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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0205
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Kirchenordnung 1566

anrichten und ordiniren, daß sie Gott dem Vatter
gefallen möchte. Es sind darnach under demsel-
bigen Christo (welcher warer Gott und mensch ist)
andere diener auf erden gesetzt, welche der heilige
Geist nennet Gottes mitarbeiter [1. K 3, 9], diener
Christi [Rm 15, 16; 1. K 4, 1;2. Kll, 23;Koll, 7;
1. Tim 4, 6] und haushalter über Gottes geheimnis
[1. K 4, 1]. Diese sind nach derer aposteln lehr, so
in der heiligen schrift verfasset, in der kirchen Got-
tes (nachdem die warheit des evangelii durch Chri-
stum und seine aposteln offenbaret) hoch von-
nöten.
(a. R.: Welche ämpter Gott im neuwen testa-
ment in der kirchen angerichtet.)
(1) Die ersten werden genennt episcopi, welche
(wie D. Hieronymus in epist. ad Euagrium25, Augu-
stinus de Civitate Dei lib. 19 cap. 1926 und über
den 126. Psalm27 schreiben) auf lateinisch recht
und wol supermtendentes28, das ist aufseher
(Actor. 20, 28; 1. Tim. 3,1) nach unserem teut-
schen können genennet werden.
(2) Die andern werden genennt presbyteri oder
seniores29, welcher zweierlei die schrift anzeiget.
Etliche arbeiten im wort oder lehre und austei-
lung derer heiligen sacrament, welche man sonst
hirten und doctores, das ist lehrer, nennen mag
(1. Cor. 12, 28; Ephes. 4, 11). Denen andern aber
stehet zu fleißiges aufsähens, daß alles, so die re-
gierung der kirchen belangt, treulich versähen wer-
de (Actor. 14, 23; 15, 4; 21,18).
(3) Die dritten sind die diacon. Durch diese wird
aller dienst in der gemeine Gottes und so viel müg-
lich nach dem befehl Christi und derer heiligen
aposteln bei uns verhandlet (Tit. 1,5; Actor. 6,1-6;
7, 54-59; 1.Timot. 3,12). Derhalben wöllen wir von

25 Hieronymus, ep. 146; MPL 22, 1192f.; CSEL 56,
308. Zur gleichen Tradition: Gratian, Dist. 93 can.
24; Friedberg 327; Calvin, Institutio IV, 4, 2 ed.
Niesel 5, 59. Während die alte Tradition unter Ein-
schluß des Gratian ,Euangelus‘ liest, beziehen sich
Calvin und die KO wahrscheinlich auf die Hierony-
mus-Ausgabe des Erasmus (1516, 2. Ausg. 1553 Ba-
sel) 2, 329f., der, historisch richtig, ,Euagrius‘ be-
zeugt.
26 Augustinus, De Civ. Dei 19, 19; MPL 41, 647 ; CSEL
40, II, 406. Zur Tradition: Gratian, C. 8 qu. 1
can. 11; Friedberg 593f.

derselbigen beruff, erwehlung, ordination und
ihrem ganzen ampt ördentlich sagen.
Von beruff, erwehlung und ordination
derer bischoff oder superintendenten
Welche in der kirchen Gottes nutz schaffen und
etwas fruchtbarlichs ausrichten wöllen, die müssen
von Gott selbs zuvor beruffen und tüchtig gemacht
werden. Welche aber durch gewisse anzeigunge, zu-
voraus aber von sonderlichen gaben (damit Gott
etliche für andern pflegt zu begnadigen) erfunden
werden, dieselbigen söllen darnach von denen jeni-
gen, welchen das kirchenampt zu bestellen befoh-
len, von Gotts wegen beruffen, erwehlet und ordi-
niret werden.
So viel nun den beruff und erwehlung derer
superintendenten belangt, ist zu wissen, daß dies
ganz fürstentumb in sechs zirk30 (wie mans nennt)
geteilet und uber einen iglichen zirk ein sonder-
licher superintendens gesetzt, welchen alle kirchen
im ganzen fürstentumb Hessen mit geschickten
predigern zu versehen und uf alle kirchen ein flei-
ßiges ufsehens zu haben, ernstlich befolhen ist:
einer zu Marpurg, der ander zu Cassel, der dritte
zu Rotenburg, der vierde zu Alßfeldt, der fünfte
zu Gerau, der sechste zu S. Goar. Einem iglichen
under diesen seind etliche anzal kirchen befolhen,
damit alles in denselbigen rechtschaffen und ordent-
lich zugehe, und under diesen hat keiner mehr ge-
walt dann der ander, werden in gleichen ehren ge-
halten (Mat. 20,1-16; Lu. 22, 24-30). Doch welcher
am meisten von Gott begnadiget und in seinem
ampt vor andern treue und fleißig ist, dem wird
von den andern willig und gerne alle ehre erzeiget.
27 Augustinus, Enarr. in Ps. 126, 3; MPL 37, 1669.
28 Zur Lehre vom dreifachen bzw. vierfachen Amt vgl.
J. Bohatec, Calvins Lehre von Staat und Kirche,
1937. Zum Superintendentenamt, das vor allem bei
Johannes a Lasco ausgebaut ist, vgl. seine Forma
ac ratio; ed. A. Kuyper, Joannis a Lasco, Opera
2, 1866, S. 52. 57 ff.
29 Vgl. nehen den hess. Traditionen, vor allem der Zie-
genhainer Zuchtordnung 1539 (Text Nr. 9),Johannes
a Lasco, Forma ac ratio, Kuyper 2, 55f. ■
30 Vgl. die Kirchendienerordnung von 1531, Text Nr. 4
S. 71 ff.

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