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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0172
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Stipendiatenordnung 1546

[2] Und haben demnach, das zu forderung des
studii theologici bequem und gut seie, bedacht, daß
in den particularschulen unser furnembsten stedt
die vorsehung beschee, damit die knaben darinne
wol informirt und nicht also ungeschickt, wie bis-
hero gescheen, ad studia theologiae praesentirt und
mit guten stipendiis versehen, auch solche stipen-
dia nicht noch gunst, sondern nach kunst geschick-
ten, duglichen knaben conferirt und geliehen wer-
den, wie wir dann hiebevor deshalb ein sonderlich
stipendiatenordenung8 in druck ausgehen haben
lassen, welche wir hiemit nicht aufgehoben, son-
dern zu sterkung dieser unser ordenung confirmiret,
bestetiget und von menniglichen gehalten haben
wollen. Und ob wir zu zeiten uff eines ungestümes
ansuchen bewegt wurden, daß wir einem oder mehr
knaben stipendia verleihen wurden, so soll in dem
die maß und ordenung gehalten werden, daß sol-
cher stipendiat, der unsern bevelch und schrift
lbringen wirdet, durch den prefectum collegii theo-
sogici, davon nachvolgens weiter meldung be-
uchicht9, angenommen und examiniert werden soll,
dnd wo er alsdan unduglich erfunden, soll und mag
der prefectus denselbigen knaben wie ein andern un-
duglichen reiiciren.
[3] So nu die kunftigen theologi nach dieser und
voriger obgemelter unser ordenung legitime ge-
welet10 seind, so sollen dieselbigen alle dem pre-
fecto im kogelhaus11 oder collegio theologico und
nicht den andern magistris, wie bisher bescheen12,
8 Vgl. die Stipendiatenordnung vom 19. Februar 1542,
Abschn. 1.
9 Vgl. Abschn. 15.
10 Vgl. die Stipendiatenordnung von 1542, Abschn. 4
S. 145.
11 Das 1476 gestiftete Kugelhaus der Brüder des ge-
meinsamen Lebens (Fraterherrn) wurde 1527 als
Kloster für solche Mönche bestimmt, die das Kloster-
leben nicht aufgeben wollten. Durch die Donations-
urkunde von 1540 (Hildebrand Nr. VII S. 35; vgl.
Quellen II, 418) wurde es der Universität über-
geben und zur Wohnung der Stipendiaten bestimmt;
vgl. Dersch, Klosterbuch 113f.
12 Vgl. den Stiftungsbrief des Landgrafen, Hilde-
brand Nr. III S. 13.
13 = in der Bedeutung von ,,blöd“; vgl. J. und
W. Grimm, Deutsches Wörterbuch II, 194f.
14 Der Stiftungsbrief des Landgrafen bestimmt neben
der Errichtung der Universität auch die Gründung
des Paedagogiums (vgl. Hildebrand Nr. III S. 11)

commendirt und zugeschickt werden, auf daß er
solche auch examiniere und einem jeglichen sein
geburliche lectiones und ort, wie volgen wird, ver-
ordnete.
[4] Dieweil nun die stipendiaten, so ghen Mar-
purg jeder zeit geschickt werden, in der lehr und
dem verstande nicht gleich sein konnen, so soll der
prefectus einen delectum und underschied under
ihnen machen und einem iglichen solche lectiones
praescribieren, darin er formirt und geschickt ist,
damit die geringen und schwachen ingenia mit lec-
tionibus nit obruirt oder uberschuttet und also in
der blutt13 versteckt werden, welche doch, so man
sie den rechten weg furet, zu dinst der kirchen als
dorfpfarrer gebraucht werden mogen.
Welche nu etwas ungeschickt und ungelert erfun-
den werden, die soll der prefectus in das verordent
pedagogium14 weisen und schicken, da sie nicht
alleine die linguas und precepta grammatices, son-
der auch einen christlichen deutlichen lateinischen
catechismum15 (darinne mit eigentlichen worten
von christlicher lehr geredet werde, wilcher cate-
chismus auch das fundament unser christlichen
religion ist) lernen, fassen und begreifen sollen, dan
vil daran gelegen ist, wie einer von jugent auf ge-
wonet und geleret wirdet.
Es soll auch hinfurter keinem knaben ein stipen-
dium verliehen werden, er sei dan zum wenigsten
dermaßen informirt, daß er in dem pedagogio ad
secundam vel ad minus tertiam classem16 zugelas-
als Vorbereitungsanstalt zum Besuch der Universi-
tät; vgl. auch Chr. Koch 10ff. und Paulsen I,
227. 235.
15 Zu den Unterrichtsfächern des Mittelalters kam in
der Reformationszeit der Katechismusunterricht. Es
wurde vornämlich ein lateinischer Katechismus ge-
braucht (Paulsen I, 227. 281. 344), in Hessen neben
Luthers und Melanchthons Katechismen der Kas-
seler Katechismus von 1539 (Text Nr. 10 a) und der
Katechismus des Antonius Corvinus von 1537 bzw.
1539 (Reu I, 2, 2, S. 976ff.) - Die Einigung der
fürstlichen Brüder von 1568 bestimmt, daß in infe-
rioribus classibus der Kleine Katechismus Luthers
in maioribus classibus Melanchthons Loci communes
gelesen werden sollen; vgl. M. G. Schmidt 12.
16 Die Klasseneinteilung der Reformationszeit ent-
sprach im ganzen der des Mittelalters (Paulsen I, 23).
Für die Regelung innerhalb des hessischen Territori-
ums gewann der Unterricht der Visitatoren im Kurfür-
stentum zu Sachsen von 1528 mit seinem Abschnitt

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