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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0272
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Kirchenordnung 1566

erklert. Nach der predig volgt bald das gebet, dar-
nach die danksagung und der segen.
Es werden aber neben diesen versamlungen in
den predigen die zuhörer mit ernst ermanet, daß
sie gedenken, daß es ihres ampts sei, wenn schon
kein christlich versamlung gehalten würden, sie
seien daheim oder uf dem feld, morgents oder
abends, wann sie an die arbeit oder darvon gehen,
so oft sie essen wöllen, oder gessen haben, daß sie zu-
voraus in allweg Gott anruffen und danksagen, und
derhalb jedermann sein kinder und gesinde under-
weise daß sie täglich das Vatter unser und etlich
psalmen sagen oder singen. Es ist je ein demütiges
gebet, so aus dem glauben an Christum herfleußt,
Gott angenem, es sei an welchem ort oder zu wel-
cher zeit es wölle, Gott schetzet der meschen ge-
bet nach ihrem gemüt und innerlichen affecten, nit
nach underscheid der zeit und örter. Und der apo-
stel Paulus spricht (1. Cor. 10, 31): Ihr esset oder
trinket, oder was ihr tut, so tuts alles zur ehre Got-
tes.
Wenn aber uf die tage der predig in der wochen
gefellt ein fest Christi oder bettage, oder darin man
Gott danksage, so leßt man die frühpredig anstehen
und wird alles verrichtet wie in nachvolgenden
punkten stehet.
Was gehandelt werde an festen Christi
Justinus Martyr in der andern Apologia spricht
also83: Am sontag kommen wir all zusamen, weil
es der erste tag ist, an welchem Gott, nachdem er
die finsternus und wüst verendert, die welt machte
und dieweil unser Heiland Christus von den toten
erwecket ist. Denn am tag vorm sambstag haben
sie ihn ans kreuz geheft. Den tag nach dem sambs-
tag, welcher ist der sontags, als er seinen aposteln
und jüngern erschienen war, ubergab er ihnen die-
ses, welchs wir euch auch zu betrachten zulassen,
aus welchen worten offenbar ist, daß dies dominica
oder sontag sei unsers Herrn Christi tag und hab
von unserm Herrn Christo den namen. Daher wer-
den nit sonder ursach an einem iglichen sontag die

83 Justinus Martyr, Apol. 1, 67, 3-5; MPG 6, 429; Flor.
patr. 2, 110f.

wort und werk Christi aus den büchern der evan-
gelisten offentlich gelesen und ausgelegt. Weil aber
in so vielen und herrlichen werken Christi etliche
(so wir anderst bedenken, was sie für nutzen zur
seligkeit des menschlichen geschlechts bracht ha-
ben) nit anders den wie die lieb sonne den geringen
sternen vorleuchten, ist es furwar ganz billich, daß
diese insonderheit von allen, so durch Christum
zum heil und ewigem leben beruffen sein, fleißig be-
trachtet und mit dankbarer gedechtnus widerholet
werden. Es können aber vier ursachen angezogen
werden, die uns billich darzu bewegen sollen.
(1) Die erste, daß jederman zu besserer und
gründlicher erkentnus unserer religion komme und
in seinem herzen versichert werde, als wenn der
tag begangen wird, an welchem Christus mensch-
liche natur an sich genommen und von der jung-
frauen Maria geboren ist, oder auch an welchem er
umb unser sünde willen gestorben und umb unser
gerechtigkeit willen wider uferstanden ist, oder an
welchem er gen himmel gefaren und an welchem
er den h. Geist, seinen jüngern verheißen, gesandt
hat.
Diese gedechtnus, sag ich, järlich widerholet, be-
wegt fast sehr, daß wir fur war und gewiß halten,
alles was von Christo durch die evangelisten be-
schrieben ist, welchen hoch angelegen gewesen, daß
sie alles, wie es mit Christo ergangen, auch treu-
lich mit seinen umbstenden in die h. schrift ver-
fassen möchten. Wiewol auch dies zur gewißheit
und versicherung unserer christlichen lehr dienet,
daß wir sehen, daß die evangelisten in ihrem schrei-
ben aus dem gesetz und propheten viel und mancher-
lei weissagung mit einmengen, welche ganz offent-
lich erweisen, daß Christus, der Sohn Gottes und
Marie der jungfrauen, den wir verehren, sei der
rechte ware Messias, den vettern von anbegin ver-
heißen, auf welchen auch die vetter all ihr hoffnung
und seligkeit gesetzt und derhalben mit großem
verlangen uf ihn gewartet haben.
(2) Die ander ursach ist sehr notwendig. Dann
die fest Christi darumb von der kirchen gehalten
werden, daß ein jeglicher christ eigentlich lernen
84 Bek. Schrr. 21.

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