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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0309
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Kirchenordnung 1566

leben, die bösen aber, so etwas unredlich und un-
göttlichs begingen, müßten sich schemen und
schamrot werden, auch sich desto leichter zurecht
bringen lassen. Also wurden ins werk bracht die
ding, so bei der kindertaufe geredt und verhandelt
werden, auch die taufe recht gebraucht, nemblich
den glauben zu mehren, sterken und erhalten, die
liebe zu erwecken und die hoffnung zu befestigen70.
Es würden auch durch diese ordenung und hande-
lung beide, den widerteufern71 und andern, so unser
kirchen ubel nachreden, die meuler verstopft. Die-
weil dem also, ist sie fürwar nit allein umb der ex-
empel willen, so in der schrift stehen, und dieweil
sie in der alten und reinen kirchen lange zeit ge-
braucht worden, zu behalten, sonder auch umb itzt
gemeltes vielfaltiges nutzes willen. Daher auch wir
billich solche in unsern kirchen durchaus anzurich-
ten und zu erhalten gedenken, solange es dem lie-
ben Gott wolgefelt.
Volgt die form oder weise der confirmation
(1) Diese heilige action72 wird im jar zwei oder
dreimal verrichtet, nemlich ufs Osterfest, in Pfingst
heiligen tagen und etwa auch den tag der geburt
Christi, nachdem die gelegenheit der kirchen sol-
ches erfordert73.
Denn nachdem etliche kinder, so getauft, in der
70 Auch für Hyperius sind die Sakramente dazu ge-
geben, daß die Menschen durch sie in Glaube, Liehe
und Hoffnung gestärkt werden, vgl. seine Elementa
ed.W. Caspari 5.
71 Vgl. Hyperius, De catechesi 2; Var. op. 1, 455.
72 In der geistigen Auseinandersetzung der Straßburger
und der hessischen Kirche mit den Wiedertäufern
und mit Schwenckfeldt ist die Konfirmation als
wesentliches Element der kirchlichen Zuchtübung
durch Bucer eingeführt worden. Die grundlegenden
Bestimmungen finden sich in der Ziegenhainer Zucht-
ordnung 1539, S. 104, während der Erfurter Druck
der Kasseler KO 1539 diese für die hessische und die
ihr später folgenden Kirchen liturgisch fruchtbar
macht. In unserer Ordnung läßt sich die Betonung
der Bedeutung der Konfirmation ohne Schwierig-
keit auf Hyperius zurückführen, der damit das durch
Bucer begründete Handeln aufnimmt und fortführt.
Die Hauptzüge dieser durch die Kirchenzucht geför-
derten Konfirmation lassen sich über Bucer hinaus
auf Erasmus und die Böhmischen Brüder zurückver-
folgen: Vgl. W. Caspari, Konfirmation 11ff.; A.
Köppen, Die Kirchenordnung und Disziplin der

christlichen kinderlehr so weit kommen sein, daß
sie füglich können gefragt werden und geschicklich
antworten, wird solche action verhandelt.
(2) Wenn nun gemelte festa herbeikommen, er-
wehlen ihn die catechisten74, das ist die lehrer der
kinder, etliche wochen zuvor, nemlich fünf oder
sechs75, solche kinder, so sie achten vor andern ge-
schickt sein, die bekantnus des glaubens zu tun und
den gehorsam der kirchen zu versprechen76. Die-
selbigen fordern sie for sich uf die tage, uf welchen
man pflegt den catechismum fleißig zu uben, und
fragen sie fleißig in allen heuptartickeln des gemel-
ten catechismi. Und wo es ihnen etwa fehlet, under-
richtet man sie gütlich und freundlich, erkleren
ihnen auch den brauch der lehr, daß sie verstehen
mögen, was von ihnen gefordert und was sie sich
versprechen söllen. In dieser zeit feiren die eltern
daheim auch nicht, desgleichen, wo schulen sein,
die schulmeister.
(3) In der letzten wochen aber am letzten tag
vor dem fest (nach dem kinder verhanden und die
kirchen groß oder klein ist) kommen zusamen uf
bestimpte stunde die diener und eltesten der kir-
chen77 im tempel oder sonst an bequemen ort, in
welcher gegenwertigkeit die verordnete kinder je-
des ihn insonderkeit examiniert und gefragt, auch
antwort eines iglichen von allen artickeln der christ-
lichen religion eingenommen wird, zu welcher
alten Hussitischen Brüderkirche in Böhmen, Mähren
und Polen, 1845, S. 74; neuerdings: W. Maurer,
Gerneindezucht, Gemeindeamt, Konfirmation 44.
73 Die Zeiten der Konfirmation sind denen der Taufe
angepaßt, vgl. oben S. 270. Zur quellenmäßigen Ab-
hängigkeit: Kasseler KO 1539, Erfurter Druck,
S. 124 f. Anm. 1; Hyperius, De catechesi 4; Var.
op. 1, 497f.; vgl. auch W. Caspari, Elementa 63f.
74 Vgl. Hyperius, De catechesi 4; Var. op. 1, 497f.
75 Vgl. die Kasseler KO 1539, Erfurter Druck, S. 124
Anm. 1; Hyperius setzt eine Spanne von 10 bis
14 Tagen.
76 Vgl. W. Diehl, Konfirmation 22.
77 Schon Erasmus kennt das Examen vor den Ältesten
(viri probi) und die Erneuerung des Taufbekennt-
nisses vor der Öffentlichkeit: Paraphrases in Novum
Testamentum; ed. I. Fr. S. Augustin 1, 1778,
S. XXVII; vgl. dazu W. Caspari, Konfirmation
12ff.; W. Maurer 52ff. Vgl. auch die Kölnische
Reformation 1543, Bl. 93 v; dagegen kennt die Kas-
seler KO 1539, Erfurter Druck, S. 125 Anm. 1, die
Übung, daß Fragstücke und Bekenntnis vor der Ge-
meinde hergesagt werden.

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