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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0329
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Kirchenordnung 1566

chen gebüren will, gute achtung zu geben und ihre
pfarherr und kirchendiener, da diesfals oder sonsten
mengel an ihnen gespüret würde, ordentlicher weise
hierumb vorzunemen. So viel von der zeit, ort und
personen, so zur verrichtung des hochwürdigen sa-
craments des leibs und bluts Christi sollen gebraucht
werden. Wir wollen nun weiter von den dingen, so
zur rechtschaffenen prüfung notwendig vorhergehen
söllen, sagen und darnach die action, wasserlei ge-
stalt dieselbige angestelt werde, beschreiben.
Was auf den tag, so für der action des nacht-
mals hergehet, in gemeiner versamlung soll
verhandelt werden
Auf daß nun alles mit gebürlichem ernst, ehrerbie-
tung und andacht auch ganz ordentlich zugehe, an
welchen ortern man das nachtmal des Herrn allen
sontag pflegt zu halten, da ist nicht von nöten, daß
man dem volk auf einen gewissen tag zuvor die zeit,
zu welcher das nachtmal des Herrn solt gehalten
werden, verkündige, dieweil solchs albereits jeder-
man bekant und wol bewußt ist. Wo mans aber nicht
allen sontag helt, da ist der brauch, daß man den
nechsten sontag zuvor in gemeiner versamlung nach
gehaltener predig dem ganzen haufen den tag, an
welchem das nachtmal des Herrn soll gehalten wer-
den, ansage und vermelde, damit ein jeder nach dem
gebott des apostels [1. K 11, 28] sich beizeiten prüfen
und zu dieser herrlichen handelung bereiten und die
seniores ihr ampt und, was ihnen hierbei zu tun ge-
büren will, desto füglicher und zeitlicher verrichten
können. Denn es sollen ja alle christen die heupt-
stück christlicher religion aus Gottes wort also ge-
lernet und gefasset haben, daß sie sich zu jeder zeit
selbs gnugsam zu prüfen vermöchten. Da aber doch
in der kirchen Gottes, darinnen mancherlei leut
seind, etliche weren (wie man denn zu allen zeiten
deren viel findet), die da noch milch bedörften und
der harten speise nicht gewonet weren, dieselbigen
müssen von den pfarherrn und eltesten unterwiesen
und berichtet werden, bis so lang sie mögen würdig
geachtet werden, daß sie das brot des Herrn essen
und seinen kelch drinken. Denn gottselige treue kir-

53 Vgl. oben Kasseler KO 1539, S. 121.

chendiener sollen ja nichts underlassen, so zur unter-
weisung der unverstendigen und rechter erforschung
und prüfung der gewissen dienen mag.
Wenn man nun das nachtmal des Herrn zu halten
bedacht ist, kompt man den tag zuvor zu vesper-
zeit umb zwo oder drei uhr zusammen und werden
in solcher versamlung diese stück zur unterweisung
und besserung der kirchen verhandelt.
(1) Erstlich singt man einen psalmen, zwen oder
drei nach gelegenheit.
(2) Darnach wird an etlichen orten ein predig ge-
tan, entweder aus dem buch der heiligen schrift, so
man fürhat, ordentlich auszulegen, da man allen
sontage pflegt das nachtmal zu halten; oder, wo mans
selten und allein zu gewisser zeit im jar helt, nimpt
man einen besondern text vom nachtmal des Her-
ren lautend aus den evangelisten oder Paulo für, als
Matth. 26 [26-28]; Mar. 14 [22-24]; Luc. 22 [19f.];
Joan. 6 [47-58]; Act. 20 [7-12], 1. Cor. 10 [16f] et
11 [23-25], da denn von der einsetzung des abend-
mals, von seinen causis und effectis, das ist, was hier-
zu gehörig, was sein kraft und wirkung sei und wie
mans christlich und fruchtbarlich brauchen und ge-
nießen solt-, nottürftiglich geredt wird und von den
vornemsten puncten, darinnen die warhaftige lehr
vom nachtmal und fruchtbarlicher nießung stehet,
klarer und eigentlicher bericht geschicht. An etlichen
ortern aber wird die predigt underlassen und die ver-
manung, darvon itzunder soll gesagt werden, also
angestelt und dahin gerichtet, daß die itzt gemelte
stück nach gelegenheit und stand der kirchen dem
volk ernstlich vorgehalten und mit fleiß getrieben
und eingebleuet werden.
(3) Nach gehaltener predigt oder auch nach vol-
endetem gesang (wo die predig nicht im brauch),
tritt der pfarherr vor den altar oder tisch des Herrn,
keret sich zum volk und hat neben sich stehen seinen
kaplan und zu beiden seiten die seniores oder elte-
sten der kirchen53 (deren denn allwege etliche gegen-
wertig seind an den ortern, da man das nachtmal
des Herren allen sontag helt; wo mans aber nur
etliche mal im jar und allein zu gewisser zeit dispen-
siret, sollen sie alle zugleich darbei sein) und tut ein
vermanung zu den, so alda versamlet und des Herrn

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