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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0187
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Stipendiatenordnung 1560

sie auch. nicht zu fressen, saufen, unzucht, müßig-
gang oder sonst zu etwas anders sich gewenen oder
begeben, dadurch ihre studia und lectiones negli-
girt oder verseumpt werden möchten, sonder daß
sie denselben mit allem ernst und fleiß obwarten,
auch sich in lateinischer sprach und freien künsten
mit reden, schreiben declamirn, disputirn und sonst
jederzeit üben und gehrauchen.
Darheneben sollen auch die fünfzig minores un-
der die zehen maiores, darvon hierunder ferner ge-
meldet wird24, oder so viel deren jederzeit bei un-
serer universitet residirn, dermaßen distribuirt und
ausgeteilt werden, daß ein jeder maior der mino-
rum zum wenigsten fünf zu sich in disciplinam pri-
vatam neme, mit denselben ihre gehörte lectiones
des tages ein stunde repetire, sie in loquendo et
scribendo exercire und beneben dem ephoro son-
derlich darauf sehe, daß sie für und für lateinisch
reden und durch diese übung die lateinische sprach
perfect lernen, sie auch zu den publicis disputatio-
nibus ac declamationibus25 mit fleiß anhalte und
also ein sondere aufachtung habe, daß sie beid in
studiis et moribus wolzunemen, auch er, der maior,
als der privatus praeceptor von ihrem studieren,
leben und wandel jederzeit rede und antwort ge-
ben könte, welches er nicht allein zu tun schuldig,
sondern auch ihren unfleiß, büberei und zum stu-
diren ungeschicklicheit, so bald er die vermerken
würde, so wol als der ephorus dem rectori, decano
und examinatoribus anzuzeigen und zu vermelden
pflichtig sein soll, darmit von denselben bei zeit ein
billiches einsähens nach ausweisung dieser unserer
ordenung beschehen mög.
Und im fall sie der rector, decanus und exami-
natores hierzu nichts tun noch gebürlich einsehens
haben wolten, so soll es jederzeit durch den epho-
rum an uns in schriften gbracht werden, wöllen
wir ein solche versehung tun, daß solche ungehor-
same stipendiaten zu gebürlichem gehorsam ge-
bracht auch dieser unserer ordnung gelebt werde.
Welche nun im studieren sondern fleiß anwen-

24 Vgl. Abschn. 5.
25 Die obligatorische Einführung von Deklamationen
und Disputationen im Unterricht der protestanti-
schen Hochschulen geht auf Melanchthon zurück. In
der Dedikationsepistel zu seiner Rhetorik hatte er

den, ihre gradus baccalaureatus und magisterii er-
langen und sich dieser unserer ordenung gemeß ver-
halten werden, dieselben wöllen wir regulariter sie-
ben jar lang bei ihrem stipendio bleiben lassen.
Wann aber diese zeit umb ist, da dann rector, de-
canus, examinatores und ephorus ihren fleiß und
geschicklicheit bevor andern vermerken und spü-
ren würden, soll bei ihrer bescheidenheit und gut-
achten stehen, mit denselben noch ein zeitlang zu
dispensiren und ihnen das stipendium auf ein jar,
zwei oder drei nach gelegenheit zu prorogiren und
solchs alsdann der statt, daher derselbe stipendiat,
dem das stipendium prorogirt worden, bürtig ist,
in schriften vermelden, damit sie sich der praesen-
tation halber darnach zu richten wissen.
Und damit auf diese minores desto fleißiger auf-
sehens beid, von dem ephoro insgemein und von
den maioribus insonderheit als auf ihre geordente
discipel, gesehen und sie also allenthalben in dester
besserer disciplin gehalten werden mögen, so sollen
sie allesampt die lectiones publicas in academia
hören, beneben dem ephoro und den maioribus ihre
habitationes und wohnungen im collegio26 haben.
[5] Von den maioribus, welcher geschick-
licheit sie sein und durch wen sie prae-
sentirt werden sollen.
Wann die minores gradum magisterii erreicht
und ihre jar und studia laut dieser unserer ordnung
complirt haben, sollen sie alsdann eins teils nach
ermessen und gutachten rectoris, decani, examina-
torum und ephori zu schulmeistern hin und wider
in unserm lande gebraucht, die überigen aber, so
vor andern gelehrt, fromm, erbar und eines für-
trefflichen ingenii befunden, auch die allbereit ein
zimblich gut fundament in theologia gelegt, und
die nicht zu gar junge gesellen, sondern judicii fir-
mioris seind und zum wenigsten drei jar zuvor lec-
tiones theologicas gehört haben, von denen nun
mehr etwas guts zu verhoffen ist, daß sie mit der
zeit der kirchen Christi und gemeinem nutzen mit
(1519; CR I, 63) diese Übungen mit dem Hinweis auf
das Beispiel der Alten empfohlen; vgl. Paulsen I,
121. 223.
26 Gemeint ist das Collegium Pomerii, vgl. Stipen-
diatenordnung 1546, Anm. 28, S. 159.

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