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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0216
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Kirchenordnung 1566

andern prediger in der nehe das ampt in der kir-
chen versehen werde, soll man alle sontag die ganze
gemein zum gebet fleißig vermanen, daß sie Gott
anruffen, daß er ihnen einen geschickten und gott-
fürchtigen lerer widerumb senden und geben wölle.
Uud dies soll so lang geschehen und fleißig getriben
werden, bis daß der almechtig Gott die gemein wie-
derumb mit einem frommen lerer versihet.
Es ist auch offenbar aus der lehr des heiligen
apostels Pauli (1. Tim. 3, 1-7; Tit. 1, 6-9), was vor
person zu solchem hohen ampt sollen erwelet wer-
den.
Die form und weise aber, dieselbigen zu erwelen,
wird nit in allen kirchen bei uns gleich gehalten.
An etlichen örtern seint collatores oder edelleut
oder sonst andere, die man nennet patronos der
kirchen73. Denselbigen leßt man noch die ehr blei-
ben, daß sie eine geschickte person dem superinten-
denten praesentiren, daß er denselbigen anneme
und ordinire, so fern er im examen zu solchem ampt
tuchtig erfunden wird. Und diese gerechtigkeit leßt
man ihnen darumb bleiben, dieweil ihrer etliche
selbst oder ihre vorfaren etwas zum gottesdienst
in die kirche gegeben und gestiftet haben, darnach
zank und zwitracht und allerlei ungemach zu ver-
hüten, so durch den gemeinen haufen erregt wird,
daß einer diesen, der ander jenen haben will. Es
geschicht dies auch darumb, daß die diener der
kirchen von unser g. f. und h. schutz und schirm
und von den collatoribus vorschub und forderung
haben. Doch sollen sie keinen on wissen und willen
der superintendenten, darzu auch ein solchen, der
im examine und ordination bestehen könne, weder
annemen noch absetzen. Dann mir können hie nit
underlassen, diejenigen, so noch hin und wider das
ius patronatus haben, zu ermanen und durch Chri-
stum zu bitten, daß sie ihr ius und gerechtigkeit,
so ihnen noch zugelassen wird, so viel die praesen-
tation belangt, recht gebrauchen, nemlich zu nutz
und auferbauung der ganzen gemein und nit, wie

73 Nach dem Vertrag von Hitzkirchen, der die Rechte
der geistlichen Jurisdiktion, soweit sie im Besitz des
Erzbischofs von Mainz waren, dem Landgrafen über-
gab, geht die Entwicklung dahin, auch das Stellen-
besetzungsrecht in einer Hand zu vereinen; vgl. die
Kirchendienerordnung 1537 Abschn. 10, S. 98;

leider etwan geschicht oder ja vorgenommen wird,
die gemein zu verwüsten. Es will ihnen warlich ge-
büren, daß sie stets betrachten, daß ein groß daran
gelegen, sich solchs ampts zu undernemen, darin
der kirchen heil und wolfart oder gewisses verder-
ben stehet. Sie sollen auch oft betrachten, ob schon
der ort schlecht und gering ist, da man eines pre-
digers bedarf, so seint doch die seelen derselbigen
kleinen gemein Gott dem Herrn lieb und angenem,
dieweil sie durch das teure blut Christi erlöset, sol-
len auch nit zweifeln, daß sie vor dem richterstul
unsers Herrn Jesu Christi für diese alle zu seiner
zeit mussen rechenschaft geben. Paulus schreibt an
Timotheum (1. Tim. 5,22), daß ein bischoff sich
frembder sünde teilhaftig macht, wan er einem,
der zum predigampt untüchtig, die hende auflegt.
Wievil schwerer sündiget derjenige, welcher vor-
nemlich und allein ein solchen ungeschickten lehrer
einer gemein oder dem superintendenten one sein
willen aufdringen will.
Der Keiser Valentinianus hat sich hierin weis-
lich und löblich gehalten (In tripartit. hist. lib. 7
cap. 874). Dann do der ganz synodus von ihm be-
gert, daß er gen Meylandt ein bischoff senden wolt,
den er zu solchem ampt tuchtig erkennet, hat er
solchs abgeschlagen. Der hoch verstendige Keiser
hat recht erkant, daß solches viel mer denjenigen
gebüren wolt, welche auf dem synodo versamlet
waren und daß wir nit bald und unbedechtlich der
kirchen ihre gerechtigkeit nemen solle. Man findt
auch noch an etlichen ortern solche ecclesiarum
patronos oder collatores, welche den kirchen gern
zulassen und willig vergönnen, daß sie vor sich
selbst nach einem frommen geschickten prediger
trachten, damit die gemein wol versehen werde,
allein daß ihnen das recht bleibe, daß sie densel-
bigen, von ihnen erwelet, dem superintendenten
praesentiren und durch schrift commendiren.
Dies haben wir also kurzlich die patronos der
kirchen oder collatores, wie mans nent, erinnern
über die folgende Entwicklung vgl.Absch. d. Syn.
1569. Vgl. auch G. L. Büff, Kirchenrecht 290.
74 Cassiodor, Hist. trip. 7, 8; MPL 69, 1073f.; CSEL
71, 395. Zur Tradition: Gratian, Dist. 63 can. 3;
Friedberg 235f.; Hyperius, De sacris studiis non
deserendis; Var. op. 1, 183.

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