Kirchenordnung 1566
tumbs einen erwehlen und, so bald derselbige ordi-
nirt, soll er seine kirche, da er zuvor residirt, mit
einem andern geschickten diener versehen und bei
der kirchen, darüber er zu einem superintendenten
verordnet, seine wonung haben. Es sollen weiter
die pfarherren in denen stedten solchs alles fleißig
zu wissen tun den andern predigern auf den dör-
fern, ein jetzlicher denen, so in der nehe gesessen
sind; dieweil on das die superintendenten denen
pfarherrn in den stedten bevohlen, ein fleißiges auf-
sehens zu haben auf die kirchen in denen dörfern,
so ihnen nahe gelegen, damit die pfarherrn, so auf
den dörfern alda umbher wonen, zu denselbigen
in stetten eine zuflucht haben und rat fragen kön-
nen, so etwas vorfallen würde, darzu sie ihres rats
bedörfen. Es sollen sich auch die pastores auf dem
lande, so es die notturft erfordert, von diesen ver-
manen lassen, wenn sie in ihrem ampt nachlessig
erfunden, und zur zeit der visitation soll der super-
intendens die pfarherren in stedten vornemlich
fragen und verhören vom wandel und leben der
pastorn in den nechsten dörfern. Zuletzt, so ein
schwere sach furfallen würde, der sie nicht abhelfen
können, sollen die pfarherrn solche beizeit an den
superintendenten oder künftigen synodum gelangen
lassen, damit den kirchen und deren selbigen die-
nern wol vorgestanden werde. Und können diese
pfarherrn in den stedten, so viel dies ampt betrifft,
40 Der in der Ostkirche schon früh auftretende Chor-
episcopus ist hn Westen erst seit dem 8.Jh. ver-
treten, wahrscheinlich jedoch ohne eine Verbindung
zu der ostkirchlichen Institution. Im Westen hat die
Entstehung des Chorepiskopats die Herausbildung
der Diözesanverfassung zur Voraussetzung.Der Chor-
episcopus ist geweihter Bischof ohne den bischöf-
lichen Titel. Er kann nur die niederen Weihen ertei-
len. Während im 9. Jh. der Episkopat im ganzen
zurücktritt, besteht er im Bistum Mainz noch bis
in das 16. Jh. hinein. An seine Stelle tritt der Archi-
diakonus. Die Bezeichnung „Chorepiscopus“ ist je-
doch trotz Verschwinden der Institution noch län-
gere Zeit erhalten geblieben (etwa Bucer, De Regno
Christi 1, 12; OL 15, 129); vgl. P. Hinschius, Das
Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in
Deutschland2, 1878, S. 162ff.;R. Schröder, Lehr-
buch der deutschen Rechtsgeschichte 1,1919, S.153.
636; R. Sohm, Kirchenrecht 2, 1923, S. 296ff.;
H. E. Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte 1, 1954,
S. 40. 90. 177. 181.
recht verglichen werden mit denen, welche man
vorzeiten genannt hat chorepiscopos40 (von wel-
chen Concilii Ancyrani c. 1241; C. Neocaesariensis
c. 1342) und vor etlichen jaren decanirurales43 seind
genant worden.
Daß es aber bei den eltesten oder pharherrn der
kirchen vorzeiten gestanden sei, einen superinten-
denten zu erwehlen aus ihrem orden, bezeugt klar
der heilige Hieronymus in epistola ad Euagrium
uber die auslegunge des ersten cap. ad Titum 44. Aus
der ursach behalten wir auch denselbigen brauch
in unseren kirchen.
(1) Der synodus wird also gehalten: Die super-
intendenten und pfarherrn, so beieinander ver-
samlet, gehen den morgen zu gewonlicher zeit in
die kirche, hören die predige und tun ihr gebet
sampt der ganzen gemein zu Gott vor allerlei not-
turft der kirchen.
(2) Wan dies alles vollendet, so gehen die zween
superintendenten sampt allen pfarherrn, dieweil
die gemein noch beieinander ist, an den ort, da die
diener der kirchen ihre gewonliche stette haben,
und, nachdem sie sich gesetzt, dankt der ein super-
intendens der ganzen versamlung, daß sie so willig
und gehorsamlich auf ihre erforderung von wegen
unsers g. f. und herrn erschienen. Zum andern er-
zelt er kurzlich die ursach, warumb sie zum synodo
beruffen.
41 Conc. Ancyranum can. 13; Mansi 2, 518. Zur Tra-
dition: Rhabanus Maurus, De Chorepiscopis; MPL
110, 1198 (ebenfalls als can. 12 zitiert) und Calvin
IV, 4, 2; Niesel 5,59; Bucer, De Regno Christi
I, 12; OL 15, 129.
42 Conc. Neocaes. can. 14; Mansi 2, 541. Zur Tradi-
tion: Gratian, Dist. 95 can. 12; Friedberg 335
(ebenfalls als can. 13 zitiert); Calvin IV, 4, 2; Nie-
sel 5, 59.
43 Seit der zweiten Hälfte des 9. Jh. entwickelte sich
ein (jüngeres) Landarchipresbyterat, das seit dem
11. Jh. überwiegend als Dekanat bezeichnet wird.
Der Landdekan wurde vom Bischof aus den Pfar-
rern meist zeitlebens bestellt. Er sammelte die Pfar-
rer seines Dekanats zu regelmäßigen Ruralkapiteln.
Im 16. Jh. gewannen die Landdekane — durch die
Belastung der Archidiakone — allmählich an Bedeu-
tung. Vgl. P. Hinschius, Kirchenrecht 2, 269ff.;
Feine, Kirchl. Rechtsgeschichte 1, 378. 476.
44 Hieronymus, ep. 146, 1; MPL 22, 1192; CSEL 56,
310. Zur Tradition: Gratian, Dist. 93 can. 24; Fried-
berg 328; Calvin IV, 4, 2; Niesel 5,59.
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tumbs einen erwehlen und, so bald derselbige ordi-
nirt, soll er seine kirche, da er zuvor residirt, mit
einem andern geschickten diener versehen und bei
der kirchen, darüber er zu einem superintendenten
verordnet, seine wonung haben. Es sollen weiter
die pfarherren in denen stedten solchs alles fleißig
zu wissen tun den andern predigern auf den dör-
fern, ein jetzlicher denen, so in der nehe gesessen
sind; dieweil on das die superintendenten denen
pfarherrn in den stedten bevohlen, ein fleißiges auf-
sehens zu haben auf die kirchen in denen dörfern,
so ihnen nahe gelegen, damit die pfarherrn, so auf
den dörfern alda umbher wonen, zu denselbigen
in stetten eine zuflucht haben und rat fragen kön-
nen, so etwas vorfallen würde, darzu sie ihres rats
bedörfen. Es sollen sich auch die pastores auf dem
lande, so es die notturft erfordert, von diesen ver-
manen lassen, wenn sie in ihrem ampt nachlessig
erfunden, und zur zeit der visitation soll der super-
intendens die pfarherren in stedten vornemlich
fragen und verhören vom wandel und leben der
pastorn in den nechsten dörfern. Zuletzt, so ein
schwere sach furfallen würde, der sie nicht abhelfen
können, sollen die pfarherrn solche beizeit an den
superintendenten oder künftigen synodum gelangen
lassen, damit den kirchen und deren selbigen die-
nern wol vorgestanden werde. Und können diese
pfarherrn in den stedten, so viel dies ampt betrifft,
40 Der in der Ostkirche schon früh auftretende Chor-
episcopus ist hn Westen erst seit dem 8.Jh. ver-
treten, wahrscheinlich jedoch ohne eine Verbindung
zu der ostkirchlichen Institution. Im Westen hat die
Entstehung des Chorepiskopats die Herausbildung
der Diözesanverfassung zur Voraussetzung.Der Chor-
episcopus ist geweihter Bischof ohne den bischöf-
lichen Titel. Er kann nur die niederen Weihen ertei-
len. Während im 9. Jh. der Episkopat im ganzen
zurücktritt, besteht er im Bistum Mainz noch bis
in das 16. Jh. hinein. An seine Stelle tritt der Archi-
diakonus. Die Bezeichnung „Chorepiscopus“ ist je-
doch trotz Verschwinden der Institution noch län-
gere Zeit erhalten geblieben (etwa Bucer, De Regno
Christi 1, 12; OL 15, 129); vgl. P. Hinschius, Das
Kirchenrecht der Katholiken und Protestanten in
Deutschland2, 1878, S. 162ff.;R. Schröder, Lehr-
buch der deutschen Rechtsgeschichte 1,1919, S.153.
636; R. Sohm, Kirchenrecht 2, 1923, S. 296ff.;
H. E. Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte 1, 1954,
S. 40. 90. 177. 181.
recht verglichen werden mit denen, welche man
vorzeiten genannt hat chorepiscopos40 (von wel-
chen Concilii Ancyrani c. 1241; C. Neocaesariensis
c. 1342) und vor etlichen jaren decanirurales43 seind
genant worden.
Daß es aber bei den eltesten oder pharherrn der
kirchen vorzeiten gestanden sei, einen superinten-
denten zu erwehlen aus ihrem orden, bezeugt klar
der heilige Hieronymus in epistola ad Euagrium
uber die auslegunge des ersten cap. ad Titum 44. Aus
der ursach behalten wir auch denselbigen brauch
in unseren kirchen.
(1) Der synodus wird also gehalten: Die super-
intendenten und pfarherrn, so beieinander ver-
samlet, gehen den morgen zu gewonlicher zeit in
die kirche, hören die predige und tun ihr gebet
sampt der ganzen gemein zu Gott vor allerlei not-
turft der kirchen.
(2) Wan dies alles vollendet, so gehen die zween
superintendenten sampt allen pfarherrn, dieweil
die gemein noch beieinander ist, an den ort, da die
diener der kirchen ihre gewonliche stette haben,
und, nachdem sie sich gesetzt, dankt der ein super-
intendens der ganzen versamlung, daß sie so willig
und gehorsamlich auf ihre erforderung von wegen
unsers g. f. und herrn erschienen. Zum andern er-
zelt er kurzlich die ursach, warumb sie zum synodo
beruffen.
41 Conc. Ancyranum can. 13; Mansi 2, 518. Zur Tra-
dition: Rhabanus Maurus, De Chorepiscopis; MPL
110, 1198 (ebenfalls als can. 12 zitiert) und Calvin
IV, 4, 2; Niesel 5,59; Bucer, De Regno Christi
I, 12; OL 15, 129.
42 Conc. Neocaes. can. 14; Mansi 2, 541. Zur Tradi-
tion: Gratian, Dist. 95 can. 12; Friedberg 335
(ebenfalls als can. 13 zitiert); Calvin IV, 4, 2; Nie-
sel 5, 59.
43 Seit der zweiten Hälfte des 9. Jh. entwickelte sich
ein (jüngeres) Landarchipresbyterat, das seit dem
11. Jh. überwiegend als Dekanat bezeichnet wird.
Der Landdekan wurde vom Bischof aus den Pfar-
rern meist zeitlebens bestellt. Er sammelte die Pfar-
rer seines Dekanats zu regelmäßigen Ruralkapiteln.
Im 16. Jh. gewannen die Landdekane — durch die
Belastung der Archidiakone — allmählich an Bedeu-
tung. Vgl. P. Hinschius, Kirchenrecht 2, 269ff.;
Feine, Kirchl. Rechtsgeschichte 1, 378. 476.
44 Hieronymus, ep. 146, 1; MPL 22, 1192; CSEL 56,
310. Zur Tradition: Gratian, Dist. 93 can. 24; Fried-
berg 328; Calvin IV, 4, 2; Niesel 5,59.
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