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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0162
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Stipendiatenordnung 1542

auch verordent ist8, nemlich so er erwachse, daß er
alsdann der kirchen dienen, oder so er das nit tun
würde, das halb teil des entpfangen stipendii
widergehen wölle, sobald er das vermag, und söl-
lich gelt söllen auch diejenen, so die wahl zu tun
haben, zu einer jeden zeit, on alle nachlassen,
wider einbringen.
[8] Und ob der knabe vatter und mutter in leben
hette, so sollen sich neben ihme seine eltern dafür
auch verschreiben und verpflichten.
[9] Daneben soll auch derselbe electus zu Mar-
purg nach der ordnung, so daselbst ist9, examinirt
und die obgemelten superattendenten daran sein,
daß alle andere ordnunge, so darauf gemacht sein,
streng und steif gehalten werden.
[10] Und nachdem man nicht alwege so gar be-
queme person haben mag alters halben, wo dann
ein knabe, der jung were, zum stipendio käme, so
dann schon die sieben jar umb sein, soll es gleich-
wol zu dem erkentnus der dreier curator oder su-
perintendenten obgemelt stehen, ob man dem kna-
ben solch stipendium lassen soll oder nicht, bis so
lange daß er vollkommens alters oder lahr sei.
[11] Und were gut, daß sie vom collegio zu regie-
rung oder helfern der schulen genommen, dabei er-
zogen und darnach zu pfarrern gebraucht würden.
[12] Und nachdem diese knaben zum kirchen-
dienst erwelet werden, soll man darauf sehen, daß
sie lehen als clerici, sich nicht uppiglich stellen,
bunte oder zerhackte kleider10 haben, auch nicht

8 Verordnung vom 7. Juni 1537, bei Hildebrand
Nr. V S. 28f.; jedoch ist 1537 vorgesehen, den gan-
zen Teil des empfangenen Stipendiums zurückzu-
erstatten, wenn der Stipendiat nicht gewillt ist, in
den Kirchendienst einzutreten.
9 Vgl. den Stiftungsbrief, Hildebrand Nr. III, 19
S. 13.
10 Es handelt sich um die Tracht der Landsknechte,
auch „Schlitztracht“ genannt. Man schnitt Hose
und Wams an den Stellen, die die Glieder am mei-
sten einengten, auf und unterlegte sie mit anders-
farbigem Stoff. Im ganzen wird die Tracht von einer
großen Buntheit bestimmt, vgl. W. Bruhn und
M. Tilke, Das Kostümwerk. Eine Geschichte des
Kostüms aller Zeiten und Völker 1941, S. 20. 62f.;
Tafel 64.
11 Zur Tracht der Landsknechte gehörten als Waffen
Langspieß und der „Katzbalger“, ein kurzes Schwert
mit breiter Klinge, vgl. Bruhn/Tilke aaO.
12 Bisher wurde das Geld den Stipendiaten oder ihren

lange messer11 tragen, sonder einen züchtigen
wandel füren und sich mit saufen und anderm un-
züchtigem leben nicht beflecken, sonder recht und
ehrlich halten.
[13] Darzu soll man fleißig zusehen, daß die vor-
gemachten ordnung für die stipendiaten zu Mar-
purgk mit ihrem studiren, wesen und beten ge-
halten werde.
[14] Sonderlich hat sein fürstlich gnade das he-
dacht, ob ein junger man aus dem studio käme und
es befünde ein pfarrer, schulmeister und die elti-
sten von der kirchen, daß er eins guten verstands
und lahre und also nütz und gut sein würde, daß er
weiter studire, so sollen sie mitsampt den zweien
hürgermeistern obgemelt macht haben, ihme das
stipendium zu erstrecken, bis so lange er volkom-
mens alters, lahre und verstands würde, der kir-
chen zu dienen und andern vorzusein, als für einen
superattendenten oder namhaftigen man. Und ob
ihme das stipendium zu klein were, so söllen sie
macht haben, ihme von andern stipendien, so ledig
würden, zuzelegen, auf daß die kirche zu gelerten
leuten kommen möge.
[15] Item man soll alle gelt von stipendiis nicht
den stipendiaten12, sonder dem oeconomo, wer der
jederzeit sein wirdet, zuschicken, bei der buß, so
den uberfarern aufgelegt werden soll, so sie es an-
ders hielten und auch so sie seumig würden, und
söll der oeconomus dem stipendiaten sölch gelt von
zeiten zu zeiten geben, doch auf schrift seines ma-
Eltern ausbezahlt. Um jedoch eine Übersicht zu ha-
ben und die vorgefaflenen Schwierigkeiten weit-
gehend zu beseitigen, wurde das Amt des oecono-
mus universitatis eingerichtet, dieser Zeit war es
Johann Thenner, vgl. Gundlach, Zentralbehör-
den III, 267. Vgl. jedoch auch die Verordnung Phi-
lipps nach seiner Heimkehr aus der Gefangenschaft
vom 15. Juli 1554, daß ,,kein mit den Stipendien
zusammenhängender Bürgermeister, Pfarrer, Ka-
stenmeister und keine Gemeinde bei Strafe noch-
maliger Erlegung sich unterstehen dürfe, den Sti-
pendiaten oder deren Eltern das Stipendium auszu-
liefern, daß solches vielmehr an den Ökonomen
Kaspar Rudolphi einzuzahlen sei“, bei Herme-
link, 76. Kaspar Rudolphi war Stipendiatenepho-
rus, der das Geld gemeinsam mit dem oeconomus
universitatis (vgl. die Stipendiatenordnung von
1560), Hermann Paul, verwaltete; vgl. dazu Quel-
len III, 775.

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