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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0287
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Kirchenordnung 1566

dig, so uf dieselbigen tage von der taufe und zu
denen, so getauft und neu geborn werden söllen,
gehalten worden sein. So beweisens auch die feier-
tage, denselbigen festen zugetan, welche noch heu-
tigs tags gehalten werden. Eben dasselbige beweren
die ceremonien, an etlichen orten noch breuchlich,
von welcher rechten brauch und deutung diejeni-
gen, so der antiquitet und voriger zeit unerfahren,
nit viel wissen.
Wir verstehen aber die gebett und lobgeseng, so
bei der heiligen taufe geschehen und uf die action
der h. taufe gerichtet sein. So redet auch hievon
der Babst Leo in 4. epistola an die bischoffe in Si-
cilia49, aus welchen etliche ding gelesen werden de
consecrat. distinct. 450; item desselbigen 78. epi-
stel51; desgleichen 1. epistola Syritii an Hime-
rium52, den Tarraconenser bischoff, auch die epi-
stel Gelasii des ersten an die bischoff in Lucania,
Brutiis, Sicilia53; item der 4. canon Gerundensis
concilii54 bestetiget eben dasselbige.
An etlichen enden aber, vornemlich in den mor-
genlendischen kirchen, ward die taufe gehalten
auch uf den tag Epiphaniae, welchs leichtlich mag
aus einer predig Gregorii Nazianzenzi55 abgenom-
men werden. Und dies geschach derhalben, daß viel
aus den alten es darvor gehalten, Christus sei uf
denselbigen tag im Jordan getauft worden.
Daß aber in diesen landen, in welchen wir wo-
nen, nach dem jar 730 und lang darnach die tauf
gewonlich allein uf Ostern und Pfingsten sei gehal-
49 Leo Papa, ep. 4, 3. 5; MPL (ep. 16) 54, 698. 700f.
50 Leo Papa universis Episcopis per Siciliam constitu-
tis. Gratian, Dist. 4 can. 12. 13 de cons.; ed. Fried-
berg 1365. Zur Tradition: Isidor, Exc. can. 4, 26;
MPL 84, 71; Bullinger, Hausbuch 1558, Bl. 433r.
51 Leo Papa, ep. 168 (ord. ant. ep. 80); MPL 54, 1209f.
Zur Tradition: Gratian, Dist. 1 can. 61. 89 de pen.;
ed. Friedberg 1176. 1189.
52 Generale baptisma non nisi sabbato sancto Pascae
et Pentecostes celebretur. Siricius Papa Hymerio ter-
raconensi (ep. 1). Zur Tradition: Gratian, Dist. 4
can. 11 de cons.; ed. Friedberg 1364; Isidor, Exc.
can. 4, 26; MPL 84, 71; Bullinger, Hausbuch 1558,
Bl. 433r.
53 Gelasius, ep. ad episc. Lucaniae 10. Zur Tradition:
Gratian, Dist. 4 can. 18 de cons.; ed. Friedberg
1367, Anm. 223; Isidor, Exc. can. 4, 26; MPL 84, 71.
54 In solempnitate Pascali et Pentecostes catecumini
baptizentur. Ex Concilio Gerundensi can. 4; Mansi
8, 549; Hefele 2, 678. Zur Tradition: Gratian, Dist.

ten worden, ist offenbar aus der 11. epistel Gregorii
an die priesterschaft und volk in Türingen56. Nach-
dem aber diese gewonheit zu teufen algemach zum
pracht und fast zum schauspiel gereicht, darzu
allezeit etliche kinder seind, welcher gefahr und
verkürzung des lebens zu besorgen, und sich dar-
über ubel schickt, jemand doheim und im haus
heimlich zu teufen, ist dieser brauch geendert. Dar-
umb bei uns die heilige taufe beide, in stetten, flek-
ken und dorfen, im tempel an sondern bestimpten
tagen, die jeder kirchen bequem und gelegen, und
gemeinglich in der versamlung vor mittag gereicht
wird. Und geschicht alles mit großem ufmerken
der ding, so da geredt und verhandelt werden, auch
mit gleubiger andacht aller deren, so zugegen seind.
Denn wir achten, daß dieses dem exempel der alten
kirchen nit zuwider sei. Es ist auch gewiß, daß zur
zeit der aposteln die taufe gegeben worden sei, wenn
sich nur gelegenheit hat zugetragen. Und der Babst
Siritius, in der epistel an Himerium57, den Tarra-
conenser bischoff, zeigt klar an, daß die bestimpte
zeit im jar sei gehalten worden nur umb der alten
willen und sei sonst den kindern zu jeder zeit zu-
gelassen.
Ob die taufe soll gegeben werden in heusern durch
wehemutter oder andere weiber, wird hernach an
seinem ort bericht geschehen58.
Wir wollen nun erzelen, was in unsern kirchen
geschehe, wenn kinder getauft sollen werden.
Erstlich59 kompt des kinds vatter oder der ans
4 can. 15 de cons.; ed. Friedberg 1366; Isidor,
Exc. can. 4, 26; MPL 84, 70.
55 Gregorius Naz., Orat. 40; MPG 36, 359. Zur Tradi-
tion: Gratian, Dist. 4 can. 14 de cons.; ed. Fried-
berg 1366.
56 Nisi necessitate cogente preter Pasca et Pentecosten
nullus baptizare presumat. Gelasius (andere Hss.
Gregorius) Clero et Plebi Tarentino. Zur Tradition:
Gratian, Dist. 4 can. 17 de cons.; ed. Friedberg
1367 Anm. 220. Ein Decretum 1584 bezeugt als
Randlesart: Türingen. Vgl. J. W. Er. Höfling, Das
Sakrament der Taufe 1, 363.
57 Siritius Papa Hymerio Terraconensi, ep. 1. Zur Tra-
dition: Gratian, Dist. 4 can. 11 de cons.; ed. Fried-
berg 1364; Isidor, Exc. can. 4, 26; MPL 84, 71.
58 Vgl. S. 282ff.
59 „Erstlich“ bis ,,kind beschert“ aus der Kasseler KO
1539, vgl. oben S. 115f. und die Kölnische Reforma-
tion 1543, Bl. 78r.

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