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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0226
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Kirchenordnung 1566

notwendig erfordert wird, die mit frembden gütern
umbgehen und dieselbige in ihrer verwaltung ha-
ben, also hat es dem heiligen Geist gefallen, von
diesem ampt weitleuftig und klar in der heiligen
schrift zu reden ohn allen zweifel, daß man weis-
lich und vorsichtiglich handel in erwelung der dia-
con.
Derhalben, dieweil vonnöten ist, daß in allen ge-
meinen etwas gesamlet werde, damit nach dem be-
velch Christi erstlich die diener des worts Levit. 10
[12-15]; Num. 18 [8ff.]; Deut. 14 [29]; 18 [1-8];
25 [4]; Mat. 10 [10]; 1. Cor. 9 [14]; 1. Tim. 5 [18];
Jacob. 5 [4], darnach die armen Deut. 15 [1 ff.];
Levit. 19 [10]; Lu. 16 [19ff.]; Gal. 2 [10]; 1. Cor. 6
[13]; 2. Cor. 9 [1 ff.] erhalten werden, so muß man
darzu erwelen fromme, aufrichtige menner, welche
dasjenige, so eingesamlet ist, recht austeilen.
(a. R.: Von welchen und wie die erwelung der
diacon geschehen solle.) Es sollen aber dieselbigen
erwelet werden durch die stim der prediger oder
aller eltesten, darnach etlicher aus dem rat, item
mit bewilligung etlicher aus der gemein, darzu ver-
ordnet.
Was die zal der diacon belangt, halten wirs dar-
vor, daß man nach anzal der güter oder einkom-
mens des kasten darzu derjenigen, so davon erhal-
ten werden, hierin handle, das ist wie es die noturft
und gelegenheit eines jeden orts erfordert. Zu Jeru-
salem hat man vorzeiten 7 person darzu gebraucht
(Act. 6, 1-6), aber da waren viel tausent gleubigen,
welche gemeinlich alle ihre nahrung zusammen-
getragen (Act. 2, 44f.) und wiederumb teglich zu
tische dienen müsten und einem iglichen reichen,
was er zur noturftiger underhaltung bedurfte. Der-
halben lassen wir dies einer iglichen kirchen frei
stehen, daß sie so viel person zu diesem ampt neme,
wie es die noturft der güter und armen erfordert,
idoch soll man nicht weniger dan zwen darzu er-
welen.
(a. R.: Quales eligentur.) Damit aber in dieser
sache (die entweder zu großem nutz oder auch zu
großem verderben der kirchen leichtlich gereichen
mag) alles mit großer vorsichtigkeit vorgenommen
werde, hat uns der heilig Geist selbst gezeiget, was
vor leut zu diesem ampt erwelet und gebraucht
werden sollen.

Man muß erwelen, sagen die aposteln (Act. 6, 3),
menner, die ein gut gerucht haben und vol heiliges
Geistes und weisheit seint. Und der heilig apostel
Paulus, 1. Tim. 3 (8f. 12), die diacon sollen erbar
sein, nit zweizüngig, nicht weinseufer, nicht un-
ehrliche handtirung treiben, die das geheimnis des
glaubens in reinem gewissen haben, eines weibes
mann (welche gleicherweise soll erbar sein, kein
lesterin, nüchtern, treu in allen dingen) und die ihr
kinder und ganzes hausgesind wol regiren.
(a. R.: Probatio) Welche nun erwelet seint, die
sollen mit den andern, so in diesem ampt sein, ein
zeitlang sich uben und brauchen, damit sie sich zu
diesem ampt zuvor bereiten und geschickt machen,
auf daß auch hiemit ihr glaub, fleiß und aufrichtig-
keit an ihn probirt und bewert werde. Den also be-
velet der apostel 1. Tim. 3 [10]: Dieselbigen laß man
zuvor versuchen, darnach laß man sie dienen, wen
sie unstrefflich sein. Die zeit der probation ist nit
gleich bei allen kirchen, dieweil auch die mühe und
arbeit in verwaltung der kirchengüter nicht allent-
halben gleich ist, sondern an etlichen ortern ist die
zeit lenger, an etlichen kurzer, welches bei den pfar-
herrn und eltesten der kirchen stehet.
Wan sie nun von den verordenten erwelet, soll
man ihnen, was ihr ampt sei, vorhalten wie volget:
(1) Ihr solt euch vor allen dingen also beweisen
und in euerm ampt erzeigen, daß man an euch
spüre, daß ihr mit dem h. Geist begabt seit, welchs
daraus leichtlich mag abgenommen werden, so man
vernemen wird, daß ihr in allen euern worten und
werken allein Gottes ehr suchet, in Gottes furcht
allezeit wandlet und die reine lehr des h. evangelii
von herzen lieb habt, oder, wie der apostel sagt
(1. Tim. 3, 9), das geheimnis des glaubens in reinem
gewissen habt, daß ihr treulich und ufrichtig hand-
let in allen gescheften, so in euern ampt vorfallen,
darzu auch kein heuchelei noch schmeichlerei, kein
falsch nachklaffen oder erdichte lesterung böser
leut von der erbarkeit lasset abziehen, und zuletzt,
daß ihr nichts aus bösem affect tuet.
(2) Ihr müst auch vor andern euch aller erbar-
keit befleißigen, daß ihr ein sonderlich ansehens vor
andern habt, nicht zweizüngig, eines nüchtern und
züchtigen lebens, kein unehrlich hantierung trei-
ben, darzu solt ihr euer weiber, kinder und ganzes

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