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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0262
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Kirchenordnung 1566

geren sollen(Matth.7,11 ;Lucae10, 2; Joan. 16,23).
Es hat uns auch unser Herr Christus verheißen,
was wir den himlischen Vatter in seinem namen bit-
ten werden, das will er uns willig und reichlich ge-
ben (Joan. 16, 23). Zuletzt wissen wir auch aus der
verheißung Christi, daß eines iglichen gleubigen
gebet, ich geschweige der ganzen gemein, im na-
men Christi ordentlich versamlet, soll erhöret wer-
den umb Christi willen (Matth. 18, 19f). Daraus
volget unwidersprechlich, daß das gemein gebet
ein sonderlich merkzeichen und ubung sei der
christlichen kirchen und aller gleubigen, welchs
dem almechtigen Gott wolgefellig und angenem sei.
Derhalben auch wir in dieser unser versamlung mit
einmütigem herzen im Geist und in der warheit
Gott den Herren nit allein fur uns, sonder auch fur
die ganze kirche und alle stende und noturft der
menschen anruffen.
Zum ersten und vor allen dingen fur alle diener
Gottes worts und glückseligem lauf des evangelii,
damit dasselbige in allen landen möge gepflanzet
und ausgebreitet werden und also die zal der christ-
gleubigen wachse und zuneme, wie wir des ein be-
felch haben von Christo und dem apostel Paulo
(Ephes. 6, 18-20; Colos. 4, 2-4), nemlich daß den
predigern gegeben werde, das wort mit freudigem
ufftuen ihres munds zu verkündigen, damit kund und
offenbar werde das geheimnus des evangelii von
Christo und daß sie in demselbigen freudig handeln
und reden, wie sich gebürt, der gemein zur fürde-
rung und freude des glaubens, der kirchen aber und
gemein die gnade im heiligen Geiste in Christum
beigeleget werde, damit sie in aller lehr und aller
erkantnus, nachdem die predige von Christo in ihr
kreftig werden, reich gemacht werde, also daß sie
kein mangel hab an irgend einer gabe und unstreff-
lich und wirdig wandel dem evangelio Christi und
also stehe in einem geist und in einer seel, zu kemp-
fen im glauben des evangelii, auch sich in keinen
wege erschrecken lasse von den widersachern, son-
dern fest halt am evangelio bis ans ende und warte
der offenbarung Jesu Christi [1. K 1, 5-8].
Zum andern wollen wir auch bitten fur keiser,
könige, fürsten, obrigkeit und alle gewaltigen und
ein ruig regiment und gemeinen frieden, wie uns von
dem apostel Timot. 2 [1. Tim 2, 1f] befohlen wird.

Zum dritten fur alle diejenigen, so verlangen
haben zur erkentnus der warheit, sie seien gleich
wer sie wöllen, auch die so in frembden landen ver-
folget und gemartert werden umb der warheit wil-
len (Acto. 12, 5; Rom. 15, 30-32; 2. Thess. 3, 1 f).
Zum vierten wollen wir auch bitten fur alle un-
sere widersacher und verfolger, vornemlich aber fur
diejenigen, so aus unwissenheit der warheit wider-
streben und die christen unbillicherweise verfol-
gen, daß ihnen Gott der Herr dies gnediglich ver-
gebe und diese schwere sünde nit zurechnen wolle
und daß er solche zum erkentnus der warheit füre,
damit sie auch selig werden, wie wir dann lesen
Matth.5 [44ff.], 27 [1 ff.], Lucae 23 [34], Ioan. 16
[23 ff.], Acto. 7 [59], 1. Timot. 1 [20].
Zum fünften fur alle kranken und diejenigen, so
ein innerlich oder eußerlich anfechtung haben, auch
fur alle, so von wegen des kreuzes, welches ihnen
Gott zuschickt, betrübt sind, daß sie mögen ge-
tröstet werden, wie wir lesen in der epistel Iacobi
cap. 5 [14f],
Zum sechsten wollen wir insonderheit auch Gott
anruffen fur gegenwertige gemeine notturft. Diese
bit ist nötig, wann krieg, hunger oder teurung,
oder sonst andere not und unfell vorhanden sind.
Zum siebenden laßt uns auch bitten fur alle das-
jenige, so der ganzen christlichen gemeine angelegen
ist, fur alles, darumb Gott will angeruffen sein. Wir
wollen auch undereinander fur uns selber bitten,
die wir alhie zusamenkomen seind. Und laßt uns
erstlich einander verzeihen und darnach Gott an-
ruffen und bitten umb gnad und vergebung der
sünden.
Diese form des gebets mag man kürzer oder len-
ger machen, nach einer jeglichen kirchen gelegen-
heit.
Es will sich aber gebüren, daß jedermann beide,
das gebett und alles, so in der kirchen verhandelt
wird, mit herzlicher andacht und rechtem verstand
verrichte, dann das gebet ist furnemlich wie ein
band der höchsten einigkeit, durch welchs alle gleu-
bigen, insonderheit aber die diener göttliches worts
undereinander verbunden und derselben sich auch
befleißigen sollen, daß sie einander treulich beiste-
hen und fordern. Daher ist, daß der apostel an vilen
orten spricht, er bete one underlaß fur die, zu wel-

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