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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0253
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Kirchenordnung 1566

samlet seind im namen unsers heilands Christi,
unsern glaubigen gehorsam und ehrerbietung ge-
gen Gott einmütiglich zu bezeugen, ist zum ersten
vonnöten, daß wir uns mit allem fleiß dem Herrn
befehlen, welchs zwar von uns nit geschehen kann,
wenn wir uns nit von herzen demütigen und vor
arme sünder mit warer furcht und rechtschaffner
buß erkennen und bekennen, darnach auch aus
glauben an den Herrn Christum vergebung unser
sünden begeren und unser leben bessern. Damit
aber ein jeder desto mit größerer andacht von her-
zen betracht, wie und uf wasserlei weis, auch wie
schwer er Gott beleidiget und erzürnet habe und
also zu erkentnus eigener schwacheit und gebre-
chen, warer demut, christlicher reu und leid von
herzen kommen möge, vermanen wir euch und bit-
ten, so lieb euch euer seelenheil ist, daß ihr die
augen euers herzen auftut und acht habt uf das
gesetz Gottes, welchs summa in den zehen ge-
botten begriffen, damit ihr verstehen mögt, was
wider ein jedes gebot ein jeglicher fur sünde be-
gangen habe. Dann durch das gesetz Gottes kompt
man zur erkentnuß der sünden [Rm 3, 20]. Der-
halben höret mit fleiß und christlicher andacht uf
die zehen gebot4, welche also lauten:
Das erst: Du solt kein ander Götter haben ne-
ben mir, etc.5.
Nachdem aber die zehen gebot verlesen, spricht
der diener weiter: Ihr geliebten im Herrn, ein jeg-
licher hat sein eigen gewissen und im selbigen seine
gedanken zu zeugen, uf wasserlei weis er wider die
gebot Gottes gesündiget habe, welchs urteil des ge-
wissens furwahr ganz schwer ist, dieweil es mit dem
urteil Gottes, der die herzen forschet und erkennet
und dem nichts verborgen sein kann, gar uberein-
stimbt und derhalben den menschen, wie heimlich
er auch etwan gesündiget, nit sicher sein leßt, son-
dern ganz unruig macht. Dieweil wir denn durch
unser eigen gewissen uberzeugt, daß wir umb unser
sünden willen vor Gott allesampt schuldig, ist der
einige trost noch uberig, daß wir mit demütigem
und zerschlagem herzen vor Gott, dem gerechten
richter uf unser knie fallen, ihm als unserm barm-
4 Auch Surgant und Zwingli kennen die Verlesung der
Zehn Gebote, jedoch nach dem Glauben (vgl.
F. Schmidt-Clausing 100).

herzigen Gott und Vatter unser sünde bekennen
mit warer reu und leid und rechtschaffener buß.
Sprecht derwegen mit mir in euerm herzen diese
beicht zu Gott, dem Vatter aller barmherzigkeit,
und begert mit mir vergebung der sünden.
Nachdem der kirchendiener dies geredt, spricht
er mit lauter stim, daß die gemein hören möge und
bei sich heimlich die nachsagen könte, diese fol-
gende beicht und bekantnis der sünden, welche
ihm auch die kirche mit großer andacht zu Gott,
wie gemelt, fein ordentlich nachreddet.
Die beicht und bekantnus der sünden6
O himlischer Vatter, ewiger, einiger Gott, sihe,
wir liegen vor dir mit unserm gebet, erkennen und
bekennen, daß so wir ansehen unser leib, wesen und
leben, allesampt arme und verdampte sünder seind,
nit wirdig, unser augen gen himmel zu dir ufzu-
heben. Zuvoraus bekennen wir, daß wir in sünden
entpfangen und geboren, von uns selber zu allem
bösen alzeit geneigt, haben lust zur untugent, dar-
gegen aber scheuen und fliehen wir das gut; dann
wir befinden, daß wir under die sünde verkauft,
ohn underlaß wider den geist und das gesetz unsers
gemüts streiten und daher in mancherlei sünd ge-
raten. Derhalben, o Herr, mögen wir nit verbergen
unsere große schwacheit, unsers gemüt blindheit,
unsern großen unverstand, zweifel und unglauben
in göttlichen dingen und andern dergleichen sün-
den, so uns allezeit von natur anhangen und nim-
mermehr aus unserm herzen in diesem leben gar
mögen gefegt werden, welchs furwahr an ihm sel-
ber ganz schwer und zeitlicher und ewiger straff
wol wert ist. Uber dies alles bekennen wir, daß wir
aus angebornem verderben und gebrechen deine
allerheiligste gebot uf mancherlei weis ubertreten,
mit gedanken, mit geberden, worten und werken.
Wenn solchs alles vor dein gericht solte vorgestelt
werden, wer könte vor dir bestehen ? Wir wollen
geschweigen, daß kein mensch merken noch ver-
stehen kann alle seine fehl und gebrechen, damit
wir wider dich und unsere mitbrüder sündigen.
5 Text der Gebote unten S. 301.
6 Herkunft?

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