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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0220
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Kirchenordnung 1566

lich anruffen, daß sie ihr ampt treulich verrichten
und darin standhaftig und gottseliglich beharren
mögen.
Darnach soll der superintendens aus der heiligen
schrift lesen und sagen: Hört nun83, mein gelieb-
ten im Herrn, welchs das ampt sei der hirten und
eltesten, so im wort arbeiten, aus der lehr unsers
Herrn Jesu Christi, des erzhirten und seiner hei-
ligen apostel. Math. am 28. [18-20] gebeut Christus
seinen jüngern und allen dienern der kirchen, so
nach ihm kommen werden, also: Mir ist alle gewalt
gegeben im himel und erden. Darumb gehet hin
und lehret alle volker und teufet sie im namen des
Vatters und des Sohns und des heiligen Geistes und
lehret sie halten alles, was ich euch befohlen hab.
Und sihe, ich bin bei euch alle tag bis an der welt
ende. Weiter schreibt der apostel Paulus ad Titum I
[5-9]84 also: Derhalben ließ ich dich in Creta, daß
du soltest vollend ausrichten, da ichs gelassen hab,
und besetzen die stedte hin und her mit eltesten,
wie ich dir befohlen hab. Wo einer ist untaddelich,
eines weibes mann, der gleubige kinder hab, nicht
beruchtiget, daß sie schwelger und ungehorsam
seind; denn ein bischoff soll untaddelich sein, als
ein haushalter Gottes, nicht eigensinnig, nicht zor-
nig, nicht ein weinsaufer, nicht bochen, nicht un-
ehrliche hantierung treiben, sondern gastfrei,
gütig, züchtig, gerecht, heilig, keusch, und halte ob
dem wort, das gewiß ist und lehren kann, auf daß
er mechtig sei zu ermanen durch die heilsame lehr
und zu straffen die widersprecher.
Derselbig apostel sagt wiederumb 2. Tim. 3 [14
bis 4, 5]: Du aber bleib in dem, das du gelernet
hast und dir vertrauet ist, sintemal du weisest, von
wem du gelernet hast, bis auf die wort: richte dein
ampt redlich aus.
Nach diesem allen soll der superintendens die
ordinanden, so auf der seiten des altars stehen, da
man pflegt das abendmals zu halten, also anreden:
(1) Ihr habt nun85, mein geliebten im Herrn, ge-
hört, was euer ampt sei und dasselbig nicht aus
menschen lehr, sondern aus dem befelch unsers

83 Vgl. Höfling 152.
84 Die Verwendung der Bibelstellen unterscheidet sich
hier stark von Luther, der vor allem 1. Tim 3, 1-7
und Act 20, 28-31 benutzt.

Herrn Jesu Christi und seiner heiligen apostel, wie
dann solches alles in der heiligen schrift, zuvoraus
aber in den episteln des apostels Pauli an Tim. und
Titum weitleuftiger erkleret wird. Damit aber
jederman dies besser verstehe und ihr auch selbst
dies alles fleißiger betrachtet und in euerm ganzem
leben eingedenk seiet, will ichs in kurze und ge-
wisse stuck fassen.
Welcher zu einem pfarherrn oder lehrer in der
kirchen Gottes ordinirt, der soll die ganze lehre der
christlichen religion, welche in den büchern der
propheten und aposteln des alten und neuen testa-
ments begriffen und kurzlich in den dreien sym-
bolis Apostolico86, Niceno87 und des heiligen Atha-
nasii88 verfasset, rein und treulich der gemein Got-
tes vortragen und auslegen, soll sich auch von der-
selbigen form und apostolischen lehr kein gunst der
menschen, kein furcht noch gefahr abschrecken las-
sen. Er soll auch nach derselbigen lehr Gottes wort
nicht allein offentlich vor dem volk, sondern auch
daheim in seinem haus die ganze lehr des gesetzes
und des heiligen evangelii erkleren und bestetigen.
Aber dem ungeistlichen losen geschwetz, wort-
gezenk, desgleichen der nerrischen unnützen frag,
soll er sich gar entschlagen [2. Tim 2, 16]. So aber
etliche falsche lehre entweder selbst ausbreiten und
vertedigen, oder von andern betrogen, dieselbige
falsche lehr etlichermaßen gefaßt haben, solt ihr
aus grund der heiligen schrift dieselbigen wider-
legen und umbstoßen und euch mit aller sanft-
mütigkeit understehen, alle irrigen auf den rechten
weg wider zu bringen. Es will auch vonnöten tun,
daß ihr zu allerlei stenden von mancherlei emptern
vermanung tut, welche man allezeit aus der lehr
Gottes worts nemen muß.
Weiter mit denjenigen, so ein sundlichs leben
furen und allerlei ergernüs anrichten und geben,
muß man zun zeiten gelind und in aller gütigkeit
handlen und umbgehen, zun zeiten hart und mit
allem ernst, itzt in der geheim, dann offentlich vor
jederman straffen und schelten und darzu argument
brauchen aus Gottes wort genommen.
85 Vgl. Höfling 152.
86 Bek. Schrr. 21.
87 Bek. Schrr. 26 f.
88 Bek. Sclirr. 28ff. Vgl. auch oben Anm. 53,

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