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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0252
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Kirchenordnung 1566

Desgleichen schreibt Clemens Alexandrinus lib. 7
stromatum99: Das ganze leben eines christen ist
eben als ein herlich und heilig fest, sein opfer seind
das gebet und lobgeseng, auch der heiligen schrift
lectiones, so vor essens geschehen. Die psalmen aber
und lobgeseng seind ihr gebet, welchs geschicht,
so man isset, ehr dann man schlaffen gehet und
sonsten des nachts. Item paedagogi lib. 2 cap. 4 1:
Gleich wie uns gebüret, zu loben den schöpfer aller
ding, ehe wir die speis zu uns nemen, also gebürt
sich auch uber dem drank ihm lob zu singen, weil
wir seiner creaturen teilhaftig werden; an welchem
ort bald hernach2 gesetzt wird, daß die bulenlie-
der, auch andere weibische und unnütze seiten-
spiele den christen nit zimen. In der historia tri-
part.3, als Iulianus der Apostata und abtrinniger
christ fur einem haus uberging, darin die jung-
frauen etliche psalmen sungen, ward er ganz zornig
und grimmig. So viel vom geseng der psalmen und
lobgesenge. Wir wollen nun zu unserem vornemen
widerumb kommen.
(5) Nachdem nun etzliche psalmen gesungen und
die gemein sich versamlet hat, ists billich, daß wir
alle fur uns selber vor allen dingen bitten, denn
solches erfordert das gesetz der liebe.
Was können wir aber größers und bessers von
Gott begeren, denn daß uns unsere sünde umb Chri-
sti willen vergeben werden. Vor dies allein sollen wir
von herzen sorgfellig und bekümmert sein; denn
wie wollen wir fur andere bitten oder etwas frucht-
barlich in der christlichen versamlung verrichten,
so wir nit erstlich mit Gott versünet seind. Söllen
wir aber von Gott vergebung der sünden begeren,
ist vonnöten, daß wir uns erstlich vor ihm de-
mütigen und vor arme sünder erkennen und be-
kennen. Derhalben sollen diese drei stück, nemlich
die ware demut, die beicht und bekantnus mit reue
und leid uber die begangene sünde und das gleu-
bige gebet umb vergebung der sünden umb Christi
willen nach dem gesang in der christlichen gemein
geschehen.
Wir vernemen [Luk 18, 9-14], daß von unserm
99 Clemens Alex., Strom. 7, 7, 49, 3f.; MPG 9, 469;
GCS 17, 37.
1 Clemens Alex., Paed. 2, 4, 44; MPG 8, 444; GCS
12, 184.

Herrn Christo höchlich gelobt und gerecht genent
wird der zölner, so im tempel seines herzen demut
bezeuget, indem er stund von ferne, dorft seine
augen nicht gen himmel ufheben, bekant seine
sünde, schlug an sein brust, gab damit zu verstehen,
daß ihm von herzen wehe tet, daß er Gott mit sei-
nen sünden so schwerlich erzürnet hette, bit end-
lich Gott, daß er ihm solche gnediglich verzeihen
wölle; Petr. spricht 1. epi. 5 [5], Gott gebe den
demütigen gnade; David sagt Psal. 101 [= 102,
18], Gott sehe an das gebet eines demütigen men-
schen; im 32. Psalm [5f] spricht er: Ich bekenne
meine sünde und verhele meine missetat nicht, da-
fur werden dich alle heiligen bitten zur rechten zeit;
ja, von diesem stück handelt die ganze heilige
schrift, die vornemsten und herlichsten predigen
des evangelii, Joannes des teufer [Mk 1, 4 parr.].
Unser Herr Christus vermanet allerlei stende zur
buß und bekentnus der sünden und daß sie ver-
gebung der sünden von Gott begeren durch den
glauben ans evangelium von Christo [Mk 1, 15
parr.]. So befehlet auch Christus seinen aposteln,
daß sie sollen predigen in aller welt buß und ver-
gebung der sünden im namen Christi [Luk 24, 47].
Diesem befelch seind die aposteln treulich nach-
kommen und in ihren predigen diese ordnung fleißig
gehalten, wie zu sehen Act. 2 [38] und 3 [19].
Dieses weiter ursach und exempel anzuziehen,
ist unnötig. Dieweil nun der erste grad und anfang
zur seligkeit in warer demut, buß, auch erkentnus
der sünden mit reu und leid, darzu mit herzlichem
begeren und vertrauen uf die barmherzigkeit Got-
tes in Christo stehet, ist billich, nachdem die ganze
gemein versamlet ist, fur sich und andere zu bit-
ten, daß der diener Gottes worts vor dem altar stehe
und mit heller stimme zur ganzen gemein also sage.
Vermanung zur demut, buß und bekantnus
der sünden, auch gleubigem gebet und
vergebung derselbigen
Ihr geliebten im Herrn, nachdem wir alhie ver-
2 Clemens Alex., Paed. 2, 4, 44; MPG 8, 444f.; GCS
12, 184.
3 Cassiodor, Hist. trip. 6, 36; MPL 69, 1055; CSEL
71, 359,

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