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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0228
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Kirchenordnung 1566

die ganz religion verlassen. Demas, sagt er, hat
mich verlassen und die welt lieb gewonnen. Und
Petrus Act. 1 [16ff.] zeigt klerlich an, daß Judas,
nachdem er ein verreter wurden, umb das herlich
apostelampt kommen und ein anderer an sein stadt
erwelet ist.
So derhalben ein diener der kirchen durch großen
unfleiß in seinem ampt oder offentlicher sünden
halber, als trunkenheit, ehebruch, hurerei, dieb-
stal, falsch schweren, aufrur, todschlag, ketzerei,
spaltung oder dergleichen, des ampts sich selbstun-
wirdig macht, will es warlich vonnoten sein, daß
ein solcher auch offentlich vor der ganzen gemein
seines ampts entsetzet werde13. So nun einer offent-
lich von wegen seines unfleiß angeklagt und des-
selbigen von vielen zeugen uberweiset, den sollen
die eltesten derselbigen kirchen als seine mitbrüder
etliche mal freundlich vermanen. Darnach der su-
perintendens etwas scherpfer mit angehenkter drau-
ung, wo er sich nit beizeiten besser, soll er ab-
gesetzet werden. Und so alsdann kein besserung
volgt, soll der superintendens in beisein etlicher
pfarherr oder, so es mit fug geschehen kann, in dem
synodo nach fleißigem erkentnis der sachen pro-
nunciren, daß ein solcher umb gehörter und be-
werter ursach willen nicht lenger im predigt-
ampt zu dulden sei. Welchs man auch ihm dem ver-
klagten, nachdem er zuvor an denselbigen ort zeit-
lich beruffen, in gegenwertigkeit ihrer aller anzei-
gen soll und ihn das pfarhaus alsbald raumen hei-
ßen, domit ein ander an sein stadt aufs forderlichst
angenommen werde. Diesen gesprochnen sentenz
des superintendenten soll den nechst volgenden
sontag ein ander pfarherr von wegen des super-
intendentis oder des ganzen synodi in der kirchen,
darin der beurlaubte zuvor geleret, nachdem das
ganze ampt in der kirchen verrichtet, verkün-
digen.
Auch soll man zugleich denjenigen, welchen dies
gebüret, befehlen, daß sie nach einem andern bei-
zeiten trachten und mitlerweil Gott den himlischen

13 Vgl. die Khchendienerordnung 1531 Abschn. 3,
S. 72 ; Kirchendienerordnung 1537 Abschn. 11, S. 98.

Vatter fleißig bitten, er wöl einen andern tüchtigen
und fleißigen senden und geben.
So aber einer durch anregung des Satans ein
laster begangen, durch welchs ein ganz gemem ge-
ergert und alle fromme christen heftiglich betrübet
worden und solchs offentlich jederman bewust
were, soll der superintendens (dieweil diese sach
auf den synodum nicht mag aufgeschoben werden)
von stund an etlich pfarherr der nechstgelegenen
kirchen an den ort, da das laster volbracht, oder
anderstwohin (wie sichs nach gelegenheit dieser
sach am besten schickt) beruffen und, wenn sie bei-
einander sein, den ganzen handel vorsichtiglich
und fleißig erkündigen, und soll der superintendens
den sentenz uber den verklagten, er sei zugegen
oder nit, gehen lassen, welchs er nachmals, wie
auch zuvor gesagt, der ganzen gemein, da der ver-
klagt gewohnet, in der kirch vorhalten soll. Zudem
dieweil sich zun zeiten ein solch laster zutregt, der-
halben man die teter dem Satan ubergeben muß
(darvon dann hernach weitleuftiger gehandelt
wirt14), sollen der superintendens und die pfarherr
verkündigen, daß er so lang aus der gemeinschaft
der kirchen soll ausgeschlossen sein, bis er vor der
ganzen gemein, die er zuvor geergert, buß tue.
Welches dann warlich das höchste und schwerste
urteil der kirchen ist.
Es will15 auch unser gnediger fürst und herr,
daß kein stathalter, oberamptman, amptman,
amptknecht, oder wer der seie, keinem pfarherrn,
caplan, noch prediger zu gebieten noch zu richten
hab, es sei dann, daß ihme hierin unser g. f. und h.
selbst in eigner person sonderlich befelch getan,
oder der prediger in offentlichen lastern, als dieb-
stal, ehebruch, totschlag, aufrur und dergleichen
in warheit befunden und uberzeuget würde. Als-
dann mag man zu ihme greifen, doch one wissen
und befelch unsers g. f. und h. gegen seinem leib
mit peinlicher rechtfertigung nichts vornemen.
Ende des ersten teils der kirchenordnung.

14 Dieser Abschn. sollte dem 4. Teil der KO eingearbei-
tet werden, vgl. S. 179.
15 Vgl. Kirchendienerordnung 1537 Abschn. 6, S. 96.

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