Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0218
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenordnung 1566

bene testimonia, sein leben und studirn belangend,
■welche dem superintendenten zugestellet, fleißig
verlesen und wol betrachten. Darnach sollen sie
fragen von andern dingen, als nemlich wo er stu-
dirt hab, bei wem, wie er gelebt und sich daselbst
gehalten und wie lang er in der heiligen schrift stu-
diret. Man soll auch von ihm fragen, was ihn be-
wege, daß er sich in das predigampt gedenkt zu be-
geben. Hierzu wird auch forderlich sein, daß man
bei andern, so zu Marpurg oder anderstwo mit ihm
kundschaft gehabt, heimlich ausforsche, wie er sich
gehalten, so man anderst zu Marpurg solche haben
kann, die davon zeugen mögen. Es sollen aber die
examinatores alles, so von ihm gehört, fleißig auf-
merken und wol behalten, damit sie hernach von
ihm besser urteilen können.
Weiter volget auf die wort des apostoli Pauli, so
itzt angezogen, balcl hernach [Tit 1,9]: Ein bischoff
soll halten ob dem wort, das gewiß ist und lehren
kann, auf daß er mechtig sei zu ermanen durch die
heilsame lehr und zu straffen die widersprecher.
Daraus haben wir abzunemen, daß man vor das
ander von seiner lehr und geschicklichkeit forschen
soll und daß man insonderheit ihm dreierlei frag
vorhalte, damit man erfare, was er studiret und
wes man sich zu ihm zu versehen hab, dieweil er
sich ins predigampt begeben will.
Das erst stuck ist von der gewissen red nach der
lehr, das ist von den hauptstücken unsers christ-
lichen glaubens und von der ganzen lehr unserer
religion, welcher fragen summe und ordnung aus
den büchern, so die locos communes unserer christ-
lichen religion in sich haben, soll genommen wer-
den78. Die phrases aber, das ist die art zu reden, und
die probation soll der schrift gemeß sein.
Vor das ander soll man ihm aufgeben ein argu-
ment in genere exhortatorio79, daraus man wissen
könne, ob er auch geschickt sei, so es sich also zu-
tragen würde oder die not erfordert, ein vermanung
zu tun, zuvoraus durch die gesunde lehr, das ist
aus grund der heiligen schrift. Hieher gehören ob-

78 Vor allem die Loci communes Melanchthons.
79 Vgl. zu diesen drei „Stücken“ die alten drei genera
der klassischen Rhetorik: R. Volkmann, Die Rhe-
torik der Griechen und Römer, 31901, S. 37.
80 Neben den klassischen drei genera hildet sich bei

iurgationes, das ist wie man straffen soll, desglei-
chen auch trösten, so es die gegenwertig not erfor-
dert, darzu sich dann ein prediger zu allerzeit muß
gefaßt machen.
(3) Man soll ihm auch etliche lehr und irtumb
der ketzer und widersecher der kirchen vorhalten
und ihn darauf sein meinung und bedenken sagen
lassen, daß er erklere, welchs die rechte meinung
sei, dergleichen soll man ihn lassen etliche argu-
ment und frage solviren und widerlegen. Hieher ge-
hören die frag von den stücken, so zu allen zeiten
in der kirchen streitig sein.
(4) Man kann ihnen auch mit nutz vorhalten
frage von den dingen, so etlichermaßen zum predig-
amt gehören und in itzt gemelten dreien generi-
bus nit begriffen werden80 als: ob auch einem diener
der kirchen gebüren wöl, daß er zur zeit der ver-
folgung, oder wan sonst gefahr vorhanden ist, flihe
und sein kirch verlasse. Item: ob einer die kirch
den ketzeren, so die oberkeit solchs gebieten wurd,
solte ubergeben und einreumen, und andere der-
gleichen frage.
(5) Dieweil der apostolus Paulus weiter lehret
1. Tim. 3 [2], ein bischoff soll lehrhaftig sein, und
2. Tim. 2 [15], recht teilen das wort der warheit, soll
man ihm aus der heiligen schrift ein gewissen
spruch, der doch nit zu schwer sei, vorlegen, wel-
chen er in der ganzen gemein offentlich vor dem
volk oder vor den theologis in gegenwertigkeit des
superintendenten und der examinatorum ausleg
und erklere nach gemeiner form. Man findet under-
weilen etlich, die gelert gnung sein, haben aber
nicht die gab von Gott, daß sie mit nutz das volk
lehren konnen.
nachdem dies alles vollendet, soll der super-
intendens und die examinatores an dem ort, da sie
das examen gehalten, sich fleißig miteinander
underreden von allem, so das leben und die lehr
des examinirten betriffet, sollen auch aldo berat-
schlagen und entlich schließen, ob sie ihn wollen
zum predigamt zulassen oder nit, oder aber, ob
Hyperius, ähnlich auch bei Bucer, ira Anschluß au
2. Tim 3, 16 und Rm 15, 4 eine Reihe von fünf ge-
nera loquendi heraus. Zum einzelnen vgl. D. Frie-
linghaus 107.

202
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften