Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0173
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Stipendiatenordnung 1546

sen und verordenet werden moge, wurden aber
etliche, die ihrer ungeschicklichkeit halben zu sol-
chen classibus nicht komen mochten, geschickt, die
soll der prefectus zu reiiciren macht haben bis und
so lang sie geschickt werden.
Es soll auch der prefectus alle wochen ein stund
oder zwo ungeverlich im pedagog repetiren, oder,
so er es nicht warten kunt, durch den convento-
rem17 mit allem vleiß anhalten lassen, daß der cate-
chismus wol und christlich geleret und die jungen
zu christlicher zucht und guten sitten angehalten
und das freie, wuste, wilde leben, wesen und wandel
ingezogen werden18.
[5] Wan dan der stipendiat seine elementa grama-
tices begriffen und aus dem pedagog in academiam
genomen werden soll, so darf er alsbalde nicht alle
theologos horen, seintemal ihme noch dialectica,
rhetorica, ethica, greca und hebrea lingua19 zu ler-
nen vonnotten ist, sonder soll nach ermessen des
prefecten einen oder zween theologos, sonderlich
den, welcher locos communes Philippi oder einen
andern authoren, der den anfengern nutz ist, lieset
und interpretiret20, horen, damit die ingenia im an-
fang nicht uberladen und abgeschreckt werden. So
soll auch der prefectus solchen stipendiaten einen
privatum preceptorem21 verordenen.
[6] Hiebei will vonnotten sein, daß man der in-
genien underscheid mache, dan wie einer dem an-
dern im angesicht ungleich, also seind sie auch im
verstand weit voneinander, und darumb seind die
stipendiaten in drei teil zu underscheiden.
über die Schulen (vgl. Melanchthons Werke, ed. R.
Stupperich I, 265ff.) Bedeutung. Die Schüler wur-
den in drei Abteilungen geteilt, die classes genannt
wurden (im „Unterricht“ als ,haufen‘ bezeichnet). Je
nach der Begabung und der Anzahl der Schüler wur-
den die einzelnen Abteilungen noch unterteilt. Stoff
ist in allen drei Stufen vornehmlich das Lateinische
(vgl. Stupperich a. a. O. 271). Die zweite Abtei-
lung (vgl. Stupperich a. a. O. 268f.) lernte Gram-
matik, Prosodie und Metrik (Lesestücke: Aesops Fa-
beln, die Paedologia des Mosellanus, Terentius, Plau-
tus, die colloquia des Erasmus). Die dritte Abteilung
(vgl. Stupperich a. a. O. 271) beschäftigte sich mit
Dialektik und Rhetorik; Lesestoff: Virgil, Ovids
Metamorphosen, Cicero De officiis oder seine Epi-
stolae. Zum ganzen vgl. Paulsen I, 279f.
17 = ephorus, vgl. S. 159.
18 Vgl. die Stipendiatenordnung von 1542, Abschn. 12
S. 146.

Ein teil seind von natur ad artes politiores, ma-
themata, poeticen, physica und dergleichen ge-
boren, und vil geschickter zur schulen dan zu kir-
chendiensten. Dieselbigen, dieweil wir viel schulen
zu versehen haben, soll der prefectus under dem
preceptore privato lassen bis und so lang sie gra-
dum magisterii bekomen, doch sollen sie den pre-
fectum als ihren obersten erkennen. Nachdem aber
derselbigen wenig erfunden werden, die also vor
andern schulen zu regiren duchtig, so soll derwegen
der prefectus achtung darauf haben, daß man der
jugent den zaum nicht zu lang lasse, dan sonst ein
jeder ad studia miscellanea aspiriren und allerlei
seinem lusten nach, wie itzo viel geschicht, zu ler-
nen sich understehen, und also das predigamt und
kirchendienst fliehen wurde. Die andern aber, wel-
che etwas tardioris ingenii und unverstendiger we-
ren, soll man etwas lenger im pedagog und, nach-
dem sie aus dem pedagog komen, under den pri-
vatis preceptoribus lassen, damit sie nicht zu frue
abgeschreckt und verderbt werden, sonder die spra-
chen dester baß begreifen mogen, aber dieselbig
zeit und lectiones, die er under dem preceptore sein
und horen soll, wirdet ihm der prefectus noch sei-
ner bescheidenheit zu verordenen wissen.
Die dritten aber seind die ingeniosiores und
scharfsinnigsten, welche, wan sie aus dem pedagog
komen, sollen sie in dem ersten jar einen oder zwen
theologos horen und die obgemelte artes lernen,
darnach aber sollen sie zwei oder drei jar all lec-
tiones theologicas horen und baccalaureandi theo-
19 Im Unterschied zur Schulordnung des Mansfelder
Territoriums (vgl. P. L. Hofmann, Der älteste bis
jetzt bekannte Lehrplan für eine deutsche Schule,
1865, beschränkte sich der Unterricht der Visitatoren
hinsichtlich der fremdsprachlichen Ausbildung auf
den Schulen allein auf das Lateinische. Das Grie-
chische und Hebräische wurde den Universitäten vor-
behalten, vgl. auch Paulsen I, 279.
20 Dem Unterricht in den Wissenschaften dienten nun,
neben den Schriften der Alten, eine Anzahl neuer
Lehrbücher, vor allem Melanchthons Loci commu-
nes. Daneben wurde in Marburg etwa benutzt: Eoba-
nus, Psalterium universum carmine elegacio reddi-
tum atque explicatum, ac nuper in schola Marpur-
gensi aeditum, 1537 (Dommer 72. 106); vgl. Paul-
sen I, 346. 343.
21 Schon die Statuten der Universität bestimmen die
Einrichtung des Praeceptorenamtes, vgl. Hilde-
brand IV, 7 S. 23.

157
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften