Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0177
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Marburger Kirchenordnung 1557

[15.] Ordenung Christlicher Lehre vnd Zuchtt
15571

Dieweil kein höcher und heiliger ampt uf erden
ist dann das heilige ministerium ecclesiasticum,
ists billich und recht, daß es von jedermann in ge-
burlichen ehren gehalten werde. Denn der got-
lichen ewigen maiestet wesen und wille allein durch
dies ampt erkennet wurdet.
Darumb sollen alle menschen solchem predig-
ampt mit allem gehorsam und ehrerbietung sich
unterwerfen und aus dem wort und predigampt
eine reine und völlige summa christlicher lehr fas-
sen, dieselbige auch uber die profession, die allein
nit gnug ist, mit unstrefflichem wandel zieren und
beweisen. Daruf gewißlich folgen wurd das ende
des glaubens, der seelen seligkeit [1. Petr 1, 9], wie
geschrieben stehet [1. Sam 2, 30]: Wer mich ehret,
den will ich wieder ehren etc.
Solches hat der loblich und teure furst, der Land-
grave zue Hessen etc., christlichen bedacht und
uns, seinen f. g. superintendenten und predicanten,
zue mehr malen gnediglichen bepholen, die christ-
liche ordenung, so zue ufbauung der gemeinen kir-
chen zuvor gestellet worden ist2, zue halten und
in gang zue brengen3, mit gnediger vertröstung
und zuesage geburlicher furstlicher handhabungen,
soviel des seinen f. g. zuestee und gebure4.
Und seind diese die capita und artikel vorbedach-
ter ordnung5, wie hie folget:
[1] Zum ersten soll die ganze kirche an allen orten
zue gewonlicher zeit zusammen kommen, Gottes
wort zue hören, die hochwirdigen sacramenta zu
a alii examini ?
1 Handschriftl. Original: StA Marburg 22a 1 Pak. 3.
Abdrucke: Richter II, 503ff.; - Quellen III, 825.
Druckvorlage: Original.
Die Ordnung selbst ist undatiert; gleichzeitiger Ver-
merk: Marpurgische kirchenordenunge, anno 57
uberschickt (Quellen III, 825). Sie ist entscheidend
von Adam Krafft mit verfaßt (vgl. auch die Unter-
schriften S. 165). Über die Marburger Gottesdienst-
formen hatte Adam Krafft am 11. Okt. 1548, im Zu-
sammenhang mit der Durchführung des Interim, Be-
richt an den Hof gegeben, vgl. Herrmann 179ff.;
Quellen III, 657 B.
Zu Fragen der Einleitung vgl. S. 23 f.

prauchen, wie solches der Sohn Gottes geleret, in-
gesetzt und bepholen hat [vgl. Mt 28, 19f.; 1. K 11,
23-26], daselbst Gott den Vater im namen Jhesu
Christi vor alle seine herliche und manigfaltige
gaben und woltaten danken, umb alle geistliche und
leibliche noturft bitten und ihre milte almusen vor
dir armen bruder und schwestern selbst willig und
ungetrungen mitbrengen, wie solches allen wahren
christen und lebendigen geliedmaßen der kirchen
geburt und wol anstehet.
In der gemein sollen keine trennung, spaltung,
secten oder rotten sein noch geduldet, sondern die
einigkeit des Geists soll allwege durch das band des
frieds fest und unzertrennlich gehalten werden.
Es sollen auch alle ding erbarlich, ordentlich und
zuchtig in der gemeine, als vor Gottes und aller
engel angesicht, geubt und gehandelt werden, iuxta
apostolum [1. Iv 14, 40].
[2] Dieses alles also zue fordern und in schwang
mit Gottes hulf und gnaden zu brengen, sollen die
gelertesten und gotseligsten menner, so man haben
mag, zum predigampt erwehlet und in die kirchen
hin und wieder nach der regel des heiligen Pauli
[1. Tim 3, 1 ff.; Tit 1, 7ff.] gesand werden, und kei-
ner sich selbst indringender gelieden oder zue-
gelassen werden.
Wer aber das predigampt begeret und von colla-
toribus vocirt worden ist, sol den superintenden-
tibus sich mit gepurlichen zeugnus praesentiren
und aleae examinis [sic!]asich subjiciren.

2 Vgl. die Ziegenhainer Zuchtordnung von 1539, Text
Nr. 9.
3 Vgl. landgräfliches Ausschreiben an die Superinten-
denten, 1. Juni 1542 (Quellen II, 446); die Ver-
handlungen des Landgrafen mit den Superintenden-
ten, April 1543 (Quellen II, 476) und landgräfliche
Mahnung an alle Superintendenten, 15. Januar 1546
(Quellen II, 548).
4 Vgl. die Verhandlungen des Landgrafen mit den
Superintendenten April 1543, Quellen II, 476 A
Abschn. 5.
5 Zu den einzelnen Abschnitten vgl. den (oben Anm. 1
genannten) Bericht Adam Kraffts.

11 Sehling, Bd. VIII, Hessen I

161
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften