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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0330
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Kirchenordnung 1566

Christi nachtmal zu entpfahen bedacht sein. In sol-
cher vermanung wird vornemlich geredt von diesen
puncten:
1. Was das nachtmal des Herren sei und was die
substantia coenae domini, das ist die notwendige
stück seind, so hierzu gehörig. 2. Wie ein jeglicher,
so das nachtmal des Herrn gebrauchen will, sich
selbs probieren und prüfen soll. 3. Daß diejenigen,
so sich nach der lehr des heiligen Pauli geprüfet
haben, mit großem nutzen zum tisch des Herrn
gehen mögen, da denn mit sonderlichem fleiß die
fruchtbarkeiten und geistliche wirkung des nacht-
mals erkleret werden. 4. Wird darneben gesagt, daß
denen, so sich nicht wissen zu prüfen und wollen
kein warhaftige buß tun, sondern faren fort in sün-
den wider ihr gewissen und können nicht durch den
glauben an Christum vergebung ihrer sünden erlan-
gen, sei es besser, sie bleiben darvon. Und da hat
man gelegenheit, nach der ordnung zu erzelen, wer
die sein, die da solten billich vom nachtmal des
Herrn abgehalten werden, auf welche erzelung ein
ernste vermanung folget, daß alle, so da wissen und
fülen, oder von welchen es offenbar und bekant ist,
daß sie solche leute sein, solten sich selbs des tischs
des Herrn enthalten; ob sie aber so unverschempt
weren und hinzu kemen, solten sie offentlich mit
großen schanden abgewiesen werden. 5. Es werden
auch in diesen vermanungen, sonderlich aber in ge-
meinen predigten vom nachtmal mit zu gestraft alle
irtumb, so der teufel, die reine gesunde lehr von die-
sem artikel zu verfelschen, mancherlei abgötterei zu
bestetigen und den herrlichen und gewaltigen trost,
so allen gleubigen hierin vorgestelt ist, zu benemen
oder ja zu verdunkeln, eingefürt hat. Als da seind
die gottslesterliche lehr der Papisten von der opfer-
meß, von der transsubstantiation oder verwande-
lung des brots und weins in den leib und blut des
Herrn Jesu Christi, daraus das umbtragen dieses
sacraments zum schauspiel, das einschließen und
anbeten und andere viel greuel und aberglauben ent-
standen seind54. Item die fleischliche gedanken der

54 Vgl. das Tridentinum, Sess. XIII, 4. 5. (Denzinger
S77ff.); Sess. XXII, 1 f. (Denzinger 937aff.); vgl.
auch die Polemik der Konkordienformel, Sol. Decl. 7,
Bek. Schrr. 1010f.
55 Vgl. Oekolampad „tesserae fidelium ab infidelibus“,

widerteufer und ihresgleichen, die da weiters nichts
vom sacrament des leibs und bluts unsers Herrn Jesu
Christi halten, denn daß es sei ein zeichen, darbei
ein christ vor einem andern menschen einer andern
religion oder glaubens erkent und underscheiden
werde, gleich wie man den kriegsmann bei seinem
feldzeichen erkennet und von seinem feinde und
gegenteil underscheidet55, und alles was dieser mei-
nung und solchen fleischlichen, unreinen gedanken
gemeß fürgegeben und disputirt wird. 6. In tracta-
tion und handelung obgemelter puncten brauchen
wir die phrases und art zu reden, so der Herr Chri-
stus selbs und seine aposteln gesetzt und hinderlas-
sen haben. Und ob dieselbigen in disputation und
zank gezogen (darzu wir uns denn nicht gern wollen
bewegen lassen), erkleren wir sie mit der alten lehrer
zeugnussen, so fern dieselbigen des Herrn Christi und
der aposteln reden gleichförmig, doch also, daß wir
alles, was der papistischen abergleubigen transsub-
stantiation und den widerteufischen unheiligen ge-
danken und was dergleichen ist, patrocinirn, schutz
und beifall geben möchte, gern vermeiden und von
allen treuen dienern unserer kirchen vermieden ha-
ben wöllen, bekennen uns also in diesem artickel, wie
in allen andern, zu der Augspurgischen Confession56
und leren hiervon anderst nicht, denn es nechst gött-
licher und apostolischer schrift in der Augspurgi-
schen Confession verfasset und von denen, so sie
selbs gestellet, verstanden und erkleret worden ist,
verhoffen auch hierbei vermittelst göttlichen hilf be-
stendiglich zu bleiben und alle unnötige, ergerliche
disputationes und gezenk zu verhüten.
8. Summa alle unsere predigten und vermanung
vom nachtmal des Herrn Jesu seind dahin gerich-
tet, daß der einfaltige mann hiervon notwendigen
einfaltigen und des Herrn Christi und seiner lieben
apostel lehr gewissen bericht und verstand hab, alle
unnötige disputationes und gezenk, daraus die gott-
seligen geergert und einfaltige herzen und gewissen
verwirret, unrüige, zenkische köpf gesterkt werden,
möchten geflohen und unterlassen und die rechtgleu-
Dialogus 68, bei O. Ritschl, Dogmengeschichte
3, 107; vgl. ferner: Zwingli, De vera et falsa religione
commentarius; CR 90,802. Dieselbe Abwehr: KO
Calenberg-Göttingen 1542; Sehling VI, 2, 760.
56 Vgl. CA 10; Bek. Schrr. 62f.

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