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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0243
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Kirchenordnung 1566

dieses zeitlichen lebens vonnöten ist, suche und er-
werbe, hat es Gott wolgefallen, von anfang her den
menschen zu gut die zeit zu underscheiden, daß
etliche zur arbeit, etliche aber zur ru, etliche zum
offentlichen gemeinen gottesdienst, etliche aber zu
täglicher notturft verordnet werden.
Derhalben hat Gott den siebenden tag zu hei-
ligen befolhen, uf welchem alles, was zur gottselig-
keit und ewigem leben forderlich ist, soll verrichtet
werden. Daher derselbige tag von wegen der ru und
underlassung der arbeit bei den hebreern den na-
men sabbath bekommen.
Nachdem aber die juden mit der zeit diesen tag,
wie vil andere ding, ganz abergleubisch mißbraucht
und aus göttlicher versehung verordnet, daß gleich
wie die kirch und policei der juden, also auch das
gesetz vornemlich die ceremonien belangend ab-
geschafft und aus einem andern volk, nemlich den
heiden die kirch Christi versamlet werden solte,
haben die apostel, der heiden lehrer, sampt andern
judischen ceremonien auch den sabbath des geset-
zes, vornemlich dieweil er nur ein schatten der zu-
künftigen ding gewesen, wie das klar zu sehen Co-
los. 2 [17]; Hebre. 3 [7ff]; 4 [3ff], abgetan und an
desselbigen statt verordnet des Herren tag, wel-
cher bei uns der sontag genent wird, welcher, die-
weil er auch der siebende tag ist, stimpt er ganz
mit dem vorigen gebot Gottes uberein, also, daß
am gebot selbst kein verenderung geschicht, son-
dern nur an seinen umbstenden, nemlich an der
ordnung, wie er an dem siebenden tag der juden
der nechst volgt. Daß aber dieses von den aposteln
geschehen sei, kann man aus der heiligen schrift
leichtlich abnemen; dann also lesen wir in der apo-
steln geschicht am 16. cap. [12f]: Wir hatten in der
stadt Philippis unser wesen etliche tage. Des tags
der sabbather giengen wir hinaus fur die stadt an
das wasser, da man pflegt zu beten. Do redt gewiß-
lich Lucas nit vom gottesdienst der heiden. Wider-
umb am 20. cap. [7]: Auf einem sabbath aber, da
die jünger zusamenkamen, das brot zu brechen,
predigt ihnen Paulus und wolte des andern tages
ausreisen. Dieweil nu Lucas austrücklich sagt, dies
sei nit am sabbath, sondern am tag der sabbather

und an einem der sabbather geschehen, so ver-
stehen dies alle gelerten eintrechtiglich vom son-
tag, und ist gleublich, es sei solcher tag vom apostel
Paulo den Ephesern befolen zu halten, sintemal er
ganz unverhindert drei ganze jar bei ihnen gelebt
und geleret hat. Es ist auch kein zweifel, es sei von
den andern aposteln an andern orten gleicherweise
geordnet worden.
So bringts auch mit sich die art zu reden bei den
hebreern, die das wortlein einer gebrauchen vor
den ersten als Gen. 1 [5]: Da ward aus abend und
morgen ein tag, das ist der erste. Auch wird er-
zelet Lucae. 24 [1], Christus sei erstanden an einem
der sabbather, das ist am ersten, do alle lerer ein-
mutig verstehn den sontag. Und zeigt Ambrosius
uber 16. cap. 1. Cor.61, in welchem der apostel ver-
manet, daß ein iglicher ja uf der sabbather einem
etwas bei sich lege, den armen mitzuteilen [1. K
16, 2], ganz ausdrucklich, daß der eine der sabba-
ther sei der sontag.
Was aber den namen des herrntags belangt, so
findet man denselbigen Apocalyp. 1 [10], da er
spricht: Ich war im geist an des Herren tag. Der-
halben so halten und feiren wir diesen siebenden
tag, von Gott selbst eingesetzt, von den aposteln
umb wichtiger ursachen willen bestetiget und des
Herren tag genennet, mit der algemeinen christ-
lichen kirchen, und werden an solchem tage bei uns
an allen orten heilige christliche versamlung der
gottseligen in gottesfurcht und mit aller andacht
gehalten.
Zum andern helt man auch bei uns christliche
versamlunge in der wochen mit leren und predigen
sampt dem gebet, lob und danksagung, wiewol nit
an einem ort als am andern nach gelegenheit der
kirchen, dann an etlichen orten alle tage, an etlichen
orten drei tage, in stedten an etlichen zwen tage,
in flecken aber und dorfen etwan ein tag in der
wochen gehalten wird.
Uber das werden noch etliche feste, doch wenig
von wegen der gedechtnüs der herlichen werken
und woltaten, von Christo volnbracht, gehalten,
welche wir Christi feier und feste nennen und seind
diese nachfolgende:

61 Ambrosius, Comm. in ep. 1 ad Cor. 16, 1 f.; MPL 17, 272f.

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