Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0244
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenordnung 1566

1. der geburtstag unsers Herrn Jesu Christi, uf
welchen tag er in der wochen gefalle, mit nechst-
volgenden tage;
2. der tag der beschneidung Christi, neue Jars-
tag genennt;
3. der tag der erscheinung Christi, Epiphania62
genent;
4. der tag der opferung Christi im tempel, Puri-
ficationis Mariae63 genent;
5. Annunciationis64, an welchem die fröliche bot-
schaft Mariae bracht ist vom engel von der mensch-
werdung Christi;
6. der tag der auferstehung Christi, da er uf-
erstanden ist umb unser gerechtigkeit willen, wel-
cher der Ostertag genent, und alwege uf den sontag
gefelt, mit dem nechstvolgenden;
7. der tag der gedechtnus der himmelfart Christi;
8. der tag, an welchem von Gott dem Vatter in
namen Christi, des Sohns Gottes, der heilige Geist
den aposteln ist gesandt worden, der Pfingsttag ge-
nent, mit dem nechtsvolgenden;
9. der tag Ioannis Baptistae65, des vorleufers
Christi; doch sollen hinweggeton sein alle heidni-
sche abergleubische mißbreuch66, so uf dieses tags
abend und den tag etwa aus aberglauben zugelas-
sen und verhandelt werden;
10. der tag Visitationis Mariae67, daruf die ent-
pfengnus Christi von Maria und Elisabet verkün-
diget und der welt offenbaret ist.
Diese zehen feste Christi werden gleich dem son-
tag bei uns gehalten und alle eußerliche werk und
leibliche gescheft underlassen und mit der lehr und
predigt, mit gebet und danksagung, auch an vielen
orten mit ausspendung der heiligen sacramenten
hinbracht.
An den tagen aber der aposteln, item Magdale-
nae68, Michaelis69, Conversionis Pauli70, item am
grünen Donnerstag, Karfreitag, item den dritten
tag nach der geburt Christi, Ostern und Pfingsten
geschicht des morgents ein predigt on alle feier.
Es kompt auch die christliche gemein alle monat
einmal zusamen uf einen gewissen tag nach ge-
62 6. Januar. 63 2. Februar. 64 25. März.
65 23. Juni vigil der Geburt Joh. des Täufers; 24. Juni
Fest In Nativitate Joannis Baptistae.
66 Vgl. H. Bächtold-Stäubli (ed.), Handwörter-

legenheit eines iglichen orts, an welchem man bet-
tage helt und die ganze kirche fur Gott mit erkent-
nus ihrer sünden in warer demut nach gehaltener
predig betet und gnade und abwendung der wol-
verdienten straffen mit ernst begeret, doher es ge-
wonlich genent wird die litanei71, das ist das gebet.
Über diese erzelte verordnete und bestimpte
feiertag und bettage mögen durch die superinten-
denten, wann gemein not in sterbensleuften und
kriegszeiten, item teurung und anderer dergleichen
fürfallende unfel aus Gottes zorn, durch unser sünd-
lichs leben erregt, vorhanden, auch andere bettage
angesetzt und gehalten werden, daruf an allen orten
im ganzen fürstentumb Gott einhellig umb abwen-
dung der wolverdienten straff angeruffen und die
leut zu warer buße und ernstlicher besserung ihres
lebens ufs fleißigst vermanet werden.
Daß aber versamlung der kirchen zu andern zei-
ten, dann itzt vermelt, gehalten werden, wird kei-
nem diener Gottes worts gestattet noch zugelas-
sen, sondern ein iglicher soll sich vermöge dieser
ordnung halten.
Es ist auch zwar nit fur ein geringe woltat Got-
tes zu achten, wenn durch verleihung göttlicher
gnaden die obgemelte wenige tage mit rechter got-
tesfurcht und christlicher andacht, wie dann chri-
sten wol anstehet, gehalten werden.
Dann wir sehen leider und vernemen mit großem
schmerzen, wie daß der größt hauf, nit allein bei
uns sondern an allen orten, beinahe der feiertage
sich schendlich mißbrauchet, damit daß sie diese
tage, uf welche sie sich aller gottseligkeit solten be-
fleißigen, als nemlich Gottes wort hören und lernen
betrachten, die heilige sacrament gebrauchen, Gott
anruffen umb allerlei notturft, ihm fur alle wol-
taten danksagen, die kranken und gefangenen be-
suchen und trösten, den armen nottürftigen die
almusen mitteilen, ganz unchristlich und böslich
zubringen mit unzimlichen fressen und saufen, spie-
len und danzen, mit jarmarkten und kirmessen und
vilen andern ergernussen und leichtfertigkeiten, so
uf die feiertage geschehen. Darumb allen treuen
buch des deutschen Aberglaubens4,1931/32, S.704ff.
Art. Johannes der Täufer.
67 2. Juli. 68 22. Juli. 69 29. September.
70 25. Januar. 71 Handbuch 1, 415ff. Nr. 510.

228
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften