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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0316
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Kirchenordnung 1566

horsamlich, du wöllest durch deinen hei. Geist ihre
herzen und gemüter forthin weiters erleuchten und
sterken, damit sie mit rechtem, warem, lebendigem
glauben, gottesforcht, rechter bestendigkeit, auch
warem verstand aller geistlichen sachen begabt, in
allem dem, so zu ihrer seelen heil dienlich, von tag
zu tag je lenger und je mehr zunemen, auch ware
frücht des glaubens und der liebe zu ehr deines na-
mens bringen und verrichten und darin bestendig
und sieghaftig beharren bis an den tag, an welchem
allen denen, so recht und wol, auch ritterhch ge-
kempft, beigelegt wird die kron der gerechtigkeit
durch Jesum Christum deinen Sohn, unsern Herrn,
der mitsampt dem heiligen Geist lebt und regiert
von ewigkeit zu ewigkeit. Amen.
So viel von der form und weise der henduflegung.
Dieweil aber obgesetzte form etlichermaß lang
und mehr zu underrichtung denn zu gemeiner form
allen kirchen zu brauchen, ist diese nachfolgende
kurze form hernacher gestalt und freigelassen, ihrer
zu gebrauchen, welche die vorige zu lang dunket.
Erstlich spricht der pfarherr oder kirchendiener
zu der ganzen gemein:
[folgt die Ermahnung S. 29489].
Nachdem nun die kinder an ihrem ort stehen zu
antworten, und damit sie unerschrocken und mit

89 Bis auf geringe Änderungen gleicht diese Form der
obigen S. 294 und Anm. 79.
90 Es ist nicht sicher auszumachen, oh der lat. Entwurf
des Hyperius eine Fassung der Fragstücke enthielt
und oh diese dann auf Protest der Pfarrer der Nie-
dergrafschaft (Quellen III, 906) fallengelassen
wurde, oder ob die lat. Fassung schon im Abschnitt
über die Konfirmation abbrach (vgl. dazu A. F. C.
Vilmar, Confessionsstand 116 ff.). Wahrscheinlicher
ist letzteres. In dem fertigen Teil der Fragstücke
fehlt jeder Anklang an Hyperius, besonders an sei-
nen in derselhen Zeit entstandenen Katechismus
(Elementa christianae religionis, Marburg 1563; ed.
1901 durch W. Caspari). Abhängigkeiten von Brenz
und Luther sind dagegen leicht festzustellen (vgl.
O. Weber, Eigenart und Bedeutung niederhessisch-
reformierten Kirchentums, Manuskript, S. 6f.) und
durch die hessische Tradition auch gegeben (vgl.
Gottesdienstordnung 1532, S. 77).
Die Fragstücke in der heutigen Fassung sind (um
ihrer konfessionellen Einordnung willen) im vergan-
genen Jh. Gegenstand eines heftigen Streites gewesen.

großem ernst antworten mögen, stehen bei ihnen
ihre vätter und pfettern, eltern oder gevattern.
Spricht der pfarherr zu idem kind wie nachfolgt.
Frag und antwort für die kinder, so da söl-
len confirmiert und zum ersten mal zur
communion zugelassen werden90
Bist du ein christ ?
Ja, Herr91.
Woher weißt du das ?
Daher, daß ich getauft bin uf den namen unsers
Herrn Jesu Christi und die christlich lehr weiß und
gleube.
Welches ist dann die christliche lehr ?
Die Gott selbst im paradeis den ersten eltern ge-
geben, den vättern und erzvättern offenbaret, durch
Moisen, die propheten, seinen einigen Sohn Christum
Jesum und die aposteln erkleret und mit vielfaltigen
wunderwerken bestetiget und daß es sein wort sei,
offentlich bezeuget und bewiesen hat92.
Kurzer mag man also antworten:
Die in den schriften Moise, der propheten und
aposteln verfasset und begriffen ist.
Wieviel heuptstück hat die christliche lehr ?
Fünfe.
1. die zehen gebott,
2. die artickel des christlichen glaubens,
Hierzu sowie zur Untersuchung der Fragstücke im
einzelnen vgl. O. Weber aaO., dem auch die folgen-
den Anmm. sich anschließen. Zur Literatm vgl.
noch: J. M. Reu, Quellen zur Geschichte des Kate-
chismus-Unterrichts I, 2, 1, 1911; W. Maurer, Die
Bedeutung der hessischen Fragstücke, 1936.
91 Zur Ausgangsfrage (Bist du ein Christ, o. ä.) vieler
analytisch aufgebauter Katechismen vgl. etwa Brenz,
ed. Reu I, 1, 310; Gräter, ed. Reu I, 1, 315; Bader,
ed. Reu I, 1, 229; Bucer, ed. Reu I, 1, 68; auch
den Kasseler Katechismus 1539, oben S. 131. Sie las-
sen sich sämtlich auf die Kinderfragen der Böhmi-
schen Brüder zurückverfolgen, vgl. J. Müller, Die
deutschen Katechismen der Böhmischen Brüder,
Monumenta Germaniae Paedagogica 4, 1887. Vgl.
auch O.Weber 13f.
92 Während die meisten Katechismen, die mit der Frage
nach dem Christsein beginnen, anschließend mit dem
Hauptstück über den Glauben fortfahren, erfragen
unsere Fragstücke zunächst die ,,christliche Lehre“
und schließen sich dann dem Aufbau des Kleinen
Katechismus Luthers an; vgl. auch O. Weber 6.

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