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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0180
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Marburger Kirchenordnung 1557

es ist. Und soll also gehalten werden, wie in der
agenda vorgeschrieben ist16. Nemo admittatur ad
coenam, nisi prius exploratus. Criminosi arceantur.
[7] Mit der letanei oder betagen soll man sich
halten nach anzeige der agenda17.
[8] Das sacrament der heiligen taufe soll, wie in
der agenda18 stehet, geben werden.
Der vater des kinds sol sich dem pfarhern er-
zeigen, seinem kinde umb die taufe bitten, christ-
liche gefattern, die zuelesslich sein, zur taufe
bringen19, unordenung zu verhueten.
Denn die, so in lastern stecken, darumb sie
zue bannen weren20, kann kein pfarherr zue-
lassen.
[9] Dieweil aber ein mann kein mann (wie die
teutschen sagen21) und ein pfarherr alles, so in
christlicher gemein notig ist zue bessern, wiessen
nicht kann, muß man etzliche seniores22 haben, die
do seien oculi episcoporum.
Und solche sollen aus der gemeinde gekorn wer-
den nach der lehren des heiligen Pauli [1. Tim
3, 1 ff.; Tit 1, 7ff.] und der Ziegenhainischen ord-
nunge, die da ernste, eifrige, aufrichtige und geist-
reiche menner seien, daß sie in ihrem dienst und
im haus Gottes ein ansehens und autoritet haben.
Und sollen gleich wie die diener des worts mit
vorgehender predigt in anrufung des heiligen Geists
und uflegung der hende der gemeine denunciirt und
in ihr ampt gesetzt werden23, und die gemein ernst-

16 Vgl. die Sächsische Agenda, Sehling I, 271.
17 Vgl. a. a. O. 272 f.
18 Vgl. a. a. O. 266 f.
19 Vgl. die Kasseler Kirchenordnung von 1539 Abschn.
4 (S. 115f).
20 Die Leute, die zu bannen sind: Ziegenhainer Zucht-
ordnung 1539 Abschn. 4 (S. 107) und Kasseler Kir-
chenordnung 1539 Anm. k (S. 122f.).
21 In der Form „Einer ist keiner“ in: K. F. W. Wan-
der, Deutsches Sprichwörter-Lexikon I, 1867 S. 784
Nr. 44; vgl. auch a. a. O. Nr. 45.
22 Vgl. Ziegenhainer Zuchtordnung, Abschn. 2 (S. 102f.)
und das landgräfliche Ausschreiben an die Super-
intendenten vom 11. Juni 1542, HLO I, 125f. und
Quellen II, 446 Abschn. 2.
23 Vgl. Kasseler Kirchenordnung, Abschn. 9 (S. 127)
und Anm. n (S. 127).
24 Ziegenhainer Zuchtordnung, Text Nr. 9.
25 Vgl. die Kirchenzuchtordnung von 1543, Abschn. 4
(S. 151).
26 Vgl. die Visitationsordnung 1537, Abschn. 5 (S. 84).

lich ermanet werden, sie zue hören, zue ehren und
ihnen zue gehorchen.
Was derselbigen ampt, dienst und bephelch sei,
ist in der Ziegenheinischen ordenung fein ordenlich
begriefen, daraus sich die eltisten zue richten
haben24.
[10] Es sollen auch die amptleute, daß der kirch-
gang zur gebürlicher zeit und sonderlich uf die fest
Christi, sontag und bettage von niemands frevent-
lich verseumet werden, mit ernst wehren25.
Auch allen gebranten und andern wein, kremerei
und alles, was das volk ufhalten mag, unter der
predig zu verkeufen verbieten26.
Auch uf dem markt oder anders wohe sitzen oder
steen oder spazieren unter der predigt niemand ge-
statten27, bei vermeidung des zorn Gottes und
furstlicher ungnade.
[11] Die ehe solle ehrlich gehalten werden von
jedermann, kein verbotene vermischung geduldet
oder gestattet werden keinem menschen28.
Die kinder sol man zue guten kunsten oder hand-
werken bringen und, nachdem sie gelernet, daß sie
sich mit Gottes hulf erneren kunnen, zum ehestand
fordern, uf daß durch der jungen hurerei land und
leute nicht gestrafft werden.
Die kinder sollen die eltern ehren, ihnen gehor-
sam sein und mit derselbigen oder derer, so an der
eltern stadt seind, rat und wiessen den ehestand
anfangen29.
27 Vgl. Kastenordnung 1530, Abschn. 26 (S. 70), Visi-
tationsordnung 1537, Abschn. 3 (S. 83), das land-
gräfliche Ausschreiben vom25. Februar 1546, Quel-
len IV, 131 und Kirchenzuchtordnung 1543, Ab-
schnitt 4 (S. 151).
28 Vgl. die Kirchenzuchtordnung von 1543 Abschn. 3
S. 151. Am 30. Oktober 1556 stellen die Statthalter
und Räte zu Kassel in einem Schreiben an den Land-
grafen die Notwendigkeit einer Eheordnung fest
(Quellen III, 809). Noch der Synodalabschied der
Kasseler Synode vom Mai 1556 bestimmte, daß man,
da eine Eheordnung für das hessische Territorium
fehlt, nach Bullingers Büchlein, Der christliche Ehe-
stand 1540, die verbotenen gradus anzeigen solle
(Quellen III, 802, S. 239).
29 Vgl. die Reformationsordnung von 1526, Abschn. 12
(S. 40); ferner auch Luther, Von Ehesachen 1530,
WA 30 III, 207. Zur Frage der Rechtsgemäßheit der
heimlichen Ehen bei Gratian vgl. W. Plöchl, Das
Eherecht des Magisters Gratianus, Wiener Staats-
und Rechtswissenschaftl. Studien 24, 1935, S. 46 ff.

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