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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0196
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Kirchenordnung 1566

stücken der kirchenzucht, darinnen bei ihnen un-
ordnung eingerissen war, gnugsamen bericht getan
hat, schleust die ganze sache mit diesen worten:
παντα ευσχημονως χαι χατα ταζιν γινεσυω lasset
alles ehrlich und ordentlich zugehen [1. K 14, 40],
und gibt also ein gemeine regel, nach welcher alle
handlungen der eußerlichen administration der
kirchen und des ganzen ampts unsers Herrn Jhesu
Christi gerichtet und angestellet werden sollen. Er
erfordert erstlich ευσχημοσυνην, welches die grie-
chen mit einem andern namen το πρπον und die
latini decorum nennen, wird von etlichen züchtig-
keit, von etlichen erbarkeit verdeutschet und ge-
schicht, wenn gute achtung zugleich auf die per-
sonen,so etwas tun und handeln,und auf die sachen,
welche gehandlet und verrichtet werden sollen,
und, nach dem es beiden ziemet und wol anstehet,
alles fürgenommen und volnbracht wird. Denn es
will sich ja nicht gebüren, daß einem jeglichen ohn
underscheid ein jedes werk und ampt befohlen und
vertrauet werde und daß man zu allerlei hendeln
gleiche weise und geberde gebrauchen wolt. Was
einem alten, betagten und verstendigen mann zu-
gehöret, würde einem jungen kinde oder sonst einem
jungen unverstendigen menschen ubel anstehen, so
er sich dessen undernemen wolt. Ein seltzam an-
sehens würde es haben, wenn ein weib die sachen,
so den mennern gebüren, in gemeiner versamlung
zu verwalten untersttinde, oder in einem habit oder
kleidung, so viel besser einer mannspersonen an-
stünde, sich sehen und schauen ließe. Es würde sich
ubel reimen, daß man mit reden, singen, geberden,
allerlei worten und werken in der kirchen, da der
Herr Christus und die liebe engeln gegenwertig
seind, so frech und leichtfertig sich halten und stel-
len wolt, als wenn man irgends in einer zech, beim
tanz, oder bei einem affen- und faßnachtsspiel were.
Daher denn auch der apostel den Corinthern nicht
gestatten wolt, daß die menner mit bedecktem, die
weiber aber mit entblößtem heupt beten oderweis-
sagen solten, 1. Cor. 11 [4f.], wie er auch den wei-
bern in gemeiner versamlung zu reden oder zu
leren verbeut, 1. Cor. 14 [34], und ganz heftig und

9 Theodoretus, Hist. eccl. 5, 18; MPG 82, 1236f.; GCS
19, 312f. Zur Tradition: Bucer, De Regno Christi

ernstlich als christlicher zucht und erbarkeit un-
gemeß strafet, daß keiner, wenn sie das abentmal
halten solten, des andern erwartet, sondern ein
jeder sein eigenes vorhinneme: Und einer war hun-
gerig, der ander war trunken, verachteten also die
gemein Gottes und beschemeten die, so da nichts
hatten, 1. Cor. 11 [21f.].
Der fromme und treue bischof zu Meyland, Am-
brosius, kunte nicht leiden, daß der Keiser Theodo-
sius, nachdem er offentliche buße getan hat für der
gemeine und itzund das nachtmal des Herrn genie-
ßen wolt an dem ort, welcher allein den priestern
und kirchendienern deputirt und zugeignet ware,
stehen bliebe, sondern, wie er nicht gescheuet hat,
ihnen für der offentlichen versamlung der christen
umb seiner ergerlichen mißhandlung willen aus-
zuschließen, also ließe er ihm auch künlich under-
sagen, ihm als einer weltlichen personen wolt under
den geistlichen zu stehen nicht gebüren: Purpura
enim imperatorem (inquit) non sacerdotem facit.
Der Keiser, wie er ihm in der andern billichen kir-
chenstraf und züchtigung mit schüldiger demütig-
keit und ehrerbietung gegen das ampt des Herrn
Jesu Christi gefolget hatte, also gehorcht er ihm
auch in diesem teil, wiewol er zu Constantinopel
under den clericis zu stehen gewonet war, welchs
er denn nach dieser vermanung auch hinforter
underließe; Theodoret, lib. 5 cap. 189; Nicephorus,
lib. 12 cap.4110. Damit zugleich der bischof, der
solche erinnerung tut, und der Keiser, so dieser
vermanung volget, zu verstehen geben, es solt in
christlichen versamlungen ein solch decorum und
wolstand gehalten werden, daß auch ein jeder nach
gelegenheit seines berufs und ampts, so er entweder
im kirchen oder welt regiment füret, seinen eignen
gebürlichen ort und stand haben und behalten solt.
Denn obwol bei Gott, so viel unser seligkeit be-
langet, kein ansehens der personen ist und im geist-
lichen reich des Herren Christi kein jude noch griech
ist, kein knecht noch freier, kein mann noch weib,
sondern wir seind allzumal einer in Christo Jhesu,
Gal. 3 [28], jedoch gefelt es Gott, daß in der eußer-
lichen regierung und gemeinschaft der kirchen
1, 2; OL 15, 15.
10 Nicephorus, Hist. eccl. 12, 41; MPG 146, 890f.

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