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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0268
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Kirchenordnung 1566

Ein solche verdrießliche arbeit legen wir unsern
kinderlehrern in keinen weg nit auf, dieweil es der
stand und gelegenheit dieser zeit nit bedarf, sonder
das befehlen wir den unsern, daß sie auf die zweier-
lei menschen, so vorgemelt, all ihre predig richten.
Dann gleich wie in den schulen, so von kindern,
die sprachen und freien künst zu lernen, besucht
werden, gewisse classes61 underschiedlich geordnet,
also werden in der schul und kirchen Christi zweier-
lei zuhörer nit unbillich gezelet: Die ersten, so ganz
kinder und unerfaren seind in der lehr der religion,
sie seien gleich nach den jaren jung oder alt. Die
andern, so den catechismum etzlichermaßen gefas-
set und derhalb zu underrichten seind, wie sie wei-
ters fortfaren und zunemen sollen, welcher under-
scheid ausgedruckt wird 1. Cor. 3 [1 f]; Heb. 6
[12], do etliche mit milch zu speisen, etliche mit
starker speise zu nehren gesetzt werden, wiewol zun
Ephesern 4 [13f.] etliche in dem erkantnus christ-
licher lehr beschrieben werden als kinder, etzliche
als noch jünglinge, etliche endlich als volkomene
menner. Derhalb, welcher bei uns die lehr des cate-
chismi treibet und auslegt, dem will gebüren, die
predig in zwei teil zu setzen. Erstlich, daß er mit
kurzen und verstendigen worten die kinder und
einfeltigen im catechismo einfeltig underricht,
freundlich vermane und straffe, wie das ihrem alter,
verstand und wandel am allerbequemlichsten ist.
Zum andern, daß er auch den catechismum bei
denen, so ihn etlichermaßen gefaßt, mit bewerung
der sprüchen aus der h. schrift, göttlichen verhei-
ßungen und drauungen, auch exempel reichlicher
ausstreiche, auch vermanung und straff darzutu,
die sich mit ihrem alter und verstand schicken.
4. Welcher in diesen zweien stücken rechte maß
und ordnung halten wird, bringt darvon ein lob
und schaffet nutz bei den kirchen und zuhörern.
Wenn nun die predig des catechismi vollendet
und die, so den catechismum zu hören verordnet,
sich gesetzt haben, probirt der lehrer etliche kin-
der hin und wider mit fragen und antworten, er-
fordert von einem dieses stück, vom andern ein
anders zu erzelen und zu erkleren. Und so er bei
den einfeltigen gar umb gefragt, gehet er fortan zu

61 Vgl. S. 156 Anm. 16.

denen, so im catechismo besser underricht, und
erfordert von ihnen ein volkömliche auslegung und
bericht. Uf diese weise wird allen sontag und auch
die andern tage, so darzu bestimpt, in der wochen
die jugend etwa ein halb stund gefragt und under-
richt im catechismo, damit sie ihres christlichen
glaubens ein grund schöpfen und zur gottseligkeit
angeleit möcht werden, auch was fur ein hoffnung
von ihrem zunemen in der christlichen religion,
beide des glaubens und lebens von ihnen zu gewar-
ten sei, man abnehmen müge. Es kann auch hier-
aus verstanden werden, ob die eltern, daheim ihre
kinder im catechismo zu underrichten, fleiß und
ernst anwenden. Ja, man kann merken gewisse zei-
chen, dabei man verstehen mag, was die kirche von
wegen etlicher knaben fur geschickte leut zu be-
kommen und zu gewarten habe; wie wir denn lesen
in der kirchen historien (lib. 10 cap. 14)62, do wir
finden, daß Alexander, der bischoff zu Alexandria,
als er sahe den knaben Athanasium die andern
jungen knaben, mit welchen er spilet, fein ordent-
lich von der lehr des catechismi fragen und gute
antwort geben, so er auch gefraget, daraus ab-
genommen hat, es würde Athanasius der kirchen
Christi ein trefflicher lehrer und prediger geben.
Daher denn auch der spruch Salomo. (Prover. 20,
11) also laut: Man kennet ein knaben an seinem
wesen, ob er from und redlich werden wölle.
5. Wird nach dem examen des catechismi ein
psalm gesungen, mit welchem die kirch bittet, daß
Gott der Herr beide, den verstand reiner lehre,
auch der eingenomenen lehre rechten gebrauch und
reinigkeit und besserung des lebens, so dem be-
kentnus gemeß ist, geben und erhalten wölt. Dar-
zu mögen gezogen werden der 12. 15. 18. 24. 25.
27. 36. 64. 67. 101. 144. 145. Psalm.
Endlich beschleußt diese action der diener des
worts mit dem segen Num. 6 [24-26], wie breuch-
lich, und leßt die versamlung gehen. So vil von dem
catechismo in den stedten und örtern, so sontags
nach mittag zwen konvent gehalten werden.
Wo aber die gemein der christen nach mittag sich
nur einmal versamlet, wird es zur besserung der
gleubigen ordentlich dermaßen verrichtet:

62 Euseb, Hist. eccl. 10, 15; GCS 9, II, 981,

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