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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0219
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Kirchenordnung 1566

sie ihn vermanen wöllen, damit er noch ein zeit-
lang alda in der schul bleibe und in der heiligen
schrift fleißiger studire. Was sie nun einhellig schlie-
ßen werden, sollen sie alsbald dem examinirten
kurzlich zu verstehen geben.
Wo sie aber einem zum predigampt tüchtig be-
finden im examine, dem sollen sie gute hoffnung
geben und vertrösten, sollen ihn auch loben, daß
er in der heiligen schrift so großen fleiß angewendet,
und darneben vermanen, daß er in der lehr, so er
in dem examine bekennet, standhaftig bleib und
wolle hernach also fortfaren und die heilige schrift
sampt den reinen lehrern derselbigen fleißig durch-
lesen und nimmer aus den henden kommen lassen,
also werde er in der kirchen großen nutzen schaffen
können. Darzu soll er vor gewiß halten und gleu-
ben, daß er durch heimliche bewegung des heiligen
Geistes, sich in das predigampt zu begeben, getriben
sei81, und derhalben soll er stets Gott bitten, daß
er die gab seines Geistes bei ihm wöl mehren. Zu-
letzt sollen sie ihm anzeigen, daß sie auch Gott den
himmlischen Vatter fleißig anruffen wollen, damit
er mit seinem heiligen Geist sein herz underweise
und sein gnad verleihe, damit er sein ampt in der
kirchen treulich versehen moge.
Sie sollen auch dem examinirten schrift mit-
geben an diejenigen, von welchen er zum examen
gesandt, und darin fleißig vermelden, was sie von
ihm judiciren und halten. Es sollen auch alle exa-
minatores diesen brief underschreiben.
Es lassen ihnen auch die superintendenten nit
mißfallen, so bisweilen diejenigen, so nit in einen
zirk gehören, zu Marpurg ordiniret werden82, nach-
dem sie es genzlich darfur halten, daß solchs etwan
eben umb der ursach willen geschehen möge, umb
welcher willen sie auch achten, daß daselbst, wie
oben gesagt, das examen gehalten werde. Es wer-
den aber auch zum oftermal die diener der kirchen,
so am wort arbeiten, bei denen kirchen ordinirt,
in welchen ein ider superintendens sein residenz
und wonung hat, zum oftermal aber und furwar
nicht on besserung oder erbauung und der ganzen
81 Hyperius, De sacris studiis non deserendis; Var.
op. 1, 119. Zu den Parallelen bei Hyperius vgl. fer-
ner D. Frielinghaus 98f. Zur Einordnung:
W. Goeters, Die Vorbereitung des Pietismus in der

gemeine geistlichen nutz und frucht in denen kir-
chen, welchen die ordinanden sollen vorgestelt wer-
den und nachdem solchs die noturft derer kirchen
erfordert, die ihrer hirten und seelsorger beraubt
sein. Und zu wasserlei zeit nu einige diener in den-
jenigen kirchen, welche ihnen zu verwalten sollen
geordnet werden, soll beizeiten der tag, uf welchen
die ordination geschehen soll, verkundiget und
allen befohlen werden, daß sie an demselbigen tage
bei der heiligen versamlung seien und von wegen
der kirchen wolfart mit fasten und beten nach der
lehr der aposteln geschickt und bereit seien.
Und ist also dies aller superintendenten in un-
sern kirchen, was den ort und zeit der ordination
belangt, einhellige bewilligung.
Wie die prediger sollen ordiniret
werden
Nachdem die ordinanden geschickt erfunden,
sollen sie auf diese weis auf den volgenden tag zu
Marpurg vor der gemein ordinirt werden.
Wen alles, so man auf den tag in der kirchen
pflegt zu handeln, vollendet, ausgenommen das ge-
bet, damit man das volk gehen leßt, soll der super-
intendens an dem ort zu Marpurg, da man des
Herren nachtmal helt, stehen, die andern diener
aber des worts und die eltesten derselbigen gemein
sampt den ordinanden sollen sich nidersetzen, dan
soll der superintendens der gemein anzeigen, es sei
do einer oder etlich ordentlich beruffen, erwehlet,
praesentirt, examinirt und im examen tüchtig er-
funden, welche sich mit Gottes hulf in das predig-
ampt ihres orts begeben wollen. Dieweil aber der
ganzen gemein, ja allen gleubigen daran groß ge-
legen ist, daß den kirchen wol furgestanden werde,
und die hirten und lehrer zu solchem hohen ampt
nicht mögen tuchtig sein noch darin treulich arbei-
ten, es werde ihnen dan von Gott gegeben, soll er
die gemeine mit allem ernst ermanen, daß sie vom
ampt der prediger aus Gottes wort hören wollen
und darneben Gott umb sein gnad und hülf ernst-
Reformierten Kirche der Niederlande, 1911, S. 61 ff.
82 Vgl. die Reformatio 1526, cap. 21, S. 58, die die
Ordination vor der Synode kennt.

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