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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0217
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Kirchenordnung 1566

wollen, daß sie nit allein uf ihr ius sehen und drin-
gen, sondern auch fleißig bei sich betrachten, was
der kirchen nutz sein wölle, und nach ihrem wol-
gefallen nit handlen.
In welchen kirchen aber unserm g. fürsten und
herrn das ius patronatus oder die collatur allein
zugehört, soll man, da die dienste durch absterben
der prediger oder auch uf andere wege verledigt
werden, bei dem visitator des bezirks zum forder-
lichsten ansuchen und mit fleiß begeren, daß solche
kirchen mit gottsfürchtigen, geschickten und from-
men dienern, so bald solchs immer geschehen mag
der gemeine zu gutem, widerumb bestellet werden,
und da die gemeine einen vorschlagen und zum
prediger begeren würde, soll derselbige vor allen
dingen erstlich examinirt werden und, da er beide
in lehr und leben geschickt und rechtschaffen be-
funden wird, zum dienst und verwaltung der kir-
chen zugelassen und bestetiget werden.
Vom examen derjenigen, so zum
predigampt sollen ordinirt werden
Soviel das examen der ordinanden belanget, ha-
ben sich die superintendenten dieser kirchen ein-
trechtig miteinander verglichen, wie hernach vol-
get.
(1) (a. R.: Wo die neuen predicanten sollen ex-
aminirt werden.) Dieweil man zum predigampt,
soviel es immer möglich ist, diejerdgen erwelen und
brauchen soll, welche die guten künste, die spra-
chen und zuvoraus die heilig schrift fleißig studiret
und darin zimlich erfaren seint, und dieselbigen
auch gemeinlich in der schul zu Marpurg75 oder in
andern auferzogen, ist vor gut angesehen, daß
solchs examen zu Marpurg gehalten werd, an wel-
chem ort am allerbesten man erfaren und erkun-
digen kann von ihrem leben und wandel, darzu
kann man von ihrem studirn doselbst die aller-
beste zeugnis haben. Darzu dieweil es hoch vonöten
ist, daß diejenigen, so der kirchen sollen vorstehen,
die reine lehr wissen und in allem, was die lehr be-
75 Vgl. Stipendiatenordnung 1529, S. 66.
76 Gegenüber den Prüfungen der Stipendiaten (vgl.
Stipendiatenordnung 1560 Abschn. 4, S. 170) liegen
diese Prüfungen etwa jeweils einen Monat früher.

trifft, mit andern kirchen, so der reinen lehr an-
hengig, ubereinstimmen, so kann man nirgend bes-
ser am selbigen ort darvon urteilen und richten,
dieweil beid die lehrer Gottes wort und die profes-
sores der h. schrift daselbst zugegen. So aber die
examinatores etlich aus denen, so zum examen ge-
sant und geschickt befunden werden, sollen sie die-
selbige vermanen, daß sie ein zeitlang bleiben, die
lectiones fleißig visitiren und insonderheit in der
heiligen schrift sich wol uben, domit sie mögen her-
nach zum examen geschickter kommen.
Es kann dies auch andern studenten große an-
reizung geben zu ihrem studiren, daß sie desto mehr
erweckt werden, in der heiligen schrift fleißig zu
studiren, so sie sehen v/erden, daß andere aldo ex-
aminirt und ordinirt werden. Es wird sie auch der-
selbigen exempel bewegen, daß sie alle arbeit, so
im kirchenampt erfordert werden, zu tragen lüsti-
ger und williger sein werden.
(2) (a. R.: Quando. Wie oft und wenn die neuen
predicanten zu verhören.) Es soll aber das examen
zweimal im jar gehalten werden, das erst im an-
fang des Hornungs, das ander im anfang des Sep-
tembers76. Wiewol man auch sonst auf andere zeit,
so sich etlich anbieten werden, das examen nicht
abschlagen soll, so oft die notdurft der kirchen
solchs erfordert.
(3) (a. R.: Per quos) Die examinatores77 sollen
sein der superintendens und die prediger dessel-
bigen orts, darzu die professores theologiae aus der
schul.
Das examen soll auf die form angestellet wer-
den, wie mir sehen in den worten des apostoli Pauli
etlichermaßen angezeigt.
Vor allen dingen soll ein bischoff unstrefflich sein,
1. Timoth. 3 [2]. Wiederumb: er muß auch ein gut
zeugnüs haben von denen, die do draußen seint
[1. Tim 3, 7]. Darnach ad Titum 1 [7]: Ein bischoff
oder lehrer der gemein Gottes soll untaddelich sein.
Derowegen soll man erstlich fragen und forschen
von seinem leben und wandel. Aus der ursach sol-
len die examinatores vor dem examen die geschri-
77 Auch der Kreis der Examinatoren ist ein anderer
als bei den Stipendiatenprüfungen, vgl. Stipendiaten-
ordnung 1560 Abschn. 4, S. 170.

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