nachtmal unsers heilandes Jesu Christi mit rechtem
glauben und warer andacht zu halten, wöllen wir erst-
lich die geheimnus dieses hochwirdigen sacraments ufs
kürzst und deutlichst erkleren aus rechtem glauben.
Das erst, daß wir bedenken sollen, weil uns hie der
Herre sein fleisch und blut mitteilen will, ist, daß wir
erkennen, daß unser fleisch und blut, das ist unser ganze
natur, zu allem argen und also in ewigem tod verter-
bet ist, daß wir das reich Gottes unserthalben num-
mermehr mögen ererben. Dieses demütiget uns fur
Gott, gibt uns unser sunde zu erkennen und macht uns
deste beghiger der reiche gnaden, so uns Gott in Christo
furgestelt hat.
Das ander, daß uns von solchem verterben zu helfen
das ewig wort Gotts und des Sons des almechtigen
fleisch und unser bruder worden ist, damit ein heilig
fleisch und blut, das ist ein recht gottseliger mensch
wer, durch den unser alles fleisch und blut widerbracht
und geheiliget würde, welchs geistlich, so wir dasselbig
warlich essen und trinken, Johan. 6. [v. 51 ff.].
Das dritt, daß uns der Herr dasselbig sein heilig-
machende fleisch und blut im heiligen abendmal mit
den sichtbaren zeichen brot und wein durch den dienst
der kirchen warlich darreicht und ubergibt, nicht zur
bauchspeis oder mit brot und wein natürlich vereini-
get, aber zur speis des ewigen lebens warlich und we-
sentlich, wie denn seine heiligen wort lauten: Nemet
und esset, das ist mein leib, etc. Trinket daraus alle,
das ist mein blut etc., welche wort des Herren wir mit
einfeltigen glauben ufnehmen und nicht zweiflen sol-
len, er der Herre selbst sei mitten unter uns durch den
eußeren dienst der kirchen, den er selbst dazu verord-
net hat, wie er uns in diesen seinen worten anzeiget,
daß also auch uns das brot, das wir brechen, warlich sei
die gemeinschaft seines leibs, und der kilch, bei dem
wir danken, die gemeinschaft seines bluts [1. K 10,16].
Allein daß wir alweg fleislich betrachten, worümb der
Herr uns also sein heilig seligmachende gemeinschaft
im heiligen sacrament immer mitteile, nemlich darümb
und darzu, daß er immermehr und mehr in uns und
wir in ihm leben ein recht heilig seligs, das ist götlichs
leben und wir seien ein leib in ihm, unserm heupt, wie wir
da von einem brot und trank des Herren alle heil nemen.
Das viert und letzt, daß wir mit warem glauben und
höchster andacht diese himlische gaben entpfahen und
des Herren herrlich gedechtnus mit allen freuden und
38 Nach einem vorreformatorischen deutschen Lied
von M. Luther 1524, vgl. Wackernagel III, 11;

danksagung und dem segen dieser ganzer dienst
beschlossen werdenk.
Und weil der prauche und dienst an beiden sa-
cramenten, dem heiligen tauf und nachtmal, der-
maßen, wie erzelet, bedacht ist, in ansehung der
besserunge in sonderheit dieser kirchen zu Cassel29,
dankbarkeit halten sollen und uns und das unser dem
Herren von herzen begeben und ufopfern, und das mit
dem milten opfer und steur für die armen noch unserm
vermögen reichlich bezeugen, auch daher Christum
immer loben und preisen mit allen unsern worten und
werken, ja mit unserm ganzen leben umb alle diese
seine guttaten, umb seine menschwerdung und bitteren
tod, domit er unser sund bezalet hat und umb diese
selige gemeinschaft seines leibes und bluts, das ist sein
selbst ganz, der warer Gott und mensch ist, durch den
wir allein das recht, war und selig leben erlangen und
leben hie und in ewigkeit.
Dieweü aber unser Gott ein solcher ist, daß ihm kein
gotlos wesen gefelt und nichts böses fur ihm bleibt, ist
auch vonnöten und nütz, daß wir betrachten, wie zum
nachtmal Christi, das ist zu seiner gemeinschaft durch
Gott und sein wort nicht zugelassen werden alle glaub-
losen, lieblosen und ergerlichen menschen, so dürren
und ungesunden glieder des leibs Christi sein, durch
welche Gottes name öffentlich verlesen und die ge-
mein verergert wird, als nemlich alle die,
so mutwillig oder fahrlessig dieses sacrament verachten
und nach des Herrn befehl des sich mit nichts gebrauchen,
so den kinderbericht des christlichen glaubens und
lebens nicht können, auch nicht lernen wöllen,
alle ungleubigen, öffentüche abgötter, so die heiligen
engel oder ander creatur anruffen und anbeten, so die
bilder verehren,
alle zeuberer, warsager, die vihe und krenz sampt an-
dern dingen gesegen, mit allen den, so solchen glauben
geben,
alle gottesverechter und lesterer, die so leichtfertig und
aus böser gewonheit schweren und fluchen, durchechter
Gottes worts und der heiligen sacrament, die sich in
den sachen des glaubens mit Gotts wort nicht wöllen
berichten lassen,
die so sunderlich auf den sabat und ander festen aus
mutwillen predigung verseumen, under und zwüschen
der predigung arbeiten und dem Herrn seine rue nicht
aushalten,
die den eltern, formünden, oberkeiten und herren nicht
mit Gott gehorsam sein, ihnen fluchen, sie unehren und
schmehen, aufrürisch sich aus frefell ihnen widerreden
und entkegen sein,
die ihre kinder, gesind und volk im Herren nicht ver-
sorgen und ufziehen, noch mit allem fleis und treu zur
gotseligkeit, zucht und gerechtigkeit anhalten,
alle totschleger, zornige, hessichen, neidischen, alle die
aus mutwillen kriegen,
Evgl. Kgb. Nr. 163, ferner Hubert 112.
29 Vgl. oben Anm. 3.

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