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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0214
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Kirchenordnung 1566

nen lieben Sohn, unsern Herrn Jesum Christum.
Darauf antwortet die ganz versamlung: Amen.
(8) Darnach sollen die zween superintendenten
allein aufstehen und dem neuen superintendenten,
so vor ihnen niederkniet, an dem ort, da er zuvor
gestanden, zugleich die hende auflegen61 und einer
aus ihnen mit lauter stim dies volgende gehet spre-
chen:
O Herr Gott, himlischer Vatter, der du allein
tuchtige diener62 der kirchen machest und sendest
und ihnen kraft und macht verleihest, wir bitten
dich demütiglich, du wöllest das herz dieses deines
dieners mit deinem heiligen Geist im namen J. C.
erleuchten und ihn mit deiner gewaltigen hand also
leiten und füren, damit er sein befolen ampt zu dei-
nes namens ehr und auferbauung aller gleubigen in
der kirchen deines Sohns treulich verrichten möge
durch denselbigen deinen Sohn Christum, unsern
Herrn. Amen.
(9) Darnach sollen sie allesampt aufstehn und der
ordinirte neue visitator soll sich zum volk keren,
aber einer aus den andern superintendenten soll
ihm also die kirchen befelen63:
So befelen wir euch nu, lieber bruder, alle kir-
chen dieses zirks, daß ihr die gemein des Herrn,
mit dem blut Christi erlöset und euch nu vom hei-
ligen Geist vertrauet, mit aller treu und großer sorg
weidet, regiret, furet und unverletzt bewaret und
stellet euch allenthalben zum vorbild den gleubigen
im wort, im wandel, in der liebe, im geist, im glau-
ben, in der keuscheit. Haltet an zu aller zeit mit
lesen, mit ermanen, mit leren. Laßt nicht aus der
acht die gabe, die euch gegeben ist durch die weis-
sagung mit handauflegung der eltesten. Solchs war-
tet, damit gehet umb, auf daß euer zunemen in
allen dingen offenbar sei. Habt acht auf euch selbst
und auf die lehre, beharret in diesen stücken; denn
61 Die Handauflegung bei der Ordination, die der
Übung im katholischen Sakrament des ordo ent-
spricht, ist sowohl bei Luther (vgl. Höfling 142;
WA 38, 429. 432) als auch bei Calvin (IV, 3, 16;
Niesel 5, 56f.; und IV, 4, 15; Niesel 5, 72f.) bei-
behalten und ebenfalls in die meisten KOO ein-
gegangen. Zur Ausübung der Handauflegung inner-
halb der hess. Kirche vgl. die Kasseler KO 1539,
S. 124.
62Vgl. Höfling 156f. 63 Vgl. Höfling 157.
64 Ps. 19, 2. Handbuch 1, 336f.; Nr. 431. Der Psalm

wo ihr solchs tut, werd ihr euch selbst selig machen
und die euch hören (1. Tim. 4, 12-16).
(10) Es soll derselbige superintendens sich dar-
nach zur ganzen versamlung keren und sie also an-
reden:
Wir befehlen nun euch allesampt diesen ordinir-
ten superintendenten und vermanen euch, so viel
an uns ist, daß ihr nach dem befelch Gottes (1. Thess.
5, 12f.) ihn als den rechten und treuen hirten euer
seelen wöllet annemen und halten, ihn ehren, lieb
und wert haben umb des werks und seiner mühe
willen, und seid friedsam mit ihm und wollet ihm
allesampt, wes stands und ordens ein iglicher ist,
er sei im kirchenampt oder uber weltliche regiment
gesetzt, folgen und gehorchen und euch allezeit er-
innern, daß er wachen muß uber euer selen, als der
davor rechenschaft geben soll, auf daß er solchs
mit freuden tue und nit mit seufzen, dann das ist
euch nit gut (Hebr. 13, 17). Und was dergleichen
der superintendent vor gut ansehen wird, das zu
dieser vermanung will dienlich sein, mag er weiter
hinzusetzen.
(11) Die ganze gemein soll singen den 19. psalm64:
Die himel erzelen die ehr Gottes etc., in welchem
vor alle treue diener gebeten wird.
(12) Zuletzt soll der superintendens die ganz ge-
mein segnen mit diesen worten (Num. 6, 24-26):
Der Herr segne euch und behüte euch, der Herr
erleucht sein angesicht uber euch und sei euch
gnedig und barmherzig, der Herr erhebe sein an-
gesicht auf euch und gebe euch seinen fried. Amen.
Es soll ein jede kirch ein sonderlich buch65 ha-
ben, darin man fleißig ufzeichnen soll aller prediger
namen, zunamen, aus welchem land sie seien, ihr
vatterland, wo sie studirt haben, von welchem
superintendenten, wo und in welchem jar sie ordi-
niret, darzu auch, ob sie seien in ein ander kirch
wird vor allem in den Erfurter Kirchenämtern ge-
braucht, vgl. Handbuch 1, 632 zu Nr. 431.
65 Kirchenbücher werden im westeuropäischen Raum
im Kampf gegen wiedertäuferische Umtriebe ein-
gerichtet; vgl. Les Ordonnances ecclesiastiques 1561
(Niesel, Bekenntnisschriften 51); Discipline eccle-
siastique 1559 (Niesel 78); kurpfälz. KO 1563
(Niesel 144. 206) auch Fr. Schmidt-Clausing,
Zwingli als Liturgiker 1952, S. 70. Surgant ist wohl
der erste, der Kirchenbücher geführt wissen will;
ihm folgt bald Zwingli nach.

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