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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0299
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Kirchenordnung 1566

bischoffen einmütiglich beschlossen, es solt sich ein
weib des teufens nicht undernemen.
Es hats aber auch die erste kirche nach Christi
zeiten darfür gehalten, man solt den kranken, so zu
bett lagen und itzunder dem tod nahe waren, die
heiligen tauf mitteilen5, wenn sie nur selbst oder
andere von ihretwegen (welche zeugnus geben muß-
ten, was ihr wille und meinung were) solchs bege-
reten, wie dieses bezeugen Cyprianus lib. 4 epist. 7
ad Magnum6, Ambrosius in der auslegung 4. cap.
1. Timoth.7, Theodoretus lib. 1 cap. 218, da er
einfüret das exempel Constantini, und Socrates
lib. 5 cap. 69 schreibt dergleichen vom Theodosio.
Derhalben sollen die prediger zu allen zeiten, wo
ein solche not fürfiele, daß die kinder aus schwacheit
in die kirche nicht möchten getragen werden und
man sich zu besorgen hette, daß sie mit dem tod
ubereilet würden, solche kranke kinder auch pri-
vatim in den heusern, doch in beiwesen etlicher
frommen christen, wieviel man deren nach gelegen-
heit zusammenbringen kann, zu teufen bereit sein
und mit allem fleiß verhüten, daß durch ihre nach-
lessigkeit sie nicht verseumet werden. Sie sollen
auch die wehmutter und andere weiber mit allem
ernst dahin halten, daß sie sich des teufens nicht
leichtlich underwinden. Da es aber dennoch die
höchste not erfordern wolt, daß man teufen solt
und müßte und den pfarherr bald und in eil nicht
zu haben vermöchte, sollen diejenigen, so darbei
sein, unsern Herrn Gott zuvor anruffen und ein
Vatter unser beten und, wenn solchs geschehen ist,
alsdann darauf teufen im namen des Vatters und
des Sohns und des heiligen Geistes, und soll man
denn nicht zweifeln, das kind sei recht und gnug-
sam getauft und soll derhalben nicht anderwert in
der kirchen oder sonst getauft werden.
Doch so man will10, mag man solch kind, wenn
es am leben bleibt, in die kirchen tragen, daß der
pfarherr die leut frage, ob sie auch gewiß seien, daß
5 Vgl. Hyperius, De catechesi 5 Ende; Var. op. 1, 509.
6 Cyprianus, ep. 69, 12; MPL 3, 1147f.; CSEL 3, II,
760 f.
7 Ambrosius, Comm. in ep. ad Tim. 2, 4, 18; MPL 17,
498.
8 Theodoretus, Hist. eccl. 1; MPG 82, 989 (cap. 30);
GCS 44, 88f. (cap. 32).
9 Socrates, Hist. eccl. 5, 6; MPG 67, 572f.

das kind recht getauft sei, wie und mit was worten
sie es getauft haben. Und wo sie dann sagen wer-
den, daß sie Gott uber dem kind in der not an-
geruffen und nach geschehenem gebett im namen
des Vatters und des Sohns und des heiligen Geistes
getauft haben, und daß sie nicht zweifeln, sondern
des gar gewiß seien, wenn das kindlein gleich so
bald gestorben, daß es dennoch rechtschaffen ge-
tauft were, so soll es der pfarherr nicht wider teu-
fen, sondern bei solcher taufe bleiben lassen und
es alcla in die gemeine und zal der rechtschaffenen
christen annemen, das evangelium Mar. 10 [13-16],
so man bei der taufe zu lesen pflegt, uber das kind
lesen und es durch das gebett Gott dem almech-
tigen befehlen und im namen des Herrn gehen las-
sen wie folget:
Der pfarherr fragt also11:
Lieben freunde Christi, weil wir allesampt in sün-
den und Gottes zorn zum ewigen tod und verdam-
nus geboren werden und kein ander mittel haben,
dardurch wir der sünden los, für Gott gerecht und
selig werden mögen, denn durch unsern einigen mit-
ler und heiland Jesum Christum, und dieses gegen-
wertig kindlein in solchen nöten auch stickt, so
frage ich euch, ob es dem Herrn Christo zugetragen
und durch die taufe dem Herrn Christo auch ein-
geleibet sei oder nicht ?
Wird nun geantwort: Ja, so fragt der pfarherr
ferner: Durch wen ist solchs geschehen, und wer
ist dabei gewesen ?
Spricht denn imand: Die und die person N. und
N. seind dabei gewesen und die person hat dem kind
die tauf geben, darauf fragt der pfarherr weiter:
Habt ihr auch den namen des Herrn angeruffen
und gebetet ?
Und wird geantwort: Ja, wir haben Gott an-
geruffen und das heilige Vatter unser gebetet, so
fragt er weiter:
Womit habt ihr getauft ?
10 Die KO schließt sich im folgenden liturg. Teil an die
Sächs. KO 1539/40 an (Sehling I, 267f.). Vgl. auch
die Kölnische Reformation 1543, Bl. 88 v bis 89 v.
11 Das der Sächs. KO entstammende Formular wird
noch in der Agende von 1574 verwendet, während
die Ordnung von Hessen-Kassel 1657 ein anderes
Formular bietet.

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