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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0269
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Kirchenordnung 1566

1. Wird ein psalm gesungen von der kirchen nach
ordenung, wie zuvor auch gemeldet63.
2. Wird etwas aus den episteln der aposteln vor-
gelesen oder die epistel nach der zeit.
3. Wird darzu geton ein kurze erklerung und aus-
legung der vorgelesenen wort.
4. So diese predig geschehen, lieset der diener
des worts der kirchen vor den catechismum, wie
er in dem catechismo Lutheri64 begriffen.
5. Volgt ein stück des catechismi, so vom diener
des worts ufs kürzest vermög der zeit ausgelegt
wird.
6. Werden die kinder gefragt, und man erfert da-
durch, was sie im catechismo gefaßt, daraus gelernt
und darin zugenommen haben.
7. Wird ein psalm zum beschluß gesungen.
8. Wird diese action beschlossen mit dem segen
durch den diener.
Wie man den sontag uf dem lande
zubringe
Wir wöllen nun forters erzelen, was auf den son-
tag in dörfern und uf dem lande geschehe. Denn
daß in denselbigen nit alles konte verrichtet wer-
den wie in stedten, kann ein jeder leichtlich erach-
ten, wiewol man billich sich bemühen soll, daß alle
dinge, so zu einer guten ordnung und besserung
dienen, allenthalben gleich, sofern es der ort leiden
kann, gehalten werde.
(1) Für das erste wird ein psalm oder zwen ge-
sungen. Es wird aber vonnöten sein, daß die diener
des worts ihre zuhörer treulich und oft vermanen,
daß sie etliche psalmen auswendig lernen, damit
sie solche in der kirchen Gottes mit lust und freude
zu singen geschickt werden. Die hirten uf dem felde
haben die frölich bottschaft von Christi geburt auch,
die engel, so Gott lobten und Ehre sei Gott in der
höhe sungen (Lucae 2, 14), für allen andern zum
ersten gehört, damit die bauersleut alsampt wüß-
ten, daß sie sollen der engel schuler werden und
die ehre Gottes stetigs in den christlichen versam-
lungen mit singen befordern. Wir sehen, wie leicht-
63 Vgl. S. 248.
64 Kleiner Katechismus, Bek. Schrr. 507 ff.
65 Chrysostomus, In ep. ad Rom. hom. 26, 3f.; MPG

lich die leut teglich die bulenliedlin, gassenhauer
und andere unnütze leichtfertige gesenge lernen und
hin und wider mit gesang treiben. Solten sie nit
viel mehr sich befleißigen, die psalmen Davids zu
lernen und zu singen, wo anderst lust und liebe zu
Gottes ehre bei ihnen were ? Johannes Chrysost.
uber die epistel an die Römer in der 26. predig65
spricht also: Sind den in Palestina oder judischem
land oder in einem engen winkel der welt die hand-
lung der seligkeit eingesperrt ? Hastu nit gehöret
den Propheten (Baruch) [Jer 31, 34], der also
spricht: Von dem geringsten an bis uf den größten
sollen sie alle mich erkennen. Wie mögen die ent-
schuldigt sein, weil sie die lehr der warheit so klar
am tag und offenbar hören und wenden doch so ge-
ringen fleiß an, ja, sorgen nit, wie sie die möchten
lernen. Du sprichst: Forderst du das von denen,
so den acker bauen und so unverstendig und un-
gelert sein ? Ja, nit allein von dem ackerman und
ungelerten, sonder auch von denen, so noch grö-
bers verstands denn itzt die barbari seind; denn,
lieber, sag mir doch, uf waserlei weise kann ein sol-
cher in weltlichen sachen widersprechen, so er be-
leidigt, und widerstehen, so er uberwaltiget wird ?
Ja, alles tun und versuchen, daß er nit etwa ver-
leumbdet werde ? Und solt in Gottes sachen sich
keines fleiß nach geschicklichkeit brauchen ?
Wenn jemands ein stein anbetet und meinet, er
sei Gott, und helt also sein fest, wendet er kosten
daran und erzeigt viel andacht und wird doch durch
sein einfeltigkeit nit treg oder nachlessig gemacht.
Wenn aber unser Herr Christus, der warhaftig ist,
zu suchen ist, so wiltu mir viel sagen von ihrer ein-
falt und ungeschicklichkeit. Aber es ist nichts, sage
ich, sonder ein jeder verdirbt allein aus seiner eigen
schuld der nachlessigkeit und faulheit.
Darumb sagt recht Chrysostomus66, daß das
baursvolk darumb unwissend sei der psalmen und
andern göttlichen sachen, weil sie auf diese ding
ihr gemüt und herz nit mit solchem fleiß schlagen,
wie sie uf andere zeitliche ding sich begeben. Was
mangelt unsern baurn, das jemals die bauern in
dem jüdischen land gehabt haben ? Und es erzelet
60, 641 f.
66 Chrysostomus, In ep. ad Rom. hom. 26, 4; MPG 60,
642.

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