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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0310
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Kirchenordnung 1566

ubung auch etwa andere mehr, gleich als zeugen
neben den eltesten, zugelassen werden.
Wenn nun das fest verhanden, an welchem alles
ordentlich soll verrichtet werden, und etliche ver-
handen, welche mit den kindern, so den glauben
bekennen sollen, zum tisch des Herren gehen, so
machen sich die kinder, welche den vorigen tag
oder wochen verhort, wie gemelt, und itzt aber vor
der kirchen ihr bekantnus tun söllen, an einen ge-
meinen ort mitten in die kirchen vor den altar,
stellen sich nahe oder nebenemander vor den die-
ner, hinder oder neben iglichen stehen die gevat-
tern und eltern, oder, so die gestorben oder sonst
nit verhanden, diejenigen, so darzu erfordert78, zu
beiden seiten des altars oder tisch des Herrn stehen
die eltesten.
Alsdann wird von dem pfarherr ein vorred ge-
tan mit lauter stimme, damit es von der ganzen
kirchen gehort und verstanden werden möge, wie
volgt:
Ihr geliebten79 im Herrn, ihr sehet, wie alhie er-
scheinen diese kinder, unser miterben in Christo,
so durch die hei. taufe in ihrer kindheit dem Herrn
Christo und seiner kirchen emgepflanzet worden
sein. Weil sie aber nun zum erkantnus der christ-
lichen lehr und gottseligkeit zum teil angefurt, be-
geren sie von herzen, daß sie besser und neher ihrem
heiland Christo und seiner kirchen mögen zugetan
werden, nemlich durch den brauch des heiligen
abendmals und sacraments des leibs und bluts Chri-
sti. Damit aber solches mit größerer frucht des
glaubens und h. Geists geschehen möge, seind sie
bereit, durch sich selbst bekantnus ihres glaubens
zu tun und sich Christo dem Herrn und seiner kir-
chen zu ergeben, welches sie in der heiligen taufe
nit haben tun können von wegen ihrer kindheit.
Uf daß nun solches von ihnen mit ernst und gan-
zem herzen geschehen möge, also daß es ihnen durch
ihr ganz leben in Christo heilsam sei und zum besten
gerate, ist billich, daß wir Gott unsern himlischen
Vatter im namen Christi bitten, er wölle ihnen dar-
zu sein gnade und h. Geist verleihen und begaben,
daß sie wol und recht geprüft zum nachtmal unsers

78 Vgl. Kasseler KO 1539, Erfurter Druck, S. 125
Anm. 1.

Herrn Christi mit frucht gehen mögen, damit hin-
furters unser Herr Christus in ihnen und sie in Chri-
sto desto reichlicher leben mögen, im glauben, lieb,
gedult, sampt allen andern früchten des h. Geistes
täglich zunehmen, wol fortfahren und dabei bis ans
ende beharren und selig werden.
Höret aber mit fleiß uf die lection. Also schreibt
der h. evangelist Lucas in der Apostelgeschicht
cap. 8 [14-17]: Als die apostel zu Jerusalem gehört
hatten, daß Samaria, etc., welche der anfang, die letz-
ten wort aber seind: und sie entpfingen den h. Geist.
(4) Nachdem diese lection verlesen, spricht der
diener weiters zur ganzen kirchen:
Ihr geliebten im Herrn, vorzeiten zwar lernten die
alten selbst die heuptartickel christlicher lehr und,
nachdem sie gnugsam darin underwiesen, sagten sie
vor der taufe von sich selbst dem teufel, der welt und
ihren werken abe, teten die bekantnus ihres glaubens
und wurden demnach getauft, darnach ward vor sie
gebeten mit uflegung der hende, damit sie entpfingen
die gaben des heiligen Geistes. Und ob wol dazumal
viel in der ersten kirchen erlangten, daß sie so bald
durch kraft des hei. Geists mit mancherlei zungen
redten, weissagten und dergleichen wunderwerk ver-
richten, so ist doch nicht alwege dahin zu sehen,wie
auch die apostel selbst das nit vornemlich in ihren
gebeten gesucht, sonder viel mehr begerten, daß der
liebe Gott die getauften mit seinem hei. Geist be-
gnaden wölte, uf daß durch desselbigen gnade, kraft
und trieb sie in erkantnus der warheit des evangelii
Christi bestetigt und bekreftiget würden, dasselbige
ohn scheue, vornemhch zur zeit der verfolgung, zu
bekennen, auch im glauben, liebe und allen christ-
hchen tugenden und früchten des h. Geistes von tag
zu tag je mehr zuzunemen und daß sie durch den
h. Geist als das pfand des lebens bei Christo und
seiner gnaden bestendig erhalten würden, welches
offenbar ist aus den worten des apostels Pauli
(2. Timoth. 1, 6): Ich erinnere dich, daß du erwek-
kest die gabe Gottes, die in dir ist etc.
Ihr wisset aber, mein geliebten im Herrn, wol, daß
diese kinder, so ihr hie umbherstehen sehet mit
ihren paten, in unsern kirchen in ihrer kindheit ge-

294

79 Dieselbe Ermahnung unten S. 300. Sie ist in viele
Konfirmationsformulare aufgenommen worden.
 
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