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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0328
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Kirchenordnung 1566

quae facta est gratiarum actio. Das ist: Wenn die
danksagung des kirchendieners ein ende hat und das
volk hat amen darzu gesungen, geben die diacon
oder diener, wie wir sie nennen, einem jeden, so zu-
gegen, ein stück des brots und des gemischten kel-
ches, darüber die danksagung geschehen ist. Tertul-
lianus, de corona militis48 sagt: Wir nemen das sacra-
mentum eucharistiae von keiner andern denn der
praesidenten (das ist der priester oder vorsteher der
kirchen) hand. In den actis Concilii Nicaeni49 ist
unter andern auch beschlossen worden: Wo priester
verhanden sein, solten die diacon das nachtmal
nicht austeilen, sondern sollen zu solcher handelung
ihnen nur dienen. Wenn aber kein priester bei der
hand were, alsdenn möchten sie es austeilen. Und
aus der predigt Gregorii Nazianzeni, die er uber sei-
nes vatters leich gehalten hat50, item aus dem 5. cap.
lib. 4 de sacramentis Ambrosii51 ist wol abzunemen,
daß allein die priester diese action verwaltet haben.
So sagt auch die epistel synodi Alexandrinae apud
Athanasium, Apolog. 2 52 ausdrücklich: Es gebürt
niemand, das blut Christi darzureichen, denn allein
den ordentlichen vorstehern der kirchen. Wir zwei-
feln nicht, die lieben aposteln haben es bei ihren ge-
meinen und versamlungen also gehalten, wie sie es
von ihrem Herren Christo selbs gesehen haben, daß
gleich wie er das brot und den kelch in die hand ge-
nommen, Gott gedankt und demnach unter die jün-
ger ausgeteilet hat, also haben sie auch das brot und
den kelch gesegnet, 1. Cor. 10 [16], und also ihrer
versamlung einem jeden besonders dargereicht. Da-
her denn solche gewonheit hernach zu allen zeiten
bei der rechten christlichen gemeine blieben ist, daß
die diener des worts den segen gesprochen und dar-
nach das brot und den kelch des Herrn gereicht und
unter die gemeine ausgeteilet haben, und lassen wirs
auch bei diesem langwirigen und wol herbrachten ge-
brauch billich bleiben. Derhalben, an welchen ortern
die pfarherrn ihre kaplanen haben, soll der pfarherr,
so viel müglich, die action des heiligen nachtmals ver-
walten und ihm den kaplan hierzu mit uberreichung

48 Tertullian, De corona militis 3, 3; MPL 2, 79; CSEL
70, 158; CCL 2, 1043.
49 Acta Conc. Nicaeni can. 14 (ex Interpret. Isidori
Mercatoris); Mansi 2,690; Hefele 1,423. Zur
Tradition: Gratian, Dist. 93 can. 14; Friedberg

des kelchs ministrirn und dienen lassen, doch daß
im abwesen der pfarherrn die kaplanen von verwal-
tung der action nicht ausgeschlossen seien. Wo man
aber kein kaplan hat, verrichtets der pfarherr allein,
oder da die zal der communicanten groß, mit hilf
eines aus den senioribus, schulmeister oder opfer-
manns. Und wo sich dieser fall zutregt, daß kein
kaplan oder zum predigampt verordenter kirchen-
diener verhanden, der da könt zu uberreichung des
kelchs, wenn es die not erfordert, gedienet sein, wird
alwegen hierzu gebraucht nicht ein person eins welt-
lichen ampts, sondern ein diacon, senior oder casten-
meister, schulmeister (sofern er theologiae und nicht
einer andern facultet studiosus ist) oder ein opfer-
mann. Da soll aber dieser underschied gehalten wer-
den, daß diejenigen, so man hierzu brauchen will,
ansehnlich in der lehr und glauben aller heuptarti-
keln christlicher religion, sonderlich im artikel vom
nachtmal rein und bei der gemeine eines guten ge-
ruchts und namens seien.
Wo nu das nachtmal selten und nur etliche mal
im jar gehalten wird, ist billich, daß alwege die die-
ner mit ihrer gemein zugleich communicirn. Wo es
aber oftmals und beinahends allen sontag dispensirt
wird, sollen sie nicht verbunden und verpflichtet
sein, sondern soll ihnen gleich wie andern christen
frei stehen, den leib und das blut des Herrn, wenn
sie sich zum fleißigsten nach des heiligen apostels
befelch probiert und geprüfet haben, mit andern
gleubigen zu genießen, daß nicht der stetige brauch
ein sicherheit, unterlassung der prüfung und etwa
ein beschwerung des gewissens bei ihnen zuwegen
bringe. Doch söllen sie sich hierin dermaßen erzei-
gen, daß sie alhie, wie in allen andern christlichen
ubungen und werken, ihrer gemeine mit guten ex-
empeln fürgehen und mit nachlessigen und lang-
samen brauch dieses sacraments nicht ergernus an-
richten und andern zur verachtung und underlas-
sung der heiligen communion des leibs und bluts
ihres Herrn Jesu Christi ursach und anreizung geben.
Darauf denn den senioribus oder eltesten jeder kir-
323 f.
50 Gregorius Naz., Oratio 18, 29; MPG 35, 1020 f.
51 Ambrosius, De sacramentis 4, 5, 21ff.; MPL 16,
462f.; CSEL 73, 55f.
52 Athanasius, Apol. contra Arianos 11; MPG 25, 268.

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