Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0326
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenordnung 1566

morgen- oder abendessen dieses sacrament zu nemen
zusammenkommen, oder wie die, so von dem apo-
stel gestraft worden, unter ihrem gemeinen essen ge-
nießen solten. Auf daß wir aber desto heftiger uns
ließen angelegen und befohlen sein die tiefe dieses
geheimnus, hat unser seligmacher dieses für das aller-
letzt den herzen und gedechtnis seiner jünger, von
welchen er itzunder zu seinem leiden hinging, ein-
bilden wöllen. Darumb hat er nicht ein ordnung,
nach welcher es hinforter solt genossen werden, für-
geschrieben, auf daß er den aposteln, durch welche
er nachmal die kirche ordnen wolt, dieses vorbe-
hielte. Denn so er die erinnerung getan het, daß mans
allwegen nach der andern speise entpfangen solt,
halte ich, es hette niemand diese weise geendert.
Diese wort des heiligen Augustini werden auch an-
gezogen de consecratione distinct. 2 cap. Liquido35
und Sentent. lib. 4 distinct. 8 36. Dieweil wir denn
alhie keinen ausgedruckten befelch des Herrn Christi
oder seiner aposteln haben, daß man eben des abends
nach dem essen diese handlung vornemen solt, so
verrichten wir mit der algemeinen rechtgleubigen
kirchen des morgens nüchtern die ausspendung und
nießung des sacraments des leibs und bluts unsers
Herrn Jesu Christi und wohen hiermit unser ehr-
erbietung, ernstliche betrachtung und sonderliche
andacht, so wir hierzu gebrauchen, bezeuget und be-
wiesen haben.
Es ist aber alwegen dies sacrament an denen ortern,
da die ganze gemeine zur auslegung und betrachtung
der göttlichen schrift, zum gebet und danksagung
und andern christlichen ubungen zusammenkompt,
gehalten worden. Acto. 20 [7 ff.], da Paulus zu
Troade der ganzen gemein das wort geprediget und
den jüngling, so vom fenster heraber zu tod gefallen
war, widerumb lebendig gemacht und also sein lehr
mit einem wunderwerk bestetiget hat, brach er das
brot, das ist, er teilete aus das sacrament des leibs
und bluts des Herren Christi. Acto. 2 [42] stehet
35 Gratian, Dist. 2 can. 54 de cons.; Friedberg 1333f.
36 Petrus Lombardus, Sent. 4 Dist. 8, 5; ed. Coll. S.
Bonavent. Ad Claras Aquas, 2 1916, 2, 790f.
37 Justinus Martyr, Apol. 1, 65; MPG 6, 429.
38 Tertullian, De oratione 6, 1 f.; 19, 1 f.; MPL 1, 1160.
1181f.; CSEL 20, 184. 192; CCL 1,261. 267; De
corona militis 3, 3; MPL 2, 79; CSEL 70, 158; CCL
2, 1043; De resurr. mort. 8, 3; MPL 2, 806; CSEL

geschrieben von den dreien tausend seelen, so sich
aus der predigt des heiligen Petri bekeret hatten,
sie blieben aber bestendig in der apostel lehre und
in der gemeinschaft und brotbrechen und im gebet.
Da werden die lehre oder predigt, brotbrechen, das
ist das nachtmal des Herrn halten, das gebet und
die gemeinschaft nicht voneinander abgesondert,
sondern zusammen verfasset, damit anzuzeigen, daß
diese christliche ubung, predig hören, sacrament aus-
teilen und entpfangen, beten etc., seien nit privatae
actiones und sollen nit heimlich und in den winkeln
und besondern leuten, sondern offentlich in gemei-
nen versamlungen in gegenwertigkeit vieler christ-
gleubigen gehandelt und verrichtet werden. Das aber
am selbigen ort [Act 2,46] bald hernach folget: Und
sie brachen das brot hin und her in heusern, ist ent-
weder von gemeinem essen zu verstehen, oder dieweil
sie die malzeit, uf welche dann der zeit alwegen das
nachtmal des Herrn erfolget ist, im tempel nicht hal-
ten konten oder dürften, haben sie etliche heuser ge-
habt, in welchen die gemein zusammenkommen, mit-
einander gessen und getrunken und darnach das sa-
crament des leibs und bluts Christi genossen und mit
gebürlicher danksagung gebraucht hat, wieviel
durch das griechische wörtlein χαΓ οϊΧον, so der
evangelist braucht, etliche den tempel wöllen ver-
standen haben, daß es nit hin und her in heusern,
sondern im haus, das ist im tempel, verdolmetscht
werden. 1. Cor. 11 [18.20], da der apostel vom nacht-
mal reden und der Corinther mißbrauch dieses hoch-
wirdigen sacraments straffen will, setzt er zwei mal
vorher: wann ihr zusammenkommet. Daraus leicht-
lich zu verstehen ist, daß dies sacrament nirgends
anderswo dann in gemeinen christlichen versam-
lungen ist gehalten worden, und diese gewonheit ist
also blieben bei den christen, so nach der apostel
zeit gelebt haben, wie aus dem Iustino37, Tertul-
liano38, an oben angezognen ortern und Apolog.
cap. 29 39, Cypriano40, Prospero41 und andern scri-
47, 37; CCL 2, 931. Zur Tradition: Calvin IV, 17, 48
(ed. 1536-1539); Niesel 5, 415 Anm. a.
39 Tertullian, Apol. 39, 16; MPL 1, 474; CSEL 69, 94;
CCL 1, 152.
40 Vgl. Cyprian, De lapsis 25; MPL 4, 499f.; CSEL 3,
I, 255; ep. 63, 14; CSEL 3, II, 712; ep. 57, 3; CSEL
3, II, 652. Zur Tradition: Calvin IV, 17, 48 (Aus-
gaben 1536—1539); Niesel 5, 415 Anm. a.

310
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften